Hallo Thorsten!
Was? Sex? Auch noch on the beach?
Von welchem Sündenpfuhl muss ich denn da hören? Ich dachte, ich geb meine beiden Amazonen in die Obhut gut hessischer Gastlichkeit, aber jetzt dringen mir solche Horrorgeschichten ans Ohr. Pfui, Thorsten, das hätte ich nicht von dir gedacht. Meine arme, kleine Mia ... Opfer hemmungsloser Sexspiele. Am Ufer der Fuda. Der guten braven Fulda. So kann man sich täuschen. Mein Vertrauen ist erschüttert ... wie bitte? ... was sagst du, Ali? ... Ach, so ... Sex on the beach ist der Name eines Cocktails? ... bist du sicher? ... na, dann ... äh ... entschuldige bitte, Thorsten, das hab ich nicht gewusst ... ich wollte dich nicht in Verruf bringen ... kannst du mir noch mal verzeihen?
Mann-o-Mann ist das peinlich. Mache ich hier den armen Thorsten nieder. Aber woher soll ich das auch wissen? Sex on the beach! Kenne ich mich vielleicht aus im Nachtleben? Zu meiner Zeit hat man allenfalls mal Cola Rum getrunken. Das waren noch Zeiten; da dachte man, weiß der Himmel, wie verrucht man wäre.
Gut, ihr wart also in der Disco. Und den Kindern hat‘s gefallen? Sicher mehr als die Schlossbesichtigung und der Gang durch die Michaelskirche – das ist ja immer so. Hier zu Hause hatte ich auch große Mühe, die beiden neulich zum Vortrag zu kriegen. Max sagte, die „Münzprägung in Paderborn des 15. Jahrhunderts“ würde ihn leider zufällig so gar nicht interessieren – er hätte sich nämlich aufs
16. Jahrhundert spezialisiert. Da kann man nichts machen.
Trotzdem schön, dass die Kinder sich mal melden. 24 Stunden nach der Ankunft – da ist es in der Tat angebracht, der Mutti daheim mitzuteilen, ob man gut angekommen ist. Da fällt einem überhaupt erst ein, dass man noch sich sorgende Angehörige hat, nicht wahr? Gott sei Dank wusste ich aber schon Bescheid. Ich hatte gestern gleich hinter Fulda mit Gefrierputen-Manni gesprochen und war daher im Bilde, dass Mia und Max gut übergeben worden waren.
Entgegen Giselas Befürchtung sind mir auch keinerlei Klagen gekommen. Mia und Max haben unterwegs nicht versucht, den LKW nach Italien zu entführen. Aber das hätte ich dir auch so sagen können, Gisela. Stell dir doch bitte mal folgendes Szenario vor: Mia zückt ihre Nagelpfeile, Max kramt sein Schweizer Messer aus dem Rucksack. Leider kriegt er die Klinge nicht raus. Er fragt also Manni, ob er ihm behilflich sein könne. Manni antwortet: „Klar doch, min Djung“ und klappt ihm das Messer auf. Kaum hält Max es wieder in seinen Füßen, richten Mia und er ihre Dolche gegen den LKW-Fahrer, schreien „Ha!“ und verlangen, bedingungslos und augenblicklich nach Venedig gebracht zu werden. Dies sei ein Kidnapping, und Manni würde nichts passieren, wenn er die Anweisungen befolge und nicht versuche, unterwegs Kontakt aufzunehmen zur Polizei, zum Chef, zu Thorsten oder zu mir.
Was glaubst du, würde weiter passieren? Manni kriegt Schiss, denkt an die Alimente, die seine Kinder noch zu bekommen haben, entschließt sich daher, kein Risiko einzugehen, fährt mein Geflügel also brav nach Venedig, wo Mia und Max dann in der Gondel auf dem Rio Grande fahren (Jo - das vor allen Dingen!) und abends schick eine Platte Räucherfisch bestellen? Oder ginge es nicht vielleicht so weiter? Manni verfällt in ein gutmütiges „Hu! Jetzt macht ihr mir aber Angst!“, setzt freilich unbeeindruckt seine Route fort und fragt kurz vor Fulda: „Na, Kinners, wie ist‘s? Wollt ihr nicht doch mit nach Portugal? Dort werden noch zwei furchtlose Komiker gebraucht zum Windfächeln für die reichen Gefrierputen-Omas.“
Und morgen geht’s in die Flora? Fein, das wird den Grünlingen gut tun, in vielerlei Hinsicht sich positiv auswirken auf körperliche und geistige Missstände. Da werden so manche Flausen einfach ausgeschwitzt.
Nur eins kann ich nicht glauben: Max hat eifersüchtig über Mia gewacht? Er, der Erotik für eine Bauepoche hält und jenes Fass-nicht-an-was-mir-Gehört auf seine Mickey-Maus-Hefte bezieht und auf seine Matchbox-Autos? Sollte die pure Anwesenheit männlicher Konkurrenz ritterliche Gefühle in ihm geweckt haben? Das wäre kaum zu glauben. Bitte, behalte das im Auge, Thorsten. Das interessiert mich sehr.
Schön, dass die beiden deine Flunkerei von der getauschten Wohnung geschluckt haben. Manchmal sind Mia und Max eben doch noch sehr leicht zu beeindrucken. Man merkt ihnen ihr kindliches Vertrauen an.
Bis hoffentlich bald,
seid gegrüßt, ihr Süßen und natürlich auch Neo + Thorsten.
Rinus.