Hallo ihr Lieben!
Jetzt musste plötzlich alles ganz fix gehen. Ich hatte gerade ein Bad eingelassen und eine Gurkenmaske aufgelegt, da klingelte es und Anita mit einer Fuhre juchzendem und quietschendem Federvieh kam die Treppe hoch. Ich war natürlich froh, dass die Kinderchen heil und vollzählig bei mir ankamen (man trägt ja Verantwortung!), doch dass man von Lee mit einem „Huch ... ein Rinus-Vampir!“ begrüßt wurde, brauchte man nicht wirklich zur Hebung seiner Sonntagsstimmung.
Aber wenigstens fühlten sich die Grünen wohl. Die Augen glühten und jeder wollte zuerst erzählen. Anita rauschte wieder ab, sie hatte zu Hause noch genug zu erledigen. Danke erst einmal für deine wunderbare Campleitung, Anita!
Dann: „Wollt ihr was essen?“ – „Jaaaaa ... Toast Hawaii! Und Schwarzbrot mit Heringssalat!“
Also Ofen angeschmissen, Ananas in Scheiben geschnitten, Butterbrote geschmiert. Die Grünen mampften, als hätten sie am Donnerstag zuletzt was zu essen gekriegt. „Hat euch die Tante Anita denn nichts gekocht?“ – „Doch, Erbseneintopf, Spaghetti Bolognese, Pflaumenkuchen, Obstsalat, kalter Hund und Pizza. Vorhin gab’s Nusskuchen mit Schlagsahne!“ – Und dann habt ihr jetzt so einen Hunger?“ – „Jaaaaa, können wir noch was von dem Kartoffelsalat im Kühlschrank kriegen?“
Junge, Junge, das muss die körperliche Betätigung gemacht haben. So verfressen habe ich Amazonen noch nie erlebt. Zwischendurch wurde von Torschüssen erzählt, von Wanderungen mit der Taschenlampe durchs Gesträuch, von einer Besichtigung des Eisstadions in Hannover, und meine kleine Mia will sogar bei Anita im Laden geholfen haben, T-Shirts einräumen und Kunden bedienen. Max erstaunte mich, dass er mal nicht die größte Klappe hatte, sondern alle andern artig ausreden ließ. Wie hast du das gemacht, Anita? Ihn verzaubert?
Anschließend: schnell, schnell, alle Mann rein in den Rucksack und in die Baumwollbeutel – es ging zum Flughafen, Rory und Lee verabschieden. Wir hatten Glück: Die nächste Lufthansa-Maschine nach München startete eine halbe Stunde später. Rory und Lee kriegten jeder einen „Ausweis“ um den Hals gehängt („Personal guests from Capt. Müller“) und wurden von einer Stewardess in die Maschine getragen, bevor die gewöhnlichen Passagiere einstiegen. Wir standen draußen auf der Plattform und winkten, als das Flugzeug zur Startbahn rollte. Ich bin mir nicht sicher, aber ich vermeine auf dem weißen Hemd des Kapitäns zwei grüne wedelnde Flecken gesehen zu haben. Auf jeden Fall bekommst du deine beiden Burschen noch heute Abend zurück, Gaby.
Wir anderen sind nach Hause gefahren. Weil Sonja bekanntlich Puten-Manni heute nicht mehr erreichen konnte, muss die Abfahrt von Ännchen und damit auch von Neo auf morgen früh verschoben werden. Ich hoffe, das ist okay für dich, Thorsten. Aber mir ist es lieber, ich weiß, mit wem die Kinder unterwegs sind, als dass ich eine heikle Reisemöglichkeit wahrnehme, nur damit sie ein paar Stunden früher daheim sind.
Nebenan in der
Voliere ist bereits Ruhe eingekehrt. Die Grünen sind so zerschossen, dass sie von ganz allein auf die Stangen gekrochen sind und vor lauter glücklichen Gedanken keine Energie mehr hatten für ein Gute-Nacht-Schwätzchen.
