Wie reagierst denn du, wenn einer deiner Vögel erkrankt ?
Ich habe es immer wie folgt gehandhabt:
Man sollte jedes seiner Tiere täglich beobachten und !! sofort !! handeln, wenn es Abweichungen vom normalen, gesunden Verhalten gibt.
Das setzt zum einen voraus, daß man sich die Zeit zum Beobachten nimmt und weiß, wie sich ein gesunder Wellensittich verhält und wie der Tagesablauf der Tiere ist, und zum anderen, daß man vorbereitet ist für den Fall, daß man handeln muß.
Handeln heißt meist Fangen, Separieren, Quarantäne und Krankenkäfig. Die notwendigen Utensilien, Geräte und Räumlichkeiten müssen vorhanden und jederzeit einsatzbereit sein. Der Krankenkäfig sollte professionell ausgestattet sein.
(Kleinsthalter werden in der Regel nicht ausreichend vorbereitet sein; auch weil der Aufwand dafür bei wenigen Vögeln einfach zu groß ist.)
Denn du willst uns sicher nicht erzählen, deine Vögel sind immer und ausnahmslos gesund, das gibt es nicht.
Ausnahmslos nicht, aber ich gehörte wohl zu denen, wo dies eher die seltene Ausnahme ist.
Gehst du dann zum vogelkundigen Tierarzt oder schreibst du den Vogel ab ?
Weder, noch.
Wie andere Halter hier im Forum auch, bin ich in der Vergangenheit immer ohne Tierarzt ausgekommen.
Ich habe meine Tiere "naturnah" gehalten und soweit es ging darauf geachtet, daß sich die Vögel auch selbst überlassen blieben, also möglichst wenig Fehlprägung bekamen.
Vögel, welche ihre Krankheit nicht von selbst überwanden, wurden aus dem Bestand entfernt und selbst untersucht, um Klarheit über die Art der Erkrankung zu bekommen.
In einigen Fällen sind Tiere aus wissenschaftlichen Interesse behandelt worden. Diese wurden aber unabhängig vom Erfolg der Behandlung aus dem Bestand genommen.
Deine Aussagen finde ich oft sehr kaltherzig, andererseits schreibst du auch viel interessantes, ich kann dich so überhaupt nicht einschätzen.
Die Natur bringt sehr viel Schönes hervor - dabei geht sie aber oft auch recht grausam vor. Beides bedingt sich zum Teil und bildet letztlich eine Einheit.
Die ersten Halter exotischer und einheimischer Vögel haben ihre Leistung als Liebhaber daran gemessen, ob und wie lange sie gepflegte Vögel am Leben erhalten können, die Besseren von ihnen erreichten die Fortpflanzung der gehaltenen Tiere in Gefangenschaft und die Besten tragen zur Erhaltung der Art bei, indem sie ausreichend Jungvögel heranziehen, damit Wildfänge unnötig sind und unlukrativ werden.
Wer solch ein Ziel verfolgt, muß sich aber auch der züchterischen Verantwortung betreffend der Zuchtwahl und Haltung gesunder Tiere stellen.
Zur Erhaltung einer Art in Gefangenschaft gehört es auch, die Kondition im genetischen Sinne nicht zu unterlaufen.
Deshalb sollten nur kerngesunde Tiere und diejenigen, welche Krankheiten auf Grund der eigenen Selbstheilungskräfte überwunden haben, zur Zucht (bzw. in der Haltung) verbleiben.
Dabei gilt es auf das einzelne Tier und dessen Ahnen zu schauen.
Das heißt allerdings auch dazu bereit zu sein, zusätzliche Rückschläge beim Aufbau seines Tierstammes hinzunehmen. Also kein schneller Weg - eher langwierig und steinig. Aber über die Jahre zahlt sich diese Mühe in Form sehr gesunder Nachkommen aus.
Das mag sich jetzt herzlos anhören - es ist aber genau das, was in der Natur jeden Tag - Tag ein - Tag aus - geschiet. Nur die gesündesten, kräftigsten und intelligentesten Wellensittiche überleben dort und pflanzen sich fort.
Vielfach wird angenommen, daß man Inzucht betreiben muß, um die Gesundheit seiner Nachzuchten zu beeinträchtigen.
So ist es nicht!
Es reicht völlig aus, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg mit Tieren gezüchtet wird, auf deren erstklassige Gesundheit nicht geachtet wurde.
Das kann man jeden Tag mit offenen Augen sehen oder lesen.
Den quicklebendigen Wellensittich in den australischen Weiten können wir nur deshalb bewundern, weil dort "jemand" in ziemlich grausamer Art und Weise darüber wacht, daß nur kerngesunde Wellensittiche die Chance zum Überleben bekommen.
Dieser "jemand" ist kein anderer als die Natur selbst.
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Seit mehr als 50 Jahren bin ich als Halter und aus wissenschaftlichem Interesse mit dem Wellensittich verbunden. Obwohl ich gegenwärtig aus Zeitmangel keine eigenen Vögel habe, berate ich noch einige Haltungen.
Nach meinen Beobachtungen gab es schon immer bessere und schlechtere Stämme.
Es scheint also gesunde und nicht gesunde Wellensittichbestände zu geben, vor Jahren wie auch heute noch.
Wer hohe Tierarztkosten hat, sollte diese nicht als "Unglück" hinnehmen, sondern seine ganze Haltung einschließlich der Herkunft der Tiere hinterfragen.
Die Diskrepanz, daß auf der einen Seite Haltungen mit einem Dutzend Zuchtpaaren und zehn Dutzend Jungvögeln im Jahr ohne Tierarzt auskommen, und auf der anderen Seite ein Kleinsthalter mit zwei bis vier Vögeln (vielleicht für 60€ angeschafft!) jährliche Tierarztkosten von über 1000€ haben, scheint in meinen Augen keine Sache von Glück oder Unglück zu sein.
Und nicht zuletzt ist die Wahl des Tierarztes wohl auch eine Vertrauenssache.
Einige Berichte von Tierarztbesuchen, welche ich hier im Forum mitgelesen habe, erscheinen mir gelinde gesagt, nicht vertrauensbildend zu sein.
Manchmal scheinen die Glaskugel und die Kasse mit den $$-Zeichen sehr eng beieinander zu stehen.