Im Zusammenhang mit der
Handaufzucht sind insbesondere die § 1, 2 und 3 des Tierschutzgesetzes
heranzuziehen. Nach § 1 darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder
Schäden zufügen. Fütterungstechniken, die beispielsweise zu Kropfverletzungen, Kropfinfektionen oder
Futteraspiration führen, sind als Verstöße gegen dieses Gebot zu werten.
Nach § 2 des Tierschutzgesetzes muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner
Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Die
beschriebenen Störungen der Verhaltensentwicklung sind als Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes
zu bewerten. Leiden sind alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen
des Wohlbefindens. Verhaltensstörungen sind wesentliche Indikatoren für Leiden. Bei Papageien sind
dies besonders Verhaltensstörungen wie Federrupfen, Schreien und Bewegungsstereotypien. Bei den
meisten isoliert handaufgezogenen Papageien sind diese Verhaltensstörungen derart ausgeprägt, dass
eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung nicht mehr möglich ist. Dies stellt eine nach Art,
Intensität und Dauer so gewichtige Beeinträchtigung des Wohlbefindens dar, dass bei diesen Tieren von
länger andauernden, meist lebenslangen erheblichen Leiden auszugehen ist. Selbiges trifft auf alle Arten
der Singvögel zu, die expliziet von einem "Vorsänger" lernen, denn hier wird der Vogel in seiner arteigenen
Komunikation beraubt. Tierschutzrechtlich ist unter Schaden jede Verschlechterung des physischen oder
psychischen Zustands eines Tieres zu verstehen.
Die bei den fraglichen Papageien vorliegenden Verhaltensstörungen erfüllen
in der Regel diese Definition. Federrupfen und Automutilation können zu weiteren körperlichen Schäden
führen.
§ 3 des Tierschutzgesetzes verbietet es, einem Tier unter Anwendung von Zwang Futter einzuverleiben,
sofern dies nicht aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist. Gegen dieses Verbot wird bei
routinemäßiger Sondenfütterung verstoßen. Außerdem ist es verboten, einem Tier Futter zu verabreichen,
das dem Tier erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden bereitet. Gegen dieses Verbot wird
bei nicht sachgemäßer
Handaufzucht verstoßen (z.B. durch zu heißes Futter oder verdorbenes Futter).
Allgemein wird die
Handaufzucht in der Fachliteratur aus Tierschutzsicht abgelehnt, wobei allerdings oft
nicht zwischen den Verfahren differenziert wird. Im Gutachten des BMVEL über Mindestanforderungen
an die Haltung von Papageien (1995) wird gefordert, dass Jungvögel so aufgezogen werden sollten,
dass sie artgeprägt sind. Eines der Differenzprotokolle zu diesem Gutachten fordert, dass
Handaufzucht
und Kunstbrut nur bei Jungvögeln durchgeführt werden dürfen, die von ihren Eltern nicht erfolgreich
aufgezogen werden.