Hallo Azrael!
Zwar muss ich keine Wasserlachen vom Boden wischen, weil mein Geflügel bekanntlich sauber in der Badewanne abgeduscht wird
, doch deine diskret anklingenden Sorgen bei der gemeinsamen Wohnungsnutzung sind mir wohl bekannt. Auch meine beiden Grünen bevorzugen den höchsten Platz zum Verweilen, vermutlich weil es von dort oben so schön klatscht beim Entsorgen überflüssigen Körperinhalts. Auch nehme ich eine gewisse Überheblichkeit wahr, wenn ich unten stehe, herumfuchtele, rufe, locke und drohe, während man mir interessiert aus der Höhe zuschaut, aber keinerlei Anstalten macht, meiner Aufforderung Folge zu leisten. Weil Leckerlis bei meinen leider nichts bewirken, muss ich in solchen Fällen mit dem Schrubber kommen. Erst dann setzt sich mein Geflügel in der gewünschten Abwärtsrichtung in Bewegung.
Erschwerend kommt hinzu, dass neben besagter Arroganz mein Geflügel äußerst sparsam ist in der Vermittlung von positiven Emotionen. Es soll ja Amazonen geben, bei denen man auf Anhieb merkt, wenn sie sich freuen. Meine beiden gehören nicht dazu. Weder sagen sie „danke“, nachdem ich die Näpfe aufgefüllt habe, noch lassen sie erkennen, dass sie mich vermissten. Im Gegenteil: Wenn ich nach Hause komme und ein fröhliches „Hallo, meine Süßen, ich bin wieder da“ rufe, werde ich derart ungerührt, aber durchdringend aus der
Voliere angestarrt, dass ich jedesmal denke, gleich fragen sie mich: „Können Sie sich ausweisen?“
Um auch hier korrigierend einzugreifen, wäre vielleicht eine kleine Luftveränderung zu befürworten. Ich habe Mia und Max gefragt, was sie davon hielten, bei dir und deinen Krummschnäbeln ein paar Tage zu verbringen (den eigentlichen Zweck, nämlich am Kochkurs „Gesunde Ernährung – auch Amazonen können das überleben“ teilzunehmen, habe ich hinterhältig vorerst verschwiegen.). Die Antwort fiel durchaus positiv aus. Meine beiden freuen sich immer, neue Gesichter kennen zu lernen. Besonders Max war begeistert, dass du in Sachsen wohnst, denn er ist ja ein gebürtiger Sachse und meinte, dann könne er ja schnell mal zum Züchter rüberhuschen und die Eltern besuchen.
Aber als sie dann erfuhren, dass ihr mit zwei liierten Pärchen zusammenlebt, bekam die anfängliche Begeisterung einen Dämpfer. „Was sollen wir bei zwei Ehepaaren?“, war die einhellige Meinung. „Die glucken doch nur immer zusammen, sitzen den ganzen Abend vorm Fernseher und gehen freitags höchstens mal zum Kegeln ... Seniorenalltag.“ („Na! Max!“)
Und euer Graupi? „Och, der ist toll“, lautete die einhellige Meinung. Aber dann – woher konnte Sonja das bloß erahnen? – kriegten sie das Foto vom Küchenmeister in die Hand. Augenblicklich fiel die Klappe: „Ihhh, der frisst ja Tomate!“ Nä, mit so was wollen sie nichts zu tun haben, sagen Mia und Max. Rohkost! Da erkältet man sich ja den Magen! Und holt sich Würmer!
Tja, liebe Azrael, was soll man dazu sagen? Mia und Max verharren im Unterrichtsfach „Ernährung“ selbst nach Jahren noch auf dem untersten Level. Dass man Apfelstücken zerschreddern kann, haben sie zwar mittlerweile begriffen (sie futtern sogar Apfel), doch fehlt der Erkenntnis noch die nötige Tiefe, die Variationsbreite. Denn das Wissen auf Birnen, Möhren oder Broccoli auszudehnen, übersteigt noch ihren Horizont. Gescheitert sind wir auch bei wehrhaftem Obst (spritzenden Orangenscheiben) und, wie du sicher weißt, bei roten Früchten und rotem Gemüse. Ach ja, und bei allem Grünen, das lappig runterhängt. Mia hat zwar schon mal den Topf mit Basilikum „geerntet“, also alle Stängel sauber abgeknipst, aber kauen und runterschlucken würde sie dieses Zeug nie und nimmer.
Unter diesen Umständen: Danke für dein nettes Angebot, aber ich glaube, bei meiner abartige Höllenbrut wäre deine Mühe vergebens. Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Gemüseeintopf! Für meine beiden ist das nichts zum Essen, das ist gesammeltes Naturdeko.
Viele Grüße
Rinus.
Anbei Max, wie er unter der Decke hängt und mir beim Schimpfen zuguckt: „Is was?“