Ich habe übrigens Neo die beiden Fotos von der kleinen Lulu gezeigt. Der arme Junge weiß ja noch gar nicht, wer zu Hause auf ihn wartet. Ich hab allerdings nicht verraten, um wen es sich handelt. Er sollte sich nur ein optisches Urteil bilden. Und danach ist die Lulu ein voller Erfolg. „Ey Mann, ist die süüüß!“, hat Neo gesagt. Und Max meinte: „So eine Flauschschnecke würd ich auch nicht von der Stangenkante schubsen.“ Dafür hat er sich von Mia einen Rüffel eingeholt: „Du Döskopp ... die ist doch noch ein Baby.“ „Ja“, kam ihr Ännchen zur Hilfe, „wenn die mal groß ist, stiehlt sie uns allen die Schau - passt mal auf, dafür sind Blaustirns bekannt!“ ... worauf sich Neo und Rory in Positur setzen und breit grinsten.
Ännchen im Übrigen hatte ja noch ein Geheimnis zu lüften, nämlich die Sache mit dem Wok, warum sie ihn heimlich mitgeschleppt hatte von zu Hause. Ich habe sie danach gefragt, selbstverständlich äußerst diskret in einer ruhigen Minute. Die Antwort überzeugt mich freilich nicht. Sie behauptet nämlich, den Wok als Schutz eingepackt zu haben. Als Schutz ...wovor? „Vor Max.“ – „Wie ... vor Max?“ Weil er doch immer so fies zu ihr sei, da habe sie gedacht, sie stülpe sich nachts den Wok über, dann komme Max nicht an sie heran, um zu stänkern oder gar zu stupsen oder zu schlagen – dann sei sie geschützt und könne wenigstens nachts unbehelligt ruhen. Du lieber Himmel! „Mein gutes Kind, du hättest doch unter dem Wok keine Luft gekriegt!“ – „Doch ... ich hab mir extra eine Packung Strohhalme mitgenommen zum Luftholen unterm Rand hindurch.“
Liebe Sonja, was soll man davon halten? Verbreitet mein kleiner stoffeliger Max wirklich so viel Angst und Schrecken? Ich dachte, er wäre zur Vernunft gekommen, wenn ich lese, was Anita vom Inliner-Wochenende erzählt. Willst du ihn wirklich jetzt noch bei dir aufnehmen? Falls du es dir anders überlegen solltest – ich bin dir nicht böse. Ich kenne doch meinen Jungen. Für mich bleibt er – egal, was passiert – mein kleiner Max. Da können mich kleine Gesten der Ablehnung nicht wirklich kränken. Und wenigstens hat der Wok ja unterm Strich gute Dienste geleistet, wenn die Kinder damit die Rutsche runtergesegelt sind, wie Anita schreibt.
Mehr habe ich freilich von den Ferienkindern nicht herausbekommen können. Wie gesagt, sie schlafen bereits. Mal sehen, ob sie morgen noch was berichten werden.
Bei dir, liebe Anita, möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken für deinen Einsatz und die wunderhübschen Hockeyschlägerchen. Du wirst es nicht glauben, aber Neo hat sich seinen auf die Sitzstange geklemmt, und dort hockt er nun drauf, egal wie holprig es auch sein mag! Herzlichen Dank auch an Joanna, Tobi und Ralf. Sie hatten ja auch viel zu arbeiten mit der Amazonen-Horde. Schade, dass Azraels fünf nun doch nicht hatten mitkommen können. So ein Pech aber auch, dass es im allerletzten Moment doch nicht geklappt hat. Ich glaube, mein Max hat sich ein bisschen in Agathe verguckt. Er sagt nämlich dauernd, er will ihr schreiben und ihr seine „wahren Gedanken“ mitteilen. Zu süß!
So, nun muss ich aber selbst in die Puschen kommen. Ich muss noch ein wenig am Schreibtisch arbeiten. Meine Partnervermittlung für die gehobene Aquaristik (für Koi-Karpfen, um genau zu sein) wartet auf ein paar Fragebogen, die noch ausgewertet sein wollen für die Kundschaft morgen Mittag. In der Frühe habe ich ja zu tun; da muss ich zusehen, dass ich Puten-Manni erreiche, um Ännchen und Neo heil nach Hause zu schicken.
Viele Grüße
Rinus