Hallo Anita!
Danke auch dir für deine Anteilnahme.
Ich verstehe es auch nicht: Was ist in unsere Kinder gefahren? Da denkt man, sie hätten endlich einen Schritt nach vorn gemacht, wären einsichtig geworden nach all dem Kinderkram – und nun dieser Schlag ins Kontor. So wie sie gestern hier ankamen, so platt nach dem Inlinern bei dir, da hätte ich meine Seele darauf verwettet, dass die Grünen die nächsten drei Wochen außer Gefecht gesetzt wären, anstatt Hulligulli in Portugal zu veranstalten.
Eigentlich hatte ich euch ganz geruhsam mitteilen wollen, was mir gestern zu Ohren kam über gewisse Vorgänge beim Zelten am Wochenende. Doch die Aufregung um unser Verbrecher-Trio hat mir allen Langmut geraubt. Ich erzähle euch trotzdem davon, weil ich denke, gerade dich als Herbergsmutter, Anita, wird interessieren, was hinter deinem Rücken vorgefallen ist.
So weiß ich aus sicherer Quelle, dass sich dein Tobi die Grünen-Mannschaft vorgeknöpft hat, um ihnen ein paar Takte über faires Verhalten auf dem Spielfeld zu predigen. Es hatte nämlich, wie du richtig bemerkt hattest, gewisse Ansätze gegeben, mit meinem Max ein Hühnchen zu rupfen, also Schläger extra ungeschickt zu halten, Bälle gemein zu plazieren und dergleichen mehr. Daraufhin hatte Tobi seine Schützlinge versammelt und darauf bestanden, dass auf dem Spielfeld persönliche Vorlieben oder Abneigungen nichts zu suchen hätten. Dort gälten allein die Spielregeln, und wenn er noch einmal Unregelmäßigkeiten bemerke, könnten die Kinderchen darauf wetten, sich allesamt beim Einfetten der Inliner-Kugellager wiederzufinden.
Mensch, Anita, dein Tobi ist ja eine wahre Führerpersönlichkeit. Alle Achtung! Er hat Biss und weiß, was er will. Solche Vorbilder sollten unsere Grünen viel mehr haben, dann würden sie nicht dauernd aus dem Ruder laufen.
Allerdings haben sich, wie ich später hintenrum erfuhr, die Mädels, also Mia, Ännchen und Gina, durch Tobis Argusaugen darin gehindert gesehen, weithin ihr Mütchen an Max zu kühlen. Ich weiß zwar nicht, was genau sie ihm vorwerfen, warum sie so stinkig auf ihn sind, jedenfalls fühlten sie sich im Recht und haben sich ihre Rache mit Gewalt geholt. Das sah dann so aus: Im Zelt, als alle schliefen, haben die drei Max erst festgezurrt in seinem Schlafsack, dass er sich nicht bewegen konnte, ihn dann gemeinsam aus dem Zelt hinaus über die feuchte Wiese gerollt und ihn schließlich unter einem Strauch, der sich später als Brennnessel entpuppte, abgeladen. Dann sind sie zurück ins Zelt gekrochen und haben die übrigen Jungs, also Neo, Rory, Lee und Murphy, angewiesen, sich rauszuhalten, sonst würden sie petzen, dass sie ein Fläschchen Rumverschnitt geschmuggelt und rumgereicht hatten.
Das muss wohl gewirkt haben als Warnung, denn die Zeltinsassen müssen gut mitgehört haben, wie draußen der arme Max gejammert hat, ihm würden ganze Wasserfälle ins Gesicht klatschen, Ohrenkneifer krabbelten in den Schlafsack hinein und ihm wäre kalt – „Ihr drei Schlampen, holt mich hier weg – soo...fort!“
Tja ... „Schlampen?“
„Ja, Schlampen.“
„Was hast du gesagt?“
„Nacktschnecken!“
„Wie bitte?“
„Holt mich hier raus, ihr blöden Suppenhühner!“
„Noch mal ... was sind wir?“
„Blööööde Sup-pen-hüh-ner!“
„Gut, dann schlaf schön, Großmaul. Die Suppenhühner nehmen jetzt die Hörgeräte raus.“
Und dann haben die Mädels doch tatsächlich meinen lieben, kleinen, frierenden Max draußen eingeschnürt unterm Brennnesselbusch liegen lassen. Bevor du dann kamst zum Wecken, Anita, haben die drei Mädels Max wieder ins Zelt gerollt und losgeschnürt. So hat niemand was gemerkt. Und Max traute sich nichts zu sagen, weil ihm gedroht worden war, im Falle des Petzens im Wok „getauft“ zu werden. Damit war gemeint: ein Ganzkörperbad in Hühnerbrühe mit Schnittlauch und Buchstabennudeln. Ist es zu fassen?
Aber ich muss zugeben: Unter normalen Umständen hätte ich jetzt genug Muße, um mich darüber aufzuregen, doch wenn dieselben Kinderchen mutterseelenallein nach Portugal unterwegs sind, dann sieht man vieles in einem ganz anderen Licht; dann relativiert sich so manches.
Und deshalb sehe ich es dem lieben Neo auch gerne nach, dass er meinem Max heimlich etwas mitgebracht hat, das normalerweise nicht meine Zustimmung finden würde. Ich habe hier nämlich ein Kästchen gefunden. Darin lag ein winziges Buch: ein Lexikon der Schimpfwörter. Vorne drin die Widmung: „Für Max von Neo. Damit dir der Zunder nicht ausgeht.“ Unter „M“ steht „Murksotter“ und unter „R“ „impotenter Rüsselkäfer“.
Wie gesagt: Ich habe jetzt andere Sorgen. Ich wollte euch aber nicht im Unklaren lassen, deshalb dieser Bericht. Je länger ich mir das angucke, desto eher bin ich der Überzeugung, dass wir Amazonen-Eltern zusammenhalten müssen, sehr gut zusammenhalten – sonst haben wir, ohne es zu merken, die schönste Meuterei in unseren Häusern.
Bitte seid in Gedanken bei mir.
Viele Grüße
Rinus