Hallo,
@Kadl : toll, dass Du Dich für den Erhalt der Gebäudebrüterkolonien einsetzt. Ich hoffe, dass das Ganze noch einen besseren Weg nimmt und sich Mitstreiter vor Ort finden, die dort noch etwas durchsetzen können.
Ich habe das Gefühl, für Einige hier im Forum fängt Naturschutz erst ab Wanderfalkengröße an.
Lieber
@Peregrinus. Soso, die ersatzlose Vernichtung einer ganzen Brutkolonie Mauersegler, Sperlinge, ggf. Fledermäuse etc. ist also ein unnötiger Aufriss ? Du bist doch sonst immer jemand, der auf penible Einhaltung der geltenden Gesetze pocht (was auch grundsätzlich gut ist) und die tolle Arbeit deutscher Behörden gerne hervorhebt. Wir würden uns alle freuen, wenn das auch in diesem Fall so wäre.
Wenn schon Hinweise aus der Bevölkerung eingehen, dass dort größere Vorkommen von gebäudebrütenden Arten siedeln ist doch völlig klar, wie dort hätte gehandelt werden müssen.
1) Vor dem Abrissvorhaben ein naturschutzfachliches Gutachten mit Begehungen in der Brutzeit, Kartierung und Abschätzung des Brutbestandes der betreffenden Arten und Planung von Ausgleichsmaßnahmen.
2) Anbringung von ausreichend vielen Nistkästen für Sperlinge, Mauersegler, ggf. Fledermäuse an umliegenden Gebäuden in ähnlicher Höhe, im besten Fall schon im Jahr bevor das entsprechende Gebäude abgerissen wird.
Das Ganze natürlich unter fachkundiger Begleitung z. B. eines Biologen, damit die Ersatzmaßnahmen so konzipert werden, dass eine rasche Annahme und somit ein Erhalt des Bestands gewährleistet ist.
3) Abriss des Gebäudes außerhalb der Brutzeit, vorher ggf. Kontrolle und Verschließen der Einschlupflöcher und sicherstellen, dass keine überwinternden Fledermäuse vor Ort sind
4) Weitere naturschutzfachliche Auswertung in den nächsten Jahren, um den Erfolg der Ausgleichsmaßnahmen zu dokumentieren und aus evtl. Fehlern zu lernen.
Hier ist mal wieder ein Totalversagen von Behörden und Naturschutz festzustellen: kein Gutachten, völlig unzureichende Ausgleichsmaßnahmen mit ein paar Sperlingsnistkästen und einigen Nistkästen an Bäumen, die von Gebäudebrütern gar nicht angenommen werden, gar nichts für die Mauerseglerkolonie und ggf. Fledermäuse. Zu allem Überfluss jetzt noch Abriss des Gebäudes während der Brutzeit der Sperlinge und wenige Tage vor Rückkehr der Mauersegler. So habe ich es zumindest den Infos entnommen.
@Munia maja : doch, das ist Ignoranz und Besserwisserei. Es ist wieder mal ein krasser Fall von Naturfrevel, Nichteinhaltung der Naturschutzgesetze und Behördenversagen, der hier irgendwie verharmlost wird, warum auch immer (in einem Vogelforum ?!).
Ich glaube auch nicht, dass dieses halb abgerissene Haus jetzt noch stehen bleiben kann was für die ansässigen Brutkolonien schon sehr bedauerlich ist.
Für die anderen, noch intakten Gebäude, müsste aber ein Abrissstopp bis nach der Brutzeit erwirkt werden und zügig die vorgeschriebenen Ersatzmaßnahmen an umliegenden Gebäuden verwirklicht werden. Noch kann man den Schaden in Grenzen halten, das ist alles kein Hexenwerk und kostet im Verhältnis zum gesamten Bauprojekt fast nichts, wenn denn der Wille bei Bauherren und Behörden da wäre, sich an geltende Gesetze zu halten.
Ich habe mal die entsprechenden Auszüge aus dem Bundesnaturschutzgesetz und die Vorgehensweise bei Bauvorhaben kopiert,
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Mauersegler e. V.
