Hallo zusammen,
das sind sehr aussagekräftige Fotos, mit denen man die Bestimmung abschließen kann. Um es vorweg zu nehmen: es sind keine Tuisittiche sondern Weißflügelsittiche.
Es ehrt Hans und Rudi, dass sie es für abwegig halten, dass jemand die Federn von Vögeln einfärbt. Leider ist es aber wie das Stutzen der Federn gängige Praxis von Mexiko bis Argentinien. Ein Beleg dafür aus Peru findet habe ich dank google schnell finden können. Abgebildet sind neben zwei Aratingas auch ein Brotogeris mit gelb eingefärbter Stirn. Wer des englischen nicht mächtig ist, dem sei gesagt, dass es in dem kurzen Bericht um die Beschlagnahmung von ca. 500 Papageien geht, die für den innerperuanischen illegalen Handel bestimmt waren. Ihnen stand also das gleiche Schicksal bevor, wie es die beiden Vögel, um die es hier geht, schon erdulden mussten. Gefunden habe ich diesen Artikel übrigens nicht direkt sondern über diesen
Beitrag in einem englischsprachigen Forum, in dem ebenfalls auf die Praxis des Färbens eingegangen wird. Wer sich über den kulturellen Hintergrund informieren möchte, sei auf diesen sehr interessanten und sachlich korrekten
Artikel verwiesen, der sich intensiv mit den Wurzeln dieses Verfahrens auseinandersetzt, das die indigenen Vögel Südamerikas offenbar schon seit Jahrhunderten anwenden.
Natürlich werden die alten Verfahren von Vogelfängern nicht angewendet. Jede Chemikalie, dass das in den Federn eingelagerte Melanin zerstört, ist dazu geeignet (z.B. Blondierungen) grüne Federn in gelbe zu verwandeln. Der Hintergrund ist, dass die bunteren Tiere auf Märkten bessere Preise erzielen.
Einen Mischling zwischen Tui- und Weißflügelsittich möchte ich aus zwei Gründen ausschließen. Mischlinge liegen im Phänotyp meist zwischen den beiden Ursprungsformen. Der rechte Vogel auf dem neuen Fotosatz hat aber eine deutlich größere gelbe Kappe, als ich sie je bei einem Tuisittich (tot oder lebendig) gesehen habe. Tendentiell sollte sie aber kleiner sein. Auch die weißliche Stirn ist nicht zu erklären. Überdies fehlt der Glanz im gelben Gefieder verglichen z.B. mit dem natürlichen Glanz des grünen Umgefieders und der gelben Flügelbinde. Gefärbtes Gefieder wirkt in der Regel stumpf.
Der zweite Grund ist, dass es (es tut mir Leid Christian) mit Sicherheit um Wildfänge handelt. Gerade Tuisittiche sind ja (da können wiederum Hans und Rudi sicher aus leidvoller Erfahrung berichten) nur äußerst schwer in Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bewegen. In Peru wird sich niemand die Mühe machen, Brotogeris geschweige denn Tuisittiche zur Fortpflanzung zu bringen. Eine recht junge Studie aus dem Jahr 2009 über die Verwandtschaft der Brotogeris-Gruppe beweist, dass Weißflügel- und Tuisittich schon eine sehr lange Zeit (mehrer 100.000 Jahre) sympatrisch leben und die Autoren erklären recht plausibel, dass das nur über die unterschiedliche ökologische Einnischung gelingen kann, so dass Naturhybriden extrem unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich sind. Dass nun ausgerechnet zwei davon gleichzeitig fern ab ihrer Heimat in den Regenwaldgebieten Perus angeboten worden sein sollen, zumal ja offenbar künstlich eingefärbte Tiere gleichen Musters in Peru angeboten werden.
Nun bleibt noch zu klären, um was es sich hier handelt. Rudis Kommentar bezüglich des mehligen Gesichtes ist sehr richtig. Weißflügelsittiche sind - das ist der gängigen Literatur leicht zu entnehmen - häufig gehandelte Tiere in Peru. Wenn man sich die Bilder der
Ornithea anschaut, sieht man sehr schön, dass die abgebildeten Tiere, reduziert man die gelbe Kappe, nur Weißflügelsittiche sein können. Die Unterschiede zum Tuisittich sind augenfällig (die beiden sehr schönen Exemplare dort sind typische Vertreter). Zum Kanarienflügelsittich ist hinreichend viel gesagt.
Kurz: Bei den beiden Vögeln handelt es sich um "gewöhnliche" Weißflügelsittiche, deren Einfuhr nach Europa weder möglich (vergleiche Artikel über illegalen Handel in Peru) noch wünschenswert (ich hoffe ernsthaft, dass die Einfuhr von illegalen CITES II-Vögeln in jedes europäische Land verboten ist) sein sollte und im übrigen angesichts der Tatsache, dass der Weißflügelsittich vor dem allgemeinen Einfuhrverbot noch in beträchtlicher Stückzahl nach Europa gekommen ist, in Gefangenschaft für Brotogeris-Verhältnisse nicht allzu schwierig zu vermehren ist und demgemäß einer der häufigsten Brotogeris ist, auch nicht für die Erhaltung hiesiger Bestände notwendig. Die Tiere sollten in Peru verbleiben. Eventuell gibt es die Möglichkeit, sie nach Wiedererlangen ihrer Flugfähigkeiten in einen Wildbestand von Gefangenschaftsflüchtlingen z.B. bei Lima zu integrieren.
Beste Grüße
Gert