Hier Mia.
Oh Mann, jetzt war der Analphabet schon wieder am PC. Das ist ja direkt peinlich. Hier soll es doch so was geben wir Moderatoren. Können die nicht mal eingreifen und dem ein Ende machen? Oder die Chefs von denen? Max ´ne PN schreiben, wo drinsteht, dass User mit einem IQ unter dem einer Qualle leider hier nicht posten dürften aus Krankenschutzbestimmungen? Weil geistig zurückgebliebene Gelbnacken-Jungs unter der besonderen Aufsicht des Gesundheitsministeriums stünden und bei Zuwiderhandlung juristische Folgen drohten? Man schämt sich ja sonst zu Tode, und ich schaffe es nicht, dauernd hinter Max herzurennen und seine Entgleisungen auszubügeln. Und dann auch noch schön Wetter machen bei den Leuten, die er mal wieder angepampt hat. Ich hab zu Hause schon genug zu tun, dass Max seine Matchbox-Autos nicht heimlich mit meinem Nagellack umlackiert. Da kann ich nicht auch noch aufpassen, was er am PC vermurkst.
So, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei Coco.
Das ist aber eine Überraschung, dass du dich auch mal wieder meldest. Ja, ich erinnere mich. Du hast mich damals als naive Pute bezeichnet: klein und dumm wäre ich, dazu noch undankbar, und lügen tät ich auch noch. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie ich mich damals gefühlt hab? Ich wollte unbedingt nach Rio an den Strand, aber niemand hat mich verstanden, als ich ganz allein war und einen Freund brauchte. Meine Mama hätte mich nie und nimmer gehen lassen, das ist doch klar, und Max hat nur gesagt: „Weißt du, was das ergibt, wenn Gelbnacken-Mädchen einen Sonnenbrand kriegen? - Einen dampfenden Rotkohl!“ Ihr wart alle so herzlos zu mir, und da hab ich gedacht, der Coco, der ist anders, der ist erwachsen und kennt was vom Leben, der weiß, wie man mit Frauen umgeht, der wird mich verstehen, bei dem kann ich mich anlehnen und ausweinen. Aber nee, Pustekuchen. Ha, du Schamör, du schaffst es ja noch nicht mal, deine eigene Frau glücklich zu machen! Und jetzt kommst du hier angekrochen und redest so gesalbt, von großen Gefühlen und so, als hättest du mich nie vergessen, und dabei willst du mich nur weichklopfen, damit ich mit dir ins Separee gehe. Aber wenn du dann hast, was du willst, dann lässt du mich wieder fallen und sagst wieder so was Fieses wie, ich wäre jetzt ja nicht mehr unschuldig und mit Mädchen, die nicht nein sagen können, wolltest du nichts zu tun haben. Ja, so seid ihr Männer: erst rumschleimen und sich dann ´ne Jüngere suchen.
Weißt du was, Coco? Ich brauche gar nicht mehr nach Rio. Ich war nämlich inzwischen viel weiter weg im Urlaub. In Fulda, jawohl, da staunst du, was? Da hab ich gaaanz lange fahren müssen, um dorthin zu kommen, da kannst du mit Rio nicht gegenan stinken. Das reizt mich nicht mehr. Außerdem bin ich nicht mehr so klein und dumm, wie du denkst. Ich hab inzwischen „Sex on the beach“ getrunken und „Nymphomanie on the mountain“ und „Orgie under the tree“. Das sind Getränke für Erwachsene. Cocktails. Kriegt man nur nachts in einer Bar oder in einer Disco. Ganz schick, sag ich dir ... Oh, jetzt ist mir was eingefallen ... du bist doch Alkoholiker ... dann hätte ich das nicht sagen dürfen. Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht in Versuchung führen. Im Gegenteil, ich finde das immer ganz toll, wenn sich Vögel zusammenreißen können und die eigene Schwäche besiegen wollen. Das ist ja auch viel besser fürs eigene Ich, nicht wahr? Denn wenn man so was schafft, fühlt man sich gleich besser, nicht mehr wie ein elender Wurm ohne Charakter und Rückgrat. Deshalb: Toi-toi-toi, Coco, dass du es schaffst, trocken zu bleiben!
Aber sonst muss ich dir leider sagen: Aus uns wird nichts. Ich habe jetzt andere Interessen. Ich bin gerade dabei, mich beruflich neu zu orientieren. Ich gehe ins Verlagswesen. Fotografie, um genauer zu sein. Mehr verrate ich nicht. Dafür brauche ich meine ganze Kraft. Ich kann es mir also nicht leisten, mein Privatleben mit einer windigen Liebschaft zu vergeuden. Du musst dir ein anderes Mädchen suchen, das du besülzen kannst.
Was ist übrigens mit Tobi, mit deinem Futterknecht? Hast du nicht mitgekriegt, dass ich dir neulich geschrieben habe? Hast du meine Ratschläge nicht beherzigt? Tja – offenbar nicht, denn sonst würdest du jetzt vom geplanten Urlaub in Kalifornien schwärmen und nicht hier herumjammern, du wolltest dich mit mir treffen. Mein Gott, was bist du bloß für ein Stoffel! Schaffst es nicht mal, deine eigenen Menschen anständig zu erziehen. Muss die Mia erst kommen und dir zeigen, wie man das macht? Brauchst du Nachhilfeunterricht? Ja?
Nee, nee, freu dich nicht zu früh. Ich komme nicht heimlich zu dir nach Duisburg. Aber wenn du willst, kannst du für ein paar Tage uns besuchen kommen, in Hannover. Das biete ich dir großzügig an. Wir brauchen nur mit unseren Müttern zu reden, irgendwas Harmloses erfinden, damit sie einwilligen. Bei Rinus ist das kein Problem. Die hat nämlich gerade einen Lauf. Weißt du, seit Max bei uns wohnt und unsere Mama kapiert hat, welch armselige Kreatur sie da dem Schicksal entrissen hat, so furchtbar gestraft mit sowohl geistiger als auch körperlicher Behinderung, seitdem denkt sie, sie müsse irgendwas gutmachen an uns allen anderen Amazonen, und seitdem lädt sie wahllos irgendwelche Grüne zu uns ein und unternimmt was mit ihnen und uns, damit sie sich freuen und glücklich sind. Also, wenn du mich fragst, ich halte das für ziemlich idiotisch, nur weil Max ein kleiner pummeliger Schwachkopf ist, jetzt ein schlechtes Gewissen zu schieben, aber andererseits habe ich auch was davon. Uns kommen nämlich tolle Leute besuchen, und wir kriegen richtig was geboten, denn die Rinus geht mit uns raus und lässt sich nicht lumpen, wenn wir unterwegs mal ´ne neue Sonnenbrille haben wollen oder eine schicke Halskette.
Also, was ist? Hast du Interesse daran, mal nach Hannover zu kommen? Wenn ja, sag Bescheid, ich rede dann mit Rinus, und die schreibt dann deiner Gisela. Aber eins sag ich dir, wenn du mir dann nur ein einziges Mal auf den Hintern gaffst, dann kriegst du so eine geschallert, dass der Rückstoß dich geradewegs nach Duisburg zurückgefördert. Verstehen wir uns da richtig?
Mit Max rede ich dann schon. Der wird sich benehmen. Für die „Knalltüte“ hat er sich ja bereits entschuldigt.
Deine
Mia.