Moin Christa!
Erstmal herzlichen Glückwunsch, auch wenn es für Dich mit so negativen begleitumständen verbunden ist.
Ich mißbrauche jetzt einmal Dein Posting zu einigen sehr theoretischen Überlegungen zum Thema:
Wie Cora schon sagte und Du weißt, steigt die Aggressivität während der Balz-, Brut- und Aufzuchtzeit bei vielen Papageien an.
Das macht biologisch ja auch Sinn: dieses Verhalten dient dem Fernhalten von Nahrungs- und Nistplatzkonkurrenten aus einem Revier, von Rivalen um die Gunst des (potentiellen) Partners bzw. dem Revier (der vielleicht gar keine Chance hat, den Partner zu gewinnen, aber doch das Brutgeschäft stören könnte) sowie dem Fernhalten von Freßfeinden vom Gelege und dem möglicherweise wenig geschützten Weibchen.
Bei Graupapageien ist es nach den Beschreibungen von Freilandbeobachtungen meist so, das sie nur während der Fortpflanzungszeit ein (Fortpflanzungs-)Revier besetzen, d.h. ein Revier, das alleine der Brut- und Jungenaufzucht dient. (allerdings gibt es zumindest eine Beobachtung von zwei scheinbar benutzten Nisthöhlen in einem Baum).
Ob es sich hierbei zugleich auch um ein Nahrungsrevier handelt, d.h. einem gegen Artgenossen zu verteidigendes Territorium, in dem die Vögel die Nahrung für sich und das Gelege suchen, ist meiner Ansicht nach noch unklar: es gibt Beschreibungenauch für Graupapageien Beschreibungen, nach denen sich die Männchen brütender Paare während der Brutzeit zu einem Schwarm zusammenfinden und gemeinsam auf Nahrungssuche (außerhalb ihres Fortpflanzungsreviers) gehen.
Letztlich ist es für die Haltung in Menschenhand verggleichsweise unwichtig, um welche Form von Revier es sich handelt, das daraus resultierende Verhalten ist für Dich das gleiche. Es kann höchstens zur Bestimmung dessen, als was Jacob Dich sieht, von Interesse sein: als einen potentiellen Rivalen oder als Nahrungskonkurrent (bei nicht.zahmen Vögeln wäre natürlich auch die Möglichkeit gegeben, das sie einen (Freß-)Feind im menschens ehen). Ich wüßte aber auch nicht, welche Verhaltensempfehlungen für den Menschen sich daraus ableiten ließen.
Wesentlich ist, das es sich bei dem revierverhalten um ein saisonales Verhalten handelt, das nach der Brut und Aufzucht der Jungen und dem Verlassen des Reviers nachlassen müßte.
Jedoch: Zwei weitere Faktoren könnten eventuell - vielleicht - möglicherweise (*gg* ) darauf Einfluß nehmen :
Zum einem das Rangordnungs- und Dominanzverhalten.
Es ist denkbar, das Jakob jetzt die Erfahrung macht, das er dir gegenüber dominant ist und daher die verstärkte Aggressivität auch nach der Brut weiter beibehält, da Du Dich ja nicht wie ein untergeordneter Graupapagei verhalten kannst.
Wenn diese Spekulation stimnmt, ist ein Rückzug einerseits schon richtig und angebracht, da mit hoher Wahrscheinlichkeit dies auch ein Artgenosse tun würde, selbst wenn er im sonstiogen Schwarmgefüge ranghöher ist.
Anderseits: wenn es sich nicht umgehen läßt, das Du das Vogelzimmer betrittst, sollte dennoch Dein Auftreten ohne Angst und energisch sein.
Ich halte da auch Piwis Ratschlag, eventuell mit einem Schutz das Zimmer zu betreten (bspw. mit einem sehr dicken Pullover, einem um den Arm gewickelten Handtuch) für gut. (BTW: selbst wenn es tatsächlich nur wenig Wirkung hätte verleiht einem dieses Schutz doch auch oft ein selbstsichereres Auftreten, das auch der Vogel wahrnimmt - eine Art "Placebo-Effekt" also).
