Hallo
Ich habe eine Mail bekommen, die ich hier veröffentlichen möchte und darf.
Also.........
Hallo,
da hier bisher von einseitiger Argumentation bis zu einseitiger Ernährung alles zu lesen war, möchte ich doch mal darauf hinweisen, dass es sich bei der Ernährungsphysiologie oder einfacher bei Stoffwechselvorgängen um sehr komplexe Zusammenhänge handelt, die sicher nicht nur mit einer Komponente, sprich den Kohlenhydraten oder Fetten, diskutiert werden können. Vielmehr spielen alle aufgenommenen Nährstoffe und auch viele andere Faktoren beim Stoffwechsel bzw. weiter bei der Entstehung von Depotfett (bis hin zu Übergewicht) eine Rolle. Zudem kann man keinen Faktor einzeln betrachten, sondern muss das komplizierte Zusammenspiel bei der Verstoffwechselung aller dieser mit der Nahrung aufgenommenen Stoffe betrachten.
Dieser ganze Themenbereich ist so umfangreich, dass es ein ganzes Studium füllt und daher ist es fast unmöglich im Rahmen eines öffentlichen Forums – für alle (also auch für Laien) verständlich – diese komplexen Zusammenhänge in Kurzform darzustellen.
Aber da hier ein völlig falscher Eindruck entstanden ist, möchte ich doch wenigstens die wichtigsten Fakten darstellen:
1.)
Das ausschlaggebene ist schlicht die Energiebilanz! Anzustreben ist (ohne Phasen besonderer Ansprüche wie z.B. kalte Überwinterung, Brutzeit etc.) eine mehr oder weniger ausgeglichene Energiebilanz!
Wird dem Organismus zuwenig Energie zugeführt, muss der Körper aus seinen Ressourcen Energie mobilisieren, um wichtige Körperfunktionen aufrecht erhalten zu können.
Wird zuviel Energie zugeführt, entsteht ein Überschuss. Dabei ist es zunächst relativ unerheblich, wodurch dieser Energieüberschuss zustande kommt, ob nun durch Kohlenhydrate oder durch Fette. Wobei aber zu beachten ist, dass 1 g Fett mehr als doppelt soviel Energie liefert, als 1 g Kohlenhydrat!
2.)
Gleich danach kommt der Punkt einer ausgewogenen Ernährung. Ausgewogen bedeutet dabei keinesfalls zu reichhaltig, wie es hier manchmal dargestellt wird, sondern schlicht, dass alle wichtigen und gesunden Nahrungsbestandteile in einem für den Körper vernünftigem und gesundem Verhältnis zueinander aufgenommen werden. Dies kann nur eine abwechslungsreiche, auf den jew. Organismus bzw. unter Einhaltung bestimmter natürlicher Rhythmen (Bsp.: Jahresrhythmus) erreicht werden. Das Gegenteil von ausgewogener Ernährung ist einseitige Ernährung. Natürlich kann ein Mensch auch überleben, wenn er sich jahrelang nur von Brot und Wasser ernährt, aber die Mangelerscheinungen und Spätfolgen sieht man ihm nicht unbedingt von außen an. Gleiches gilt für Kanarien, die jahrelang nur von 2 Saaten ernährt werden.
Wichtig ist die Zusammensetzung des Futters bzw. der darin enthaltenen Nährstoffe. Ich will hier nicht überfordern, aber da sind eigentlich noch andere Ebenen zu beachten, wie die Art der Fettsäuren (gesättigt/ungesättigt) oder Kohlenhydrate (Einfach- oder Mehrfachsaccharide), aus denen FS oder KH aufgebaut sind.
3.)
Als nächstes ist wichtig, ob es sich bei einem Energieüberschuss um einen kurzfristigen, einen länger anhaltenden oder einen dauerhaften Zustand handelt:
Kurzfristige Überschüsse sind völlig normal, da die Nahrungsaufnahme natürlichen Schwankungen unterliegt. Der gesunde Organismus stellt sich schnell darauf ein, indem er ein Gleichgewicht im Körper herstellt.