§ 44 Abs 1 BNatSchG (Auszug)
Es ist verboten,
- wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
- Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
- (…)
Für Mauersegler bedeutet dies:
Bei Sanierungen oder bei Abriss eines Gebäudes oder Gebäudeteils sowie bei Entkernungen dürfen weder das Gelege mit Eiern noch ein Gelege mit Jungvögeln beseitigt werden, noch die Brutvögel beim Ein- und Ausfliegen behindert werden. Löcher am Gebäude, die von Mauerseglern als Brutstätte genutzt werden, dürfen nicht verschlossen werden. Baumaßnahmen dürfen erst nach erfolgtem Ausflug der Jungvögel an dem betroffenen Gebäudeteil stattfinden. Dabei kommt es nicht auf eine theoretische Annahme an („Mauersegler sind meistens zwischen Mai und Mitte Juli in Deutschland“) sondern auf das konkrete Vorhandensein von Jungtieren an.
Im Rahmen von Sanierungsvorhaben dürfen grundsätzlich keine Tiere oder Eier zu Schaden kommen.
Brütende Vögel dürfen durch die Arbeiten nicht in der Weise gestört werden, dass die Brut behindert oder aufgegeben wird und die Jungen bzw. die Eier absterben oder dass der Brutplatz dauerhaft aufgegeben wird – in der Regel bedeutet dies, dass Sanierungsarbeiten an Gebäuden mit brütenden Vögeln außerhalb der Brutzeit durchzuführen sind.
Für die Fortpflanzungs-, Ruhe- und Schlafstätten besteht ein ganzjähriger Schutz, wenn die Tiere standorttreu sind. Darunter versteht man Tiere, die jedes Jahr zur gleichen Brutstätte zurückkehren. Mauersegler sind extrem standorttreu. Sie treffen sich jedes Jahr mit ihrem Brutpartner am gleichen Nistplatz. Die Quartiere von Mauerseglern dürfen also auch während der Abwesenheit der Tiere nicht beschädigt, zerstört, entfernt oder verschlossen werden.
Zuständig für die Einhaltung des geltenden Natur- und Artenschutzrechts ist in der Regel die Untere Naturschutzbehörde Ihrer Gemeinde. Ihr melden Sie einen beobachteten gesetzeswidrigen Übergriff auf Gebäudebrüter. Es ist hilfreich, wenn Sie detaillierte Angaben machen können, wo die Brutstätten sind oder waren. Wenn Sie Fotos gemacht haben, ist es für die Behörde leichter zu handeln, denn damit kann man
beweisen,
wo und
dass dort Mauersegler oder andere Gebäudebrüter genistet haben.
Wer gegen $ 44 BNatSchG verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Dies gilt für jeden, der mittelbar oder unmittelbar handelt, also nicht nur für den Bauherrn, sondern auch für den beauftragten Architekten, Bauleiter oder die ausführenden Handwerker. Gemäß § 69 Abs. 7 i.V.m. § 69 Abs. 1 BNatSchG können diese mit einer Geldbuße bis zu 50.000 € belegt werden. Zudem wird in vielen Fällen nicht nur ein Baustopp verhängt, sondern auch die Rücknahme von Baumaßnahmen verlangt, etwa der Rückbau von Gerüstteilen, die Abhängung von Planen und Staubnetzen oder das Wiederherstellen von Öffnungen.
Ich möchte mein Haus umbauen, meine Fassade renovieren, eine Energiesanierung durchführen oder ein Gebäude abreißen. Das kann ja wohl nicht verboten sein!
Natürlich sind Reparaturarbeiten und Modernisierungen an Gebäuden notwendig, selbstverständlich dürfen Gebäude abgerissen werden – aber das Vorhaben muss artenschutzrechtlich verträglich sein.
Nur in sehr seltenen Fällen darf ein Bauvorhaben überhaupt nicht durchgeführt werden. Fast immer kann eine Lösung oder ein Kompromiss gefunden werden, der die Maßnahme ermöglicht.
Deshalb ist es notwendig, dass schon bei der Planung eines Bau- oder Sanierungsvorhabens das Thema „Artenschutz“ beachtet wird. Nur so lässt sich unnötiger Ärger, Stress und unnötige Kosten vermeiden.
Liebe Grüße
Thomas