Die meisten Berichte deuten jedoch für mich darauf hin, das es durch die verstärkte Aggression während der Fortpflanzungszeit scheinbar nicht zu einer dauerhaften Veränderung in der Rangordnung kam.
Der zweite Faktor ist die Dauer der Fortpflanzungszeit: wenn das erste Gelege mißlingt, legen die meisten Papageienarten noch einmal, unter den hinsichtlich der Fortpflanzung oft optimalen Bedingungen der Wohnungshaltung (Nahrungsangebot, gleichbleibemnde Umweltbedingungen) sogar mehrere Male.
Damit kann sich das Verhalten über Monate, ja, den größten Teil des Jahres hinziehen.
Auch darauf sollte man wohl vorbreitet sein: zum einem wie oben beschrieben, durch entsprechendes Auftreten auch mit Hilfe von Schutzmaßnahmen, zum anderen bei Mißerfolg durch den Versuch, die Umweltbedingungen so zu ändern, das es nicht zu einer "immerwährenden Fortpflanzungszeit" kommt.
Auch dies ist wieder spekulativ: das Problem der
"immerwährenden Fortpflanzungszeit" findet sich zwar bei einigen Papageienarten (vor allem Wellis, Agas, Laufsittiche), wie groß juedoch diese Gefahr bei Graupapageien ist, weiß ich nicht. Zumindest sind mir dazu nur sehr wenig Erfahrungsberichte bekannt, vielleicht aber auch deshalb, weil einfach die Zucht nicht so verbreitet ist.
Ach ja, da fällt mir doch noch ein dritter Faktor ein, der möglicherweise von Bedeutung sein könnte: bei der Gefangenschaftshaltung gibt es oft keine räumliche Trennung zwischen dem Revier und dem sonstigen Aktionsgebiet von Papageien, das ja nicht nur das Revier umfaßt. Insofern wäre es denkbar, das auch dies Einfluß auf ein - dann eventuell dauerhaftereres - aggressiveres Verhalten hat.
So, das klingt jetzt alles recht fürchterlich, deshalb wiederhole ich noch einmal, das es sich um spekulative Überlegungen zum Problem handelt und vor allem: das in den meisten mir bekannten Fällen die Aggression tatsächlich nurauf einen begrenzten, mehr oder minder langen Zeitraum beschränkt blieb und danach wieder ein Verhaltensänderung, ein deutlich weniger aggressives Verhalten, eintrat.
Allerdings läßt sich für mich die Frage nicht eindeutig beantworten, ob diese Anderung sozusagen natürlicherweise eintritt, also immer, wenn die Fortpfalnzungszeit beendet ist, und auch dann, wenn Du gar nicht mehr anwesend bist oder dich jedes Mal von Jacob "vertreiben" läßt.
Oder ob die Verhaltensänderung im Zusammenhang mit Deinem Verhalten, Deinem Auftreten gegenüber Jacob steht, d.h. mit größerer Wahrscehinlichkeit dann eintritt, wenn Du selbstsicher und ohen Angst dem Vogel gegenübertrittst.
Keinesfalls aber darf das jetzt als ein Plädoyer dafür mißverstanden werden, mehr als notwendig die Vögel bei ihrem Brutgeschäft zu stören.
Jedoch kann es bereits von Belang sein, das beim Schlupf der Jungen (vielleicht sogar bereits im Ei) sie zumindest anhand der Stimme an die Gegenwart des Menschen gewöhnt werden, wenn dadurch keine Gefährdung des Geleges gegeben ist.
Hier ist dann ein vorsichtiges "Probieren" und letztlich die Einschätzung "aus dem Bauch heraus" gefragt.
Ich wünsche Deinen Grauen viel Erfolg bei der Brut, Dir gute Nerven und uns weitere Berichte!