Auch mittelfristige Überschüsse sind innerhalb eines natürlichen Rhythmus´ normal.
Dabei wird z.B. Glucose (Kohlenhydrat) in die Speicherform Glykogen umgewandelt, aus der bei Energiebedarf sehr schnell wieder Energie mobilisiert werden kann.
Nur bei andauernden, erheblichem Energieüberschuss wird Depotfett angelegt, aber nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern ebenso aus überschüssigem Nahrungsfett bzw. –öl (wobei wie schon erwähnt beachtet werden muss, dass Fett doppelt soviel Energie liefert, wie Kohlenhydrate oder Proteine).
Hier sei erwähnt, dass auch dieses im Tierreich an sich noch kein unnormaler oder ungesunder Vorgang widerspiegelt, da viele Tiere z.B. Vögel nach anstrengender Brut- und Mauserzeit und bei evtl. zusätzlicher kalter Überwinterung darauf angewiesen sind, Depotfett anzulegen. Das muss man alles im Gesamtzusammenhang betrachten, d.h. auch über längere Zeiträume wie mind. einem Jahr.
4.)
Zusätzlich spielen aber auch viele andere Faktoren bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle, wie z.B. zu wenig Bewegung, genetische Veranlagung, (Stoffwechsel-) Krankheiten um nur einige zu nennen.
Zur einseitigen Ernährung möchte ich noch folgendes anfügen, da sie hier ja immer wieder mal propagiert wird: Die Brutzeit einschl. der vorangegangenen Balzzeit ist sehr kräftezehrend, so dass es nicht unbedingt von Nachteil sein muss, mit einem leichten Übergewicht in diese anstrengende Phase zu gehen. Dabei darf man auch nicht vergessen, dass nach der anstrengenden Brutzeit die ebenfalls sehr anstrengende Mauserzeit beginnt, d.h. wird dem Vogel während dieser monatelangen Zeit keine ausgewogene Ernährung geboten, entsteht eine Negativ-Bilanz, die sich bei Beibehaltung einer unausgewogenen, einseitigen Fütterungsweise von Jahr zu Jahr potenziert. Das muss man den Vögeln nicht unbedingt von außen ansehen/anmerken müssen (genauso wenig wie man von außen erkennt, ob jmd. Diabetes oder Krebs oder sonst was hat), aber ganz sicher wird sich das gesundheitsschädigend auf den Organismus auswirken. Die Tiere werden z.B. nicht so alt oder ihre Nachkommen nicht so vital. Die Kondition wird ganz sicher beeinträchtigt.
Abschließend muss hier mal ganz deutlich gemacht werden, dass durch ausgewogene, dem Jahresrhythmus angepasste Fütterung kein gesunder Kanarienvogel so extremes Übergewicht entwickelt, dass er nicht zur Zucht angesetzt werden kann! Ausnahmen mögen bei ganzjähriger Käfighaltung ohne Freiflug bzw. ganzjähriger ungenügender Bewegungsmöglichkeit vorkommen.
Wahrscheinlich werden mehr Vögel durch zu reichhaltige Fütterung gesundheitlich geschädigt. Aber dem nun entgegenzutreten, indem das Gegenteil praktiziert wird, ist genauso gesundheitsschädlich. Jedes Extrem bzw. jedes Ungleichgewicht ist unnatürlich und auf Dauer ungesund.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass Saaten nicht nur aus Fetten und Kohlenhydraten bestehen, sondern auch aus vielen anderen wichtigen Bestandteilen in ganz unterschiedlicher – physiologisch wichtiger - Zusammensetzung, wie Mineralien, Spurenelemente, Vitamine, Sekundäre Pflanzenstoffe (die vielfältigste und wichtige Funktionen erfüllen, wie z.B. Schutzfunktionen, Stärkung des Immunsystems usw. , die Liste ist lang). Diese Inhaltsstoffe spielen alle zusammen und können daher nicht eindimensional betrachtet werden!
Gruß
Stef