... Trecker brettert über die Wiesen
Ja, Daniel, es ist ein Jammer, wieviele in der freien Natur lebende Tiere der „modernen“ Landwirtschaft zum Opfer fallen. Ich vermute mal, daß Du beim Verlust an „Wild“ in erster Linie an Rehkitze, Hasen und Gelege und Küken von Fasan, Rebhuhn, Wachtel und Gans denkst.
Bei uns war kürzlich eine Tagung, bei der hochrangige Experten aus den Gebieten Landwirtschaft, Okologie, Biologie, Natur- und Landschaftspflege und Politik auftraten. Besonders interessant waren die Vorträge und Diskussionsbeiträge des Präsidenten der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), der praktizierender Großagrarier im norddeutschen Raum ist, und des Vorsitzenden der Grünen im Bayerischen Landtag, der praktizierender Öko-Landwirt ist und lange Jahre erfolgreicher Bürgermeister eines bekannten bayerischen Ortes war. Die Ansichten, wie die Landwirtschaft mit der Natur umzugehen hat, hätten gegensätzlicher nicht sein können. Der DLG-Präsident schlug tatsächlich vor, große zusammenhängende Landstriche sollten so umgestaltet werden, daß größtmöglicher Maschineneinsatz und Nutzpflanzenschutz möglich ist und damit landwirtschaftlicher Höchstertrag erwirtschaftet werden kann. Als Ausgleich dazu und als Gegengewicht müßten – so war seine Idee und sein Vorschlag - ebenfalls Großflächen geschaffen werden, die der Natur als Refugium für die Tier- und Pflanzenvielfalt überlassen bleiben.
Da, wo ich lebe, stellt sich diese Frage zum Glück nicht. Hier, zwischen Gebirge, Moor und Fluß ist die Landschaft so strukturiert, daß großflächige Landwirtschaft gar nicht möglich ist. Das tut der Vielfalt der Natur sehr gut. Allerdings entstehen auch bei uns immer mehr große Maisfelder. Und die Wiesengräser kommen kaum mehr zum Blühen. Nur das Wiesenschaumkraut und der Löwenzahn schaffen es gerade noch bis zur Blüte. Bei uns ist ein besonderer Glücksfall die Tatsache, daß das hiesige Kloster der größte Grundbesitzer ist und den Bauern die Wiesen nur mit der Auflage verpachtet, daß frühestens zu einem bestimmten Zeitpunkt im Juni der erste Schnitt erfolgt und daß kein Dünger aufgebracht wird. Die hiesigen Erfahrungen zeigen, daß es bei bisher intensiv bewirtschafteten Wiesen 15 bis 20 Jahre dauert, ehe der Düngerüberschuß abgebaut ist und sich wieder ursprüngliche Kräuter- und Gräservielfalt ansiedeln und durchsetzen kann.
Aber worauf ich eigentlich hinaus will: Du meinst mit Recht, daß für das Wild die heutige moderne Landwirtschaft einer der größten Schadensverursacher ist und kritisierst, daß sich dagegen niemand ernsthaft auflehnt. Du siehst dabei den Trecker, der mit Kreiselmähwerk und Ladewagen mit Volldampf über die Wiesen brettert. Aber die Bauern stehen von Jahr zu Jahr unter einem immer stärker zunehmenden Rationalisierungsdruck. Mit viel weniger Personal müssen sie heutzutage viel mehr erzeugen bei zugleich ruinösen Preisen. Dies zeitlich zu schaffen, ist nur noch mit großem Maschineneinsatz und leider auch "ohne Rücksicht auf Verluste" zu schaffen. Da kommt es nicht von ungefähr, daß der Landwirt mit seinem Bulldog „im dritten Gang über die Wiesen brettert“. Ich habe in den 50-er-Jahren noch Kartoffeln und Weizen ab Hof ausgefahren. Von den damaligen Preisen pro Zentner können die heutigen Bauern nur träumen. Aber hinter der Landwirtschaft steht ja auch die Politik. Und die ist in erster Linie an Stimmen interessiert. Solange sie es vermeiden kann, wird sie sich hüten, den Bauern Auflagen zu machen mit dem Ziel, daß mehr Rücksicht auf die Natur genommen wird. Mein Bruder war Direktor eines Landwirtschaftsamtes, strammer CSU-Wähler und erklärter Feind der Grünen. Aus vielen Diskussionen mit ihm weiß ich, wie sich die Direktiven von oben im Laufe der Jahre änderten. Was heute richtig und Evangelium war, war morgen total verkehrt. Was Naturschutzverbände und die „grünen Spinner“ forderten, war Teufelszeug und absoluter Mist. Erst dann, wenn die Stimmungslage im Volk es opportun erscheinen ließ, diese Forderungen doch ernst zu nehmen, waren sie kein Mist mehr, wurden ein wenig umgemodelt und mußten als neue Richtlinien von oben befolgt werden. Wenn sie mit ihrer Arbeit fertig werden und finanziell halbwegs über die Runden kommen wollen, haben die Landwirte jedenfalls wenig Zeit, sich nachhaltig um den Schutz des Wildes zu kümmern, wobei allerdings nach meiner Erfahrung bei einem guten Teil auch ein gehöriger Schuß Gleichgültigkeit dazu kommt.
Es besteht aber schon ein gravierender Unterschied zwischen den hauptsächlich in Frage kommenden Gruppen, wenn es um die Dezimierung des Wildes geht.
Bei der Landwirtschaft sind es zu einem großen Teil wirtschaftliche Zwänge, denen sie sich unter den heutigen Marktregeln einfach nicht oder nur zum Teil entziehen kann.
Bei der Jagd kann ich diese Zwänge nicht erkennen, da sie hauptsächlich aus Leidenschaft oder als Hobby betrieben wird. Sie könnte ohne weiteres auf das überflüssige Abschießen oder in Fallen Fangen und/oder Töten von Wild verzichten. Freilich wäre da auch Voraussetzung, daß sie sich von einigen ideologischen Voreingenommenheiten frei macht.
Bei den sonstigen Verfolgern und Dezimierern von Wild, den „Wilderern“, die ohne jegliche Legitimation dem Wild nachstellen oder auch den Jagdberechtigten, die unter Mißachtung der vorgegebenen Regeln z.B. Greifvögel töten oder fangen, hilft nur Anzeige der Missetaten und strenge Bestrafung.
Gruß / Rabenvater