Hallo Harry,
klar ich geb den Medien auch die Hauptschuld, aber nicht nur....
gerade heute wieder die Meldung "Vogelgrippe noch nie so nahe, H5N1 bei Wildente in Norditalien entdeckt". Klar, H5N1 ist unter Wildvögeln weitverbreitet, auch bei dieser Ente handelt es sich um die niedrigpathogene Form, wie sie in Europa zu tausenden vorkommt. Interessiert aber keinen, weil man damit Schlagzeilen machen kann. Dazu hier mal folgender Artikel aus der Schweiz, den ich nur voll unterstützen kann:
Erst wenn sich das letzte Schweizer Huhn totgelacht hat, werdet ihr sehen, dass Horrormeldungen ansteckender sind als BSE, Sars und H5N1.
Natürlich ist es auch unsere Aufgabe, die Bevölkerung vor der Vogelgrippe zu warnen. Höre also, Bevölkerung, sei gewarnt, die Vogelgrippe wird fürchterlich wüten, vorausgesetzt, das Virus mutiert zu einem Virus, das von Mensch zu Mensch übertragbar ist, vorausgesetzt, das mutierte Virus findet dann den Weg von Bangkok nach Bümpliz, und wiederum vorausgesetzt, in Bümpliz haben sie den Schlüssel zum «Tamiflu»-Pflichtlager verhühnert.
Gut, die Bevölkerung ist damit gewarnt, und wir können uns der grundsätzlichen Frage zuwenden. Worin unterscheidet sich die Vogelgrippe in den Medien von Listerien, von Ebola, von Rinderwahnsinn und Sars?
Die Vogelgrippe ist publizistisch etwas schwieriger umzusetzen als ihre vier Vorgänger Listerien, Ebola, Rinderwahnsinn und Sars. Bei Listerien, Ebola, Rinderwahnsinn und Sars, die alle vier die Erdbevölkerung ebenfalls ausgerottet haben, griff jeweils die bewährte mediale Zangenbewegung. Man konnte die Bevölkerung, erstens, zünftig in Todesschrecken versetzen. Und man konnte dann, zweitens, der verschreckten Bevölkerung erklären, wie man dem Tod durch Listerien, Ebola, Rinderwahnsinn und Sars entgeht. Man konnte zum Beispiel davor warnen, Vacherin und Beefsteak Tatar zu verdrücken oder nach Hongkong und Kenia zu fliegen.
Bei der Vogelgrippe ist es komplexer. Man kann zwar auch diesmal die Bevölkerung in Schrecken versetzen. Aber man kann die Bevölkerung nicht darüber aufklären, wie sie der Vogelgrippe entgeht. Nicht nach Vietnam oder Korea zu fliegen hilft nichts, weil man sich dort gar keine Vogelgrippe holen kann. Keine Mistkratzerli mehr zu füttern hilft auch nichts, weil man sich dabei auch keine Vogelgrippe holen kann.
Aufmerksamen Lesern ist nicht entgangen, dass nun in den Zeitungen ein zwingendes Panikelement fehlt.
Es fehlt in den Artikeln das übliche Kästchen mit dem Titel: «So schützen Sie sich vor der Vogelgrippe». Das Dumme für die Medienindustrie ist, dass es die Vogelgrippe als Bedrohung der Menschheit bisher nicht gibt. Es gibt sie nicht, und darum kann man sich nicht vor ihr schützen. Die Vogelgrippe ist der Weltuntergang im Konjunktiv.
Dass es der Medienindustrie dennoch gelungen ist, den nicht existierenden Vogelgrippe-Mutanten zum Killervirus hochzustemmen, ist darum eine schöne Leistung. Sie konnte nur gelingen, weil das redaktionelle Machtgefüge tadellos funktionierte.
Auf Redaktionen, so muss man wissen, ist die Hackordnung klar wie im Hühnerhof. Je näher ein Journalist an der Aktualitat arbeitet, desto höher ist sein interner Stellenwert. News-, Inland-, Wirtschafts- und Auslandredaktoren thronen in der Hierarchie weit oben, ganz unten stehen die Kollegen aus den Ressorts Gesellschaft und Wissenschaft.
