Krähen auswildern
Hallo, Reserve-Rabeneltern,
es stimmt und hat auch seine Berechtigung, daß man Wildtiere nicht der Natur entnehmen darf. Und ich stelle mir auch die Frage, ob es sinnvoll und richtig ist, in den Ausleseprozess und die Abläufe der Natur einzugreifen und verlassene Vogelkinder oder kranke und verletzte Vögel aufzunehmen. Die Natur ist da sehr hart und unerbittlich. Unsere Rabenkrähe Sofie ist wahrscheinlich zu Recht aus dem Nest geworfen worden, als die Rabeneltern merkten, daß sie mit ihren weißen Federn aus der Art schlägt. Und Sofie ist auch tatsächlich in ihrer Größe und in der Ausbildung des Gefieders gegenüber den gleichaltrigen einjährigen Raben und sogar gegenüber den heurigen Jungraben deutlich unterentwickelt. Wir hätten es aber niemals über's Herz gebracht, sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen, wie wir uns auch um jedes andere hilfsbedürftige Tier gekümmert haben und auch in Zukunft kümmern werden.
Mit dem Zeitpunkt des Auswilderns ist es so eine Sache. Wir haben Sofie nach einem ersten beinahe schiefgegangenen Versuch dann ziemlich bald vollkommen frei fliegen lassen und uns aber dennoch weiterhin sehr intensiv um sie gekümmert. Ich befürchte, daß ein großer Teil der mühsam und liebevoll hochgepäppelten Jung-Wildvögel ziemlich bald umkommt, wenn sie zu frühzeitig und zu abrupt in die Freiheit zurückgegeben und sich selbst überlassen werden. Ich stelle bei unserer Sofie fest, daß sie, obwohl sie nun schon über ein Jahr alt ist, noch ständig dazulernt. Sie stöbert nun ständig im Boden und Gras herum auf der Suche nach Faltern, Käfern und Spinnen etc. Das hat sie im letzten Jahr noch bei weitem nicht so gut gekonnt, wie jetzt. Und sie ist auch viel unabhängiger geworden von Zusatzfutter, obwohl sie sich nach wie vor gerne am Katzenfutter bedient. Seit ein paar Tagen weiß sie z.B. auch, wie und wo man kleinere Regenwürmer findet. Ich mußte es ihr aber vorher zeigen. Und sie kann die Würmer nun auch mit Genuß verspeisen, was sie zuvor strikt abgelehnt hat. Diese lebenswichtigen Erfahrungen hätte sie bei echten Rabeneltern als Lehrmeistern sicherlich in weniger als einem halben Jahr gemacht. Bei Aufzucht von Menschenhand sind Lernprozess und Ausbildung notgedrungen mangelhaft und langwieriger. Zumindest bei einzeln aufgezogenen Jungvögeln dürfte das so sein. In einer Gruppe gleichartiger Jungvögel wird es wahrscheinlich nicht so problematisch sein, da jeder von jedem lernt.
Mich würde interessieren, ob es da hinsichtlich des Zeitpunkts bei Auswilderungen stichhaltige Untersuchungen über die Erfolgsquote gibt.
Gruß vom Rabenvater