Hallo Pe,
Original geschrieben von Pe
@all, gibt es Untersuchungen von diesen Lehmwänden in Brasilien? Inhaltsstoffe/Bestandteile?
Laut "Papageienkunde" von Werner Lantermann enthält der Lehm hohe Konzentrationen von Kalzium, Magnesium und Natrium. Das Lehmfressen erfüllt demnach einerseits die Aufgabe der Mineralstoffversorgung, andererseits hilft es bei der Beseitigung von Giftstoffen (z.B. Tannine, Strychnine und Quinine). Vor allem viele Nahrungsgeneralisten (die also eine breite Palette an Futtermitteln in unterschiedlichsten Reifegraden fressen), nehmen solche unbekömmlichen bzw. giftigen Substanzen auf. Die "Entgiftung" durch den Lehm begründet sich laut Hans-Jürgen Künne ("Die Ernährung der Papageien und Sittiche") in der unregelmäßigen Oberfläche der winzigen Gesteinspartikelchen. Die Absorptionsfähigkeit soll zusätzlich noch durch einen Austausch von Ionen verstärkt werden.
Im Großen und Ganzen kann man aber sagen, dass dieses "Phänomen" bei Papageien im Freiland bisher noch kaum erforscht ist. Es gibt etliche kleine Details, die es noch zu klären gibt. Fest steht aber, das sehr viele Früchte von den Vögeln schlicht und einfach nicht genutzt werden könnten, wenn ihnen die Lehmerde nicht zur Verfügung stehen würde. Ist schon eine erstaunliche Anpassung wenn man bedenkt, dass das Vorkommen solcher Lehmerde-Stellen ("Barreiros") in einem Verbreitungsgebiet einer Art nicht gleichmäßig ist. Von daher lässt sich vermuten das solche Vögel, die keinen Zugang zu der Erde haben, bestimmte Futtermittel nicht oder erst ab einem bestimmten Reifungsgrad (wenn also die Giftsotffe - je nach Pflanzenart - bereits abgebaut wurden) fressen können, während Artgenossen in einem anderen Gebiet mit Lehmerde-Vorkommen wiederum eine ganz andere Nahrung auswählen können. Die Nutzung der Lehmerde-Stellen ist also nicht nur von Art zu Art, sondern auch von Population zu Population unterschiedlich. Die Frage ist nur, wie wissen die Vögel, wann sie die Erde fressen müssen und welche Früchte sie meiden sollten, für den Fall das die Lehmerde im betreffenden Verbreitungsgebiet nicht vorkommt? Wird das von den Altvögeln "gelernt" und an die Nachkommenschaft weitergegeben, oder steckt da mehr dahinter? Laut einem Beispiel im "Lexikon der Papageien" ("Einführung in die Biologie der Papageien" von Nigel Collar) haben Papageien - genauer Gelbhaubenkakadus, Allfarbloris und Edelpapageien - auf Neuguinea nach einem Erdrutsch die Erde ähnlich wie die amerikanischen Papageienvögel konsumiert. In diesem Gebiet hat dieses Verhalten aber keinerlei Tradition (dieser Erdrutsch war ja mehr oder weniger "Zufall"), sodass ein Erlernen des Verhaltens von den Altvögeln ausgeschlossen ist.
Ups, ist jetzt wieder mal etwas länger geworden.
Das Thema Nahrungsauswahl und hier besonders diese "Zusatzkost" im Freiland ist aber sehr interessant, vor allem deshalb weil man sich für die Zukunft noch einige neue Erkentnisse erhoffen darf.