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Hallo zusammen,
Im Rückgriff auf das Eingangsposting von "Frau Köhler" hier
Auszügeaus einer Studie von Ralf Sistermann, Uni Achen, (Untersuchung zur sexuellen Prägung bei handaufgezogenen Papageien)
Vorab:
Liebe Frau Köhler,
es wurde/wird nicht behauptet, dass jeder Nachzuchtversuch handaufgezogener Vögel fehlschlägt. Es wird lediglich (und dies fundiert) darauf verwiesen, dass bei HZ-Vögeln eine signifikant höhere Disposition zu Fehlverhaltensweisen (auch im Hinblick auf Brut und Jungenaufzucht) besteht.
Ich freue mich über die gelungene (und wirklich als selten zu betrachtende) Nachzucht von Pionus tumultuosus im Loro parque. Aber mit Verlaub: Die störungsfreie Nachzucht durch zwei isoliert handaufgezogene Individuen, welche den Amazoninae zuzuordnen sind, ließe nur dann (und auch nur in Bezug auf diese Art) einen wissenschaftlich korrekten Rückschluss zu, wenn die Ergebnisse sich bei einer signifikanten Anzahl von Brutpaaren der gleichen Art und unter gleichen Bedingungen replizieren lassen.
Hier nun die Auszüge, die einen kleinen Überblick über das Verhältnis der aufzuchtbedingten Fehlverhaltensweisen an der Gesamtzahl der (von o.g. Autor) untersuchten Fälle bietet:
"4,52% aller an der Untersuchung beteiligten Züchter geben an, nur im Notfall zur
Handaufzucht zu greifen, lediglich 19,35% geben an regelmäßig
Handaufzucht zu betreiben. Dem widersprechen die Angaben über den Prozentsatz der jährlich handaufgezogenen Jungtiere. So ergab die Auswertung, daß 11,11% aller Züchter 40,00% und mehr aller Jungtiere der Aras handaufziehen, bei den Amazonen machen dies 15,38% der Züchter, 23,07% der Züchter ziehen 40,00% und mehr aller Jungtiere sonstiger Arten mit der Hand auf. Kakadus werden von 64,23% der Züchter zu 40,00% und mehr handaufgezogen, Graupapageien von 56,25%. Besonders auffällig ist, daß 43,75% der Züchter angeben, daß sie bei den Graupapageien mehr als 90,00% der Jungtiere handaufziehen. Dies bedeutet, daß die 43 erfaßten Züchter jedes Jahr alleine zwischen 70 und 100 junge Graupapageien handaufziehen, was nahezu der Hälfte der insgesamt 233 nachgezogenen Graupapageien entspricht. Da kaum Notfälle bei der Aufzucht in so großem Umfang auftreten, muß davon ausgegangen werden, daß die Jungtiere gezielt entnommen werden, damit sie später als
Handaufzuchten besser vermarktet werden können.
Hier ist die Gefahr groß, eine zuchtunfähige Population zu erzüchten, da gerade bei den Graupapageien die Fehlprägungen der
Handaufzuchten nachgewiesen werden konnten.
Die Gefahr der Fehlprägung wird verstärkt durch den frühen Zeitpunkt der Entnahme zur Aufzucht, 44,44% der Aras werden bis zur 4. Lebenswoche aus dem Kasten entnommen, bei den Amazonen sind es 40,00%. Graupapageien werden zu 63,13% innerhalb der ersten vier Lebenswochen zur
Handaufzucht entnommen, Kakadus zu 57,15%, bei den sonstigen Arten sind es 61,53%. Die tatsächliche Zahl könnte noch höher liegen, da ein Großteil der Züchter keine Angaben zum Zeitpunkt der Entnahme machte (Aras 55,56%, Amazonen 60,00%, Graupapageien 21,05%, Kakadus 28,57%, sonstige Arten 38,47%). Auch wenn die meisten Jungtiere zusammen mit arteigenen Individuen aufgezogen werden (Aras 44,44%, Amazonen 30,00%, Graupapageien 66,67%, Kakadus 54,55%, sonstige Arten28,57%), so ist es doch fraglich, ob die Aufzucht mit Artgenossen ausreicht, um eine Fehlprägung zu vermeiden. Ob diese durch rechtzeitige Vergesellschaftung mit Artgenossen vermieden werden kann, müßte in einer gesonderten Untersuchung geklärt werden. Die an der vorliegenden Untersuchung beteiligten Züchter konnten zumeist keine Angaben über den Zeitpunkt der Vergesellschaftung machen, was sicherlich darin begründet liegt, daß ein großer Teil der Nachzuchten in Wohnungshaltung verkauft wird, so daß der Züchter den weiteren Werdegang der Tiere nicht verfolgen kann.
