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"Der Wecker" 10. Juli 2005
Krähen kriegen einfach mehr Junge
Es geht gar nicht um die Wiesenvögel im Landkreis Leer. Wissenschaftler wollen wissen, ob sie mit der Fallenjagd Krähen deutlich reduzieren können. Die Vögel schlagen den Wissenschaftlern ein Schnippchen.
Von Doris Zuidema
KREIS LEER. Wütende Naturschützer verließen am Donnerstag vorzeitig die Sitzung des Ausschusses für Kultur Umwelt- und Naturschutz im Landkreis Leer. Zuvor hatten sie verfrüht und damit unerlaubt ihren Unmut in die Sitzung gekräht. Doch als sie dann Fragen zum Forschungsprojekt "Krähen- und Elsternfang" im Landkreis Leer stellen durften, waren sie längst ausgeflogen.
Die "Grüne" Mechthild Tammena, sprach von "Mord an Rabenvögeln". Landwirt Arnold Venema (FDP) verwahrte sich dagegen, als Mörder bezeichnet zu werden. Dem Wissenschaftler Andreas Grauer wurde von Krähenfang-Gegnern die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Alles in Allem kamen sich Gegner und Befürworter des Projektes keinen Schritt näher.
Um das in die Kritik geratene Projekt "Krähen- und Elsternfang im Landkreis Leer" zu rechtfertigen, hatte die Kreisverwaltung Andreas Grauer vom Institut für Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover eingeladen. Er begleitet das Projekt wissenschaftlich. Doch sein Referat konnte die Zweifel an der Notwendigkeit der Massentötung von mittlerweile rund 12.000 Rabenkrähen nicht ausräumen. Im Gegentei: Das Ziel - das machte Wissenschaftler Andreas Grauer deutlich - sei nicht, bedrohte Wiesenvögel wie Kiebitze, Uferschnepfen und Bekassinen zu schützen. "Oberstes Ziel ist es herauszufinden ob der "Norwegische Krähenfang" für eine gezielte Bestandsreduzierung von Rabenkrähen großflächig geeignet ist", so Grauer.
Dass die Fallen den entsprechenden Erfolg haben werden, glaubt Johnny Prinz, Naturschutzbeauftragter des Landkreises Leer und Vogelexperte, nicht. In seinem, etwa 4.300 Hektar großen Beobachtungsgebiet, hätten die Rabenkrähen seit Einführung der Fallen einfach mehr Junge bekommen: "Es gibt seitdem einen fünf Mal so hohen Brutertrag der Rabenkrähen. Die Natur steuert gegen", so Prinz. Die Populationsdichte bleibe so erhalten.
Und die armen Uferschnepfen und Kiebitze? Die sterben offenbar nur zu einem geringen Prozentsatz daran, dass sie von Rabenkrähen gegessen werden. Das behauptet Wissenschaftler Andreas Grauer. Die Hauptschuld am Aussterben seltener Wiesenvogelarten - etwa 70 Prozent - hätten die Menschen mit ihren Gebäuden und Straßen und unter den Menschen in ganz besonderem Maße die Landwirte mit ihren trampelnden Kühen und walzenden Traktoren. Wissenschaftler Grauer erläuterte weiter, dass von den überlebenden Wiesenvögeln, die ein sicheres Nest zwischen Straßenbeton und landwirtschlichen Maschinen gefunden haben, wiederum 80 Prozent von nachts jagenden Tieren verspeist werden. Rabenkrähen jagen aber tagsüber.
Ob an der Tierärztlichen Hochschule überhaupt ein Hahn nach den armen Uferschnepfen und Kiebitzen kräht, ist seit Donnerstag noch fragwürdiger als vorher. Vermutlich geht es den Wissenschaftlern einzig darum, herauszufinden, ob ihre Fallen funktionieren.
ANDREAS GRAUER: "Der Mensch ist Schuld am Sterben der Wiesenvögel""