Hallo und eine schönen Tag zusammen!
Also nun erst einmal zu Andrea und Ihrer ursprünglichen Frage. So weit ich zurückdenken kann, war der regionale Bestand der Amseln schon immer starken Schwankungen unterworfen, sie war jedoch nie selten oder gar "bedroht".
Auf die zahlenmäßige Stärke einer Population anhand von Beobachtungen während der Winterfütterung schließen zu wollen, ist nicht aussagekräftig, da zu viele Faktoren die Beobachtung verwässern können.
Allein die Anzahl der Futterstellen ist in keinem Jahr gleichbleibend und allein diese Tatsache verfälscht die jährlichen Beobachtungen schon beträchtlich, so daß sehr leicht ein falscher Eindruck entsteht.
Wirklich aussagefähige Zahlen erhält man nur über die Beobachtung einer Population über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren hinweg und in 1. Linie über die Zählung der Brutpaare im Beobachtungsgebiet.
Es läßt sich kein Zusammenhang herstellen, zwischen der rückläufigen Beobachtung von Amseln und dem vermehrten Auftreten der Wacholderdrosseln. Beide Vogelarten kommen im gleichen Biotop/Lebensraum vor, ohne sich gegenseitig die Brutgelegenheiten streitig zu machen. Während Amseln vornehmlich in Sträuchern, Halbhöhlen, Mauernischen bis zu fünf Metern über dem Erdboden brüten und freistehende Nester in Bäumen eher selten vorkommen, errichten Wacholderdrosseln ihre Nester an den Stamm gelehnt hoch oben in den Wipfeln der Laubbäume. Die im süddeutschen Raum bevorzugten Baumarten sind Platane, Weide und Pappel.
Die ziemlich identische Nahrung kommt im Verbreitungsgebiet beider Drosseln so reichlich vor, daß hier kein Konkurrenzdruck entsteht.
Die Zahl der Wacholderdrosseln erhöht sich tatsächlich von Jahr zu Jahr. Es handelt sich dabei um einen Zuzügler aus dem Osten, der im letzten Jahrhundert sein Verbreitungsgebiet langsam, aber stetig weiter nach Westen ausdehnte, nicht verlagerte.
In den Isarauen zwischen Freising und München weiß ich die Wacholderdrossel seit über 16 Jahren als regelmäßigen Brutvogel (einschließlich der jeweiligen Stadtgebiete); in Pfaffenhofen/Ilm gar seit 38 Jahren. Im Erdinger Moos und entlang der Donau-Altwässer zwischen Regensburg und Ingolstadt gab's Wacholderdrossel-Brutpaare seit den frühen 60ern.
Der Bau des Flughafens MUC II hat auch, aber nicht nur, der Wacholderdrosselpopulation im Moos einen herben Rückschlag verpaßt, dennoch war die Wacholderdrossel stets Brutvogel in diesem Gebiet.
Die Amsel bzw. Schwarzdrossel ist ursprünglich ein Waldbewohner. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dehnte sie ihren Lebensraum immer mehr in Dörfer und Städte aus und gehört seit über 50 Jahren zum regelmäßigen Brutvogel in allen deutschen Städten. Die Amsel ist also ein typischer Kulturfolger. Dabei hat sich eine Besonderheit herausgebildet, von der die Waldvogelpfleger schon anfangs der 60er berichteten. Ein gravierender Unterschied in Form und Art des Gesanges. Während die "Stadtamsel" ihr Lied laut und kräftig vorträgt, ist das Lied der "Waldamsel" gedämpfter, die leisen Töne sind häufiger und weicher; das Lied der Waldamsel im allgemeinen klangvoller und abwechslungsreicher.
Verlagert hat sich der Lebensraum weder von Amsel noch von Wacholderdrossel, da Verlagern ja bedeuten würde, den ursprünglichen Lebensraum mehr und mehr zugunsten eines anderen Lebensraumes aufzugeben. Das ist weder bei der Amsel noch bei der Wacholderdrossel der Fall. Richtig ist: der Lebensraum beider Vogelarten wurde ausgedehnt; sie haben an Verbreitung hinzugewonnen. Daher kann auch nicht von einem Rückzug in den Lebensraum Wald gesprochen werden, denn dies würde bedeuten, daß die betreffende Vogelart den Wald als Lebensraum neu entdecken würde. Amseln hatten aber den Wald zu keiner Zeit als Lebensraum aufgegeben.
Hier muß ich wohl Lothar widersprechen, der ebenfalls "verlagert" und "erweitert" falsch interpretiert, mit seinem Schluß der "Erweiterung" allerdings richtig liegt. Vollkommen daneben ist aber wieder die Schlußfolgerung, daß die Vögel nicht mehr geworden wären. Wenn nämlich eine Vogelart neuen Lebensraum hinzu gewinnt ohne gleichzeitig aus ihrem alten zu verschwinden, ist dies in erster Linie einmal ein Anzeichen dafür, daß im angestammten Verbreitungsgebiet ein enormer Populationsdruck entstanden ist. Jedes Verbreitungsgebiet verträgt aber nur eine bestimmte Anzahl von Individuen einer Art. Wird diese Anzahl überschritten, erhöht sich automatisch die Anzahl der natürlichen Feinde, der Ausleseprozeß kommt verstärkt in Gang und schon bald ist das Gleichgewicht wieder hergestellt. Ein solcher Individuenanstieg kann allerdings durch besonders günstige Umstände so explosionsartig oder bei Fehlen natürlicher Feinde (z. B. starke Bejagung derselben) über einen so langen Zeitraum erfolgen, daß die nachkommenden Jungvögel ausreichend Gelegenheit haben, sich durch Anpassung neue, zusätzliche Lebenräume nutzbar zu machen. In diesem Fall erhöht sich sehrwohl die Anzahl der Individuen einer Vogelart, die Vögel werden also mehr.
Wenn ich die Ausführungen von Lothar hinsichtlich der Sträucher mit meinen eigenen Beobachtungen vergleiche, kann ich ihm nur dahingehend zustimmen, daß mehr Sträucher in privaten Gärten gepflanzt wurden. Dieses Pflanzverhalten ging jedoch auch in ländlichen Gegenden verstärkt auf Kosten der Obstbäume und brachte nicht, wie man meinen könnte, eine Verbesserung der "Biotope". Leider wurde in zwei von drei Fällen der Obstbaum bzw. Beerenstrauch durch einen Zierstrauch ersetzt. Obwohl mehr Sträucher in den Gärten anzutreffen sind als noch vor 20 Jahren, hat sich damit u. U. die Anzahl der Brutgelegenheiten, nicht aber die der dringend erforderlichen Nahrungsquellen erhöht.
Nun noch schnell ein Wort zu Anke. Also eine Habitatserweiterung schließt einen Populationsrückgang sicherlich aus, ansonsten hätten wir's nämlich mit einer
Habitatsverlagerung zu tun. Und bei einer Verlagerung muß das neue Habitat weder in Größe noch Populationsdichte dem alten entsprechen. Bei einer Erweiterung ist dem sehrwohl der Fall...es kommt zum alten etwas Neues hinzu!
Herzlichst
Hi raptor49 - ehe ich's vergeße: Geh 'mal ein paar Meter raus aus Fürstenfeldbruck und schau Dich bei den Kies- u. Fischweihern in Eurer Gegend um, oder am Kanal zwischen Unter- u. Oberschleißheim; oder entlang der Amper. Da wirst Du überall die Wacholderdrossel auch als Brutvogel finden. Vielleicht hast Du sie ja auch schon gesehen und mit der Amsel verwechselt. Oder auch nur gehört: Achte auch auf die Vogelstimmen. Eine Wacholderdrossel verrät sich durch ihr typisches "tschak, tschak" - weswegen sie der Volksmund auch als "Tschaker" bezeichnet...
[Geändert von ortolan am 27-02-2001 um 11:46]