Das die
Handaufzucht Einfluß auf das Verhaltensrepertoire hat, zeigt sich am Verhalten der Tiere dem Menschen gegenüber. 89,74% der handaufgezogenen Aras werden von den Züchtern als zahm eingestuft, dies gilt auch für 94,52% der Amazonen, 62,72% der Graupapageien, 75,00% der Kakadus und 98,63% der sonstigen Arten. Immerhin 37,28% der handaufgezogenen Graupapageien werden als menschengeprägt eingestuft, dies scheint in Hinblick auf die ermittelten Fehlverhalten der handaufgezogenen Graupapageien ein Hinweis auf die fatale Wirkung der
Handaufzucht im Bezug auf die sexuelle Prägung sein. Bei den Aras werden 10,26%, bei den Amazonen 5,48% als menschengeprägt eingestuft, ebenso 22,06% der Kakadus und 1,37% der sonstigen Arten. Die Schwierigkeit bei dieser Einstufung liegt darin, daß jeder Züchter individuell unterschiedliche Kriterien anwendet. Was für den einen Züchter noch zahm ist, ist für den nächsten bereits menschengeprägt. Es scheint deshalb sinnvoll, die Kriterien in folgenden Arbeiten klar umrissen zu definieren, um einheitliche Aussagen zu erhalten.
3.1 Schlußfolgerung
Die der Untersuchung zugrundeliegende Hypothese, daß bei
Handaufzucht von Papageien vermehrt Fehlverhalten in der Jungenaufzucht auftreten, wurde bestätigt. Bei den Graupapageien und den sonstigen Arten konnte eindeutig ein Zusammenhang zwischen
Handaufzucht und auftretendem Fehlverhalten nachgewiesen werden. Dieses Fehlverhalten, speziell das Nichtfüttern der Jungtiere, ist so gravierend, daß eine erfolgreiche Brut ohne menschliches Eingreifen nicht möglich erscheint. Das dieser Zusammenhang bei Aras, Amazonen und Kakadus nur bei den sonstigen Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, liegt sicherlich an der geringen Anzahl der untersuchten Paare. Um die gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen, ist es sinnvoll, eine erneute Untersuchung durchzuführen, die sich auf eine größere Anzahl von Paaren stützt, so das sie an Aussagekraft gewinnt. Das die gezeigten Fehlverhalten auf
Handaufzucht zurückzuführen sind, konnte durch den Einbezug von weiteren Faktoren, z.B. Haltungsform und Fütterrungsweise, die sich jeweils als nicht signifikant erwiesen, aufgezeigt werden.
Die Einschätzung der Züchter, die 37,28% der handaufgezogenen Graupapageien als menschengeprägt ansehen, unterstützt die im Rahmen der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse, daß die
Handaufzucht zu Fehlprägungen führen kann. Somit ist die Praxis der
Handaufzucht allgemein in Frage zu stellen, zumal das Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien eindeutig fordert, daß Jungvögel so aufzuziehen sind, daß sie artgeprägt sind (BML 1995). Dies kann die
Handaufzucht eindeutig nicht gewährleisten, auch wenn
Handaufzucht nicht zwingend zu Fehlprägungen führen muß."
Hallo Nora,
Du schreibst: " Es ist leider sehr schwer NB auf dem Markt zu bekommen. Es wäre schön wenn sich das ändern würde und mehr NB gezüchtet werden."
Das ist zutreffend. Die HZ ist von der Ausnahme zur Regel mutiert.
Schöne Grüße
Volker