Die Parias aus Gesellschaft und Wissenschaft dürfen nur so lange über ihr Themenfeld schreiben, als es für die Masse uninteressant ist. Ihre Artikel erscheinen auf Seite 48. Sobald aber Storys aus Gesellschaft und Wissenschaft für die Masse interessant werden und auf Seite 1 vorrücken, schreiben nicht mehr die Gesellschafts- und Wissenschaftsjournalisten zum Thema.....
Dieser Mechanismus funktioniert durchs Band. Solange Michael Jackson brav seine Songs singt, sind die Journalisten aus dem Soft-Bereich für ihn zuständig. Sobald er wegen Kindersex vor Gericht steht, übernimmt der News Desk den Fall. Solange Shawne Fielding an Partys tanzt, kümmern sich die Gesellschaftsreporter um sie. Sobald sie in eine Bundeshaus-Affäre gerät, beginnt die Inlandredaktion zu recherchieren.
Bei der Vogelgrippe war es nicht anders. Wenn bis ins Jahr 2004 das Thema Vogelgrippe aufkam, stammten die wenigen grosseren Artikel und TV-Berichte von der Wissenschaftsredaktion. So konnten wir im Februar 2004 in «MTW» am Schweizer Fernsehen einen längeren Beitrag sehen, der unaufgeregt die Suche nach einem Vogelgrippe-Impfstoff schilderte. Im Wissenschaftsteil von «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung» konnten wir 2004 lesen, unter welchen Bedingungen ein Virus überhaupt mutieren kann, und im «Tages-Anzeiger», «dass bisher keine Virusübertragung von Person zu Person festgestellt worden ist».
2005 übernahmen dann auf den Zeitungen die Spin-doctors von ausserhalb der Wissenschaft. Sie vermitteln den Schlagzeilen seitdem den richtigen Dreh. Und auch am TV ist nicht mehr «MTW», sondern «10 vor 10» am Drücker und weiss: «Die gefährliche Variante der Vogelgrippe hat die Grenzen der EU erreicht.»
Quelle: Weltwoche Nr. 43 vom 27. 10. 2005
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Übertragung auf Menschen höchst unwahrscheinlich
Virologen halten eine Übertragung der Vogelgrippe von Wildvögeln auf Menschen in Europa nach wie vor für höchst unwahrscheinlich, da die Gefahr lediglich bei einem intensiven Umgang mit den Tieren bestehe, wie er etwa in Ostasien gegeben ist, wo Hühner und Enten häufig auch in Wohnhäusern gehalten werden.
Der Bundesverband für Natur- und Artenschutz sieht unterdessen Artenschutz-Programme durch die Debatte über die Vogelgrippe gefährdet. Viele Züchter hätten Probleme, weil sie durch die zum Teil fehlerhafte Berichterstattung zu dem Themenkomplex stigmatisiert würden.
So, und nun mal zurück zur Politik.
Es heißt immer wieder Es müssen Maßnahmen zum Schutz der Deutschen Bevölkerung vor der Vogelgrippe ergriffen werden. Also strenggenommen will man vor etwas schützen, was (noch) gar nicht exisitiert, ignoriert also mit bestem Gewissen Tatsachen !! Dazu noch mit einer Eilverordnung, wo das virus noch tausende Kilometer weg ist und kein einziger Fall in Deutschland vorhanden ist. Ich frage mich, wo ist da die Eile?
Versteht eigentlich keiner wo das hinführt? Eine Eilverordnung erlassen, vor einer möglichen Gefahr, die gar nicht vorhanden ist ?
Schielen wir mal in diesen Tagen nach Paris. Dann könnte es bei der derzeitigen Vorgehensweise mit Eilverordnungen schon morgen heißen, dass die türkische Bevölkerung in Berlin-Kreutzberg kaserniert wird.
Das kann es ja wohl kaum sein, oder ?