Hm,
schon wieder Verwendung des Wortes "optimalst"...ist das optimaler als optimal oder was???
Nö, mal im Ernst: Wer kann, tut sicher gut daran, seinen Geiern eine große Freivoliere zu gönnen.
Wer das nicht kann, muß deshalb aber m.E. nicht gleich auf die Graupapageienhaltung verzichten.
Ich habe schon manche große Freivoliere gesehen, die derart karg eingerichtet war, daß die zwei dort untergebrachten Papageien so wenig Spielmöglichkeiten und Abwechslung hatten, daß sie sich sicher mehr gelangweilt haben als so manches Stubenpärchen mit Familienanaschluß. Kommt dann der Halter auch nur einmal am Tag zum Füttern vorbei kann das Leben in so einer Freivoliere nämlich eben auch reizarm und eintönig sein. Trotz Größe, frischer Luft etc.
Umgekehrt sind Zimmervolieren zwar beengt, dafür ist aber der Kontakt zum Pfleger enger und vielfältiger. Gerade Graue leben ja in Freiheit nur zur Brutzeit paarweise und streifen sonst in großen Schwärmen umher. Da wird garantiert nicht nur mit dem Partner geschwatzt und interagiert, sondern auch mit Hinz und Kunz, den Verwandten etc. Konsequenterweise wäre demnach also eine große Freivoliere mit einem Schwarm, der zur Brutzeit in die Paare aufgeteilt wird anzuraten??? Schön und gut, aber hierzulande entscheiden die Grauen oft recht spontan, wann sie brüten wollen. Das müßte der Pfleger also immer rechtzeitig mitkriegen und sie dann separieren....schwer, schwer-und Streß für alle Beteilgten. Drum werden Graue eben auch eher als Paar als im Schwarm gehalten. Dann klappt die Zucht ja so gut und allein sind se ja auch nicht.
Aber ist das artgerecht??
Ein Pärchen Graue, das in der Zimmervoliere täglich Freiflug und mehrstündige interaktion mit menschlichen Ersatzschwarmpartnern hat, mag sich da im Einzelfall vielleicht gar wohler fühlen als das Zuchtpaar in der Freivoliere..wer weiß??? Zumindest denkbar, oder?
Klar, menschliche Schwarmpartner sind keine Artgenossen. Aber imemrhin haben die Grauen die Fähigkeiten, TROTZDEM eine enge und auch durchaus echt emotionale Beziehung zu denen einzugehen-wie umgekehrt ja auch.
Das verwerflichste an der Sache mag sein, daß wir es uns aussuchen, mit Papageien befreundet zu sein und daß diejenigen Papgeien, die nicht gerade im größeren Artgenossenschwarm leben nicht so recht die Wahl haben..das stimmt schon. Aber da wären wir auch schon wieder bei der grundlegenden In Frage Stellung jeder Tierhaltung...
Und wenn ich mir meine Julie so ansehe...nach 11 Jahren in der Wohnung sitzt noch immer keine Feder schief, sie ist fit, lebhaft und gesund, hat ihre Babies bisher perfekt betreut ..also erfüllt sie doch eigentlich auch die von Lantermann geforderten Kriterien-oder wie waren die gemeint?
Hauptproblem in der Wohnungshaltung (bei interessierten und informierten Haltern wohlgemerkt) ist m.E. in den meisten Fällen die doch objektiv gesehen geringe Helligkeit und die meist zu geringe Luftfeuchtigkeit-aber daran kann man arbeiten. Wenn ich abends unsere Geier durchs Zimmer schießen sehe, wenn Charlie die Aufhängung der Wohnzimmerlampe benutzt, um heftig flügelschlagend mit hoher Umdrehungszahl Karussell zufahren oder Julie durchs Treppenhaus nach oben durchstartet, so glaube ich kaum, daß Zimmervolierenvögel zwangsweise bewegungsärmer sein müssen als ihre Kollegen im Freien.
Und was das Sprechen und Kunststückchen angeht: Ich bin dankbar für jeden Tipp, der mir hilft, Julie daran zu hindern, wenn ich die Futterklappen nach außen drehe innen durch schließen des Riegels das Zurückdrehen zu verhindern. Und wenn Charlie nicht jedes nervige laute Gräusch sofort lernen würde, um es dann Stundenlang am Stück in verstärkter Lautstärke zu bringen, wäre mir auch geholfen. Wie bitte bringe ich ihm bei, NICHT das Telefonklingeln zu imitieren? NICHT mit der Stimme meiner Frau dauernd laut durchs Treppenhaus nach mir zu rufen.? NICHT unsere Tochter durch permanente "Charlotte laß das!" Ausrufe zu irritieren??
Vielleicht verhält er sich nicht "natürlich" -aber ich bin gespannt, wie mir jemand beweisen will, daß das ihm KEINEN Spaß macht!
Und wie hier schon einmal jemand sagte: Die Tatsache, daß beide Geier in einem Wohnzimmer aufwuchsen hilft sicher auch dabei, daß sie keiner "goldenen" Freiheit nachtrauern, die sie gar nicht kennen.
Klar fänden sie es sicher toll, weit umherstreifen udn fleigen zu können. Aber ob sie dafür den Schutz vor Feinden, das immer beriete gute Futter und das nette vielfältige Wohnungsspielzeug wirklich eintauschen wollten wage ich zumindest als nicht garantiert zu betrachten.
"Artgerechte" Unterbringung von Homo Sapiens wäre ja eigentlich auch eher die offene Savanne unter südlicher Sonne und nicht zB eine 50QM Bude mit dürftigem Licht...aber wers nicht anders kennt...und andererseits, wer dann wieder selber jagen und sammeln und bei jedem Wetter im Freien übernachten müßte.....
Wenn man meine Geier fragen würde, was Ihnen nicht gefällt und was ihnen fehlt, würden sie sicher sagen, daß sie es unmöglich finden, daß man weder Wände anknabbern noch Bücher und Möbelstüke in Ruhe zerlegen darf. Daß die menschlichen Schwarmmitglieder entschieden zu geizig beim Teilen leckerer Speisen sind und daß diese wöchentliche Putzaktion im Heim doch entschieden nervig ist.
Das sind Dinge, die sie sicher umtreiben und beschäftigen. Ich denke die Sehnsucht nach endloser Weite und freiem Flug dürfte sich doch leicht in Grenzen halten. Immerhin darf man auch nicht vergesen, daß wir den intelligenten Geiern auch manche intellektuelle Herausforderung anbieten, die ihnen in Freiheit nicht zur Verfügung steht. Und da sie nachweislich intelligente Lebewesen, die zu abstraktem Denken und abstrahiertem Handeln fähig sind sind, bin ich überzeugt davon, daß "geistige Nahrung" den notwendigerweise unnatürlichen Lebensraum Wohnzimmer für die Geier erheblich aufwertet und ihnen gegenüber dem freilebenden Artgenossen sogar ein potentielles mehr an Lebensqualität bietet. Vor allem, da sie wegen der fehlenden Notwendigkeit zur Ausschau nach Feinden und Futtersuche sowieso viel mehr "Freizeit" haben, als ein wildlebender Artgenosse.
Der würde mehr Freizeit sicher durchaus zu schätzen wissen. Aber er muß nunmal Futter suchen, Feinde vermeiden und all die lebensnotwendigen Dinge tun.
Wenn man den Wohnungsgeiern nun Möglichkeiten bietet, in dieser "unnatürlichen" Freizeit ihnen angenehmen Beschäftigungen und Spielen nachzugehen, werden sie als intelligente Lebewesen das zweifellos zu schätzen wissen.
Und warum muß eine solche Beschäftigung denn unbedingt der Natur abgeguckt sein? Die Geier sind eben nicht so blöd, daß sie mit anderen Dingen nichts anfangen könnten!
Wir selber sind ja auch erst seit ein paar tausend Jahren Kulturwesen. Evolutiv gesehen ist das gar kein Zeitraum. Trotzdem haben wir durchaus unseren Spaß an Computerspielen, Schach, Drachenfliegen und anderen überaus unnatürlichen Beschäftigungen.
Und warum haben wir Spaß daran? Weil wir intelligent genug sind, zu verstehen, worum es dabei geht!
Und seit wann haben wir das? Seitdem uns unsere Kultur immer mehr Zeit verschafft, die wir nicht zum essentiellen Lebenserhalt benötigen.
Irgendwie schaffen wir da doch für unsere Geier ähnliche Situationen, oder?
Und auch die sind intelligent genug, um Spaß an Tätigkeiten zu haben, denen sie im natürlichen Lebensraum nicht begegnen.
Und wenn Charlie es toll findet, die piependen Tasten eines Spielhandys zu betätigen und dann auch noch ein einseitiges Telefongespräch mit dem Gerät zu führen, hat er an dieser ganz und gar nicht natürlichen (=artgerecht?) Beschäftigung ganz offensichtlich nicht weniger Spaß, als wenn er einen Weidenzweig zerlegt.
Soweit mein unbedeutender Senf dazu