Nachlese-Kommentar zu „DAS! ab 4“, Sendung des NDR vom 20.07.2005
„Rabenkrähen – Naturschutz oder Frevel?“
von Wolfgang Epple
Eines vorneweg: Der NDR ist sich in Sachen Rabenvögel treu geblieben. Seit die Redakteurin Runte-Plewnia ihr Machwerk zu den Krähen in Niebüll über den Sender (und nachfolgend vielfach wiederholt über die ganze ARD-Senderfamilie) verbreiten durfte, war aus dieser Anstalt wohl nichts zu erwarten, was den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht würde. Denn schon damals zeigte sich sogar der Intendant in seinen Reaktionen auf eine Programmbeschwerde erstaunlich einseitig.
Am Nachmittag des 20. Juli 2005 ließ der NDR am Schloss Evenburg nun live über die Rabenkrähen „diskutieren“.
Wer glaubte, das Fragezeichen im Titel der Sendung (immerhin auch im Internet-Auftritt des NDR) verheiße gar „Ergebnisoffenheit“, sah sich getäuscht. Allerdings musste man ein bisschen Vorahnung im doppelten Wortsinn haben, um die perfide Tendenz der Sendung zu durchschauen:
Schon die fachlich falsche Prämisse eines von den Jägern immer wieder behaupteten Zusammenhangs zwischen Kiebitzrückgang und den angeblichen Mordtaten der Krähen wurde vom NDR übernommen. Fachlich fundierte Recherche?: Fehlanzeige. 1:0 gegen die Krähen.
„Moderator“ Hösch Dierksheide tendierte erkennbar zur Meinung des Totschlag-Projekteiters Grauer. Dieser Projektleiter outete sich mehrfach als ökologischer Laie, durfte jedoch eine Grafik vom Rückgang des Kiebitzbestandes im Leda-Jümme-Gebiet zeigen. Aber was hatte das mit den Krähen zu tun? Die fehlerhafte Unterstellung des Zusammenhangs wurde redundant. 2:0 gegen die Krähen.
Da halfen auch nicht die versuchten Richtigstellungen von Dr. J. Wittenberg und M. Bergmann, denen auffallend oft vom „Moderator“ ins Wort gefallen wurde. Und selbst eine - für den „Moderator“ anscheinend völlig überraschende - Einlassung eines Jagdscheininhabers (!) aus dem Publikum mit dem Inhalt, dass die Bauern durch Monokultur und Entwässerung Hauptverantwortliche des Rückgangs der Wiesenbrüter sind, wurde von Dierksheide sichtlich irritiert als „emotionale Bemerkung“ weggebügelt. Vorher war er schon dem NABU-Vertreter Bergmann harsch über den Mund gefahren, als der sachlich und ruhig auf den Zusammenhang Wiesenbrüterrückgang-Intensivlandwirtschaft eingehen wollte. 3:0 gegen die Krähen
Dierksheide war ganz offensichtlich „gut vorbereitet“: M. Bergmann wurde von ihm beispielsweise sinngemäß gefragt, wie er das Treiben der Krähen sehen würde, „wenn er ein Junghase wäre?“ (!). 4:0 gegen die Krähen.
Man wollte während der Sendung wenigstens einmal positiv aufhorchen: Das unsägliche Kormoran-Gemetzel im Anklamer Stadtbruch wurde als Zuspielfilm gewürdigt. Vogelmorden in Deutschlands Norden! Und tatsächlich: der NDR berichtet?... Jedoch: Das Einzige, was der dortige NABU-Vertreter, der die bedrückende Leichenstille der mit Kadavern übersäten Kolonie dokumentierte, sinngemäß gefragt wurde: „Haben Sie eigentlich (k)ein Verständnis für die Fischer?“ Keine sachliche Aufklärung über geltendes Europa-Recht, Tendenz bis hinein in die Würdigung der angewiderten Reaktionen aus dem gesamten europäischen Ausland. 5:0 gegen alle schwarzen Vögel.
Totschlag-Projektleiter Grauer durfte schließlich noch mehrfach seinen Krähenmassentotschlag nach Bauern-Art des Landkreises Leer unzulässig mit einem Gutachten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) vermischen und rechtfertigen. 6:0 gegen die Krähen.
Nach der nicht ungeschickt gemachten Tendenz-Sendung schließlich schien es, als jubelte der Sender selbst: Die Umfrage - welche Überraschung – ergab angeblich: drei Viertel der Zuschauer sprachen sich für eine Bejagung der Rabenkrähen aus! Es war wohl geschafft, was man sich offensichtlich vorgenommen hatte! Der schöpfungsverachtende Massentotschlag, die Quälerei der betroffenen Wildvögel in den Fallen, das alles stand ja wohlgemerkt nicht wirklich zur Abstimmung. 7:0 gegen die schwarzen Vögel.
Selbst der Kommentator H. Drunkenmölle der ansonsten eher jagdfreundlichen oldenburgischen Nordwest-Zeitung hat unlängst das Krähentotschlagen im Landkreis Leer als das bezeichnet, was es ist: „Hege mit dem Knüppel“; und er hat die Image-Schädigung für die Jagd durch solch ein Treiben richtig erkannt.
Wollen wir es nach dem Fernseh-Auftritt des „Projektleiters“, Ökologie-Laien und Jägers Grauer und seines Helfershelfers, des dortigen Kreisjägermeisters, anders formulieren: Die verlogene Maske der angeblich „naturfreundlichen“ Heger ist endgültig ab. Daran kann auch eine noch so liederlich und einseitig vorbereitete Sendung des NDR als mächtigen Jagd-Gehilfen nichts ändern, auch wenn die Tendenz perfide versteckt wurde.
Immerhin gab es während der Sendung einen schon in der „Begründung“ des Totschlag-Projektes von Grauer und Mitstreitern schriftlich vorgeleisteten Offenbarungseid der Schießwütigen und Krähenhasser nun in aller Öffentlichkeit: „Hege mit der Büchse“ ist eine offensichtliche Lüge und ein Betrug, mit dem allerdings das sinnlose Beschießen der Rabenvögel politisch mit willfährigen Politikern vom Zuschnitte Ehlen, Wulff, und nun auch im höchsten Norden der Republik Carstensen, durchgesetzt wurde. Diese Jägerlüge von der angeblich möglichen „Regulierung“ mit der Büchse ist von den Schießern nun selbst und öffentlich für erledigt erklärt. Das sollte man für kommende Diskussionen – auch um andere von der Jagd verhasste Arten - gut vormerken. Denn: Warum werden hunderttausende der schwarzen Vögel weiter sinnlos und ohne vernünftigen Grund abgeschossen, gerade in den rabenschwarzen Ländern, wenn das aus sicht der Jäger keinen Erfolg zeitigt? Da hat der NDR als Jagd-hofberichts-erstsatter sicher die Erklärung – vermutlich wird schon daran gearbeitet in jenen Redaktionsstuben...
Es wird Zeit, dass sich naturschutzbewegte Mitmenschen deutlicher an die Schandtaten gegen die Schöpfung erinnern, gerade wenn eine solche „Naturschutz“-Politik ihre Bestätigung an der Wahlurne sucht. Und vielleicht hatte ein Naturschutzaktiver doch Recht, als er vor nicht all zu langer Zeit ankündigte, für sich selbst den NDR als Quelle unseriöser Tendenzberichterstattung zukünftig zu boykottieren. Damals ging es um Tendenz-Berichterstattung gegen Wölfe, und das war wieder eine ganz andere NDR-Geschichte...
Dr. Wolfgang Epple
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