Eine weitere beachtenswerte Arbeit (zu den bereits erwähnten Haltungsstudien) mit einer Zusammenfassung der bis zum Veröffentlichungszeitraum (80iger Jahre) vorliegenden Haltungserfahrungen (Gruppenhaltung von Blaustirnamazonen) publizierte Mulawka (Mulawka, E. J. (1983): Blue-fronted Amazon Parrots, New Jersey). Die Ergebnisse sind in weiten Teilen deckungsgleich mit denjenigen späterer (Langzeit)Beobachtungen und Studien zum Sozialverhalten von Amazonen in
Volierenhaltung (u. a. Weinhold, Levinson, Lantermann, Davis, Nunez, Skeate, Schrooten, Munkes).
Ich möchte nochmals betonen: Halbwegs verläßliche und aussagekräftige Analysen des Gruppenverhaltens sind nur durch sorgfältige Beobachtung und Dokumentation der gezeigten Verhaltenselemente (in quantitativer und qualitativer Hinsicht) zu gewährleisten. Daß derart notwendiger Weise fundierte (und o. g. Erfordernissen genügende) "Studien" neben anderen Aspekten mangels erforderlicher (Vor)Kenntnisse durch "Hobbyhalter/innen" und/oder Betreiber/innen von "Auffangstationen" (die in beträchtlicher Zahl gerade innerhalb der letzten Jahre von meist wohlmeinenden Halter/innen mit jedoch oft kaum hinreichender Qualifikation betrieben werden) zumeist nicht leistbar sind, ist nachvollziehbar.
Nicht nachvollziehbar ist aber, daß auf generell übertragbare Inhalte zur Thematik vorliegender Studien und Arbeiten (speziell von fast schon semi-professionell betriebenen Einrichtungen) nicht zugegriffen wird, obwohl sich dadurch bereits im Vorfeld Probleme reduzieren/vermeiden und im Nachhinein sinnhaltige Korrekturen vornehmen ließen.
Der Wert subjektiver Eindrücke zum Gruppengeschehen (bzw. zu Problemen des Gruppengeschehens) relativiert sich (oft mit erstaunlichen Ergebnissen), wenn man die Sozialstruktur einer Gruppe an objektiven Kriterien(1) bemißt. Hierzu sind allerdings profunde(re) Kenntnisse des Norm(sozial)verhaltens, woraus sich u. a. der abzuarbeitende "Kriterienkatalog" ergibt, erforderlich. Derartige Kenntnisse sind (sofern die Notwendigkeit dafür (ein)gesehen wird und der Wille dazu vorhanden ist) zumindest bis zu einem bestimmten Level erzielbar.
Geht man (wie hier nachzulesen) schon hinsichtlich wesentlicher Grundkonstanten "amazonischen" Verhaltens von teilweise haarsträubend falschen Voraussetzungen (die sich aus dem Ethogramm keiner einzigen Amazonenart herleiten lassen) aus, indem man das Verhalten "seiner/ihrer" Amazonen (Stichworte: laut, träge, flugfaul, aggressiv) "zwischen den Zeilen" auf die Gattung als solche extrapoliert, wird (über)deutlich, daß auf dieser Basis keine (bzw. keine rational begründbaren) Schlüsse gezogen werden können.
"Laute" Amazonen (Amazona ochrocephala): Gelbnackenamazonen im "Gespräch" mit benachbarten Exemplaren:
http://www.freeparrots.net/parrots/AO_sound.wav
"Träge", "flugfaule", "unsoziale" und "aggressive" Amazonen:
http://www.youtube.com/watch?v=8hRXeQ30R58
Man muß nicht über ein ausgeprägtes mathematisches (oder sonstiges) Talent verfügen, um bei weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen fast aller zum Gruppenverhalten von Amazonen verfügbaren Studien eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür anzunehmen, daß die Inhalte zutreffend sind und ein "Überdenken" eigener Sichtweisen dringlich geboten sein dürfte.
(1)Objektive Kriterien, die quantitativ (Zeitanteile), qualitativ (Intensität) und interaktionistisch (welche/r Vogel/Vögel mit/gegen welchen/welche Vogel/Vögel) erfaßt werden sollten, um ein schlüssiges Bild zu erhalten: Lokomotion (Fliegen, Klettern), Sitzen, Ruhen, Schlafen, Futteraufnahme, Putzen (Autopreening,), Schnabelwetzen, Schnabelknirschen, Baden, Nagen, Knabbern, Spielen (Solitärspiel, Sozialspiel), Soziale Gefiederpflege, Schnäbeln, Gegenseitiges Schnäbeln, Füttern, Kopulationsbereitschaft, Kopulationsversuch/Kopulation, Sexuelle Ersatzhandlungen, Imponierverhalten, Drohzetern, Schnabelhieb, Hacken, Schnabelgefecht (Schnabelkampf), Anfliegen, Vertreiben, Hetzen, Umfliegen, Ausweichen, indifferente Verhaltensweisen (alle Verhaltensweisen, einschließlich Verhaltensdeviationen, die sich keinem bestimmten Funktionskreis zuordnen lassen).
Gruß
Heidrun