Hallo Marcus,
für das Vorlegen Deiner Zeugnisse sehe ich keine Notwendigkeit
. Du irrst allerdings, solltest Du der Ansicht sein, daß ich Verhalten ausschließlich aus der ethologischen Perspektive betrachte. Die von Dir angesprochene (und praktizierte) ABA (Applied Behavior Analysis / Angewandte Verhaltensanalyse) ist - unabhängig von den mittlerweile inflationär "examinierten" und praktizierenden "Behavior-Consultants" - im Prinzip exakt das, was Hediger, Tinbergen, Heinroth u. a. in Labor- und Feldforschung während ihrer gesamten Laufbahn praktiziert haben. Dies allerdings ohne den modisch vermessenen Schnickschnack der aktuellen "Heimtier-Therapeuten-Szene". Natürlich sind Elemente des Verhaltens (sowohl – aus unserer Sicht – positiv als auch negativ) zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Kontexten mehr oder weniger beeinflußbar. In konkretem Zusammenhang mit dem Thema (HZ): Eine derartige Beeinflussung stellt zum Beispiel das gänzliche oder teilweise Vorenthalten des Elternbezuges (und damit der frühesten Sozialisationsmöglichkeit) dar. Es besteht in aller Regel keine Notwendigkeit dafür, in naturgegebene und über evolutiv lange Zeiträume bewährte Mechanismen der Elternaufzucht einzugreifen und sich zur Abmilderung und/oder Vermeidung aus den Eingriffen resultierender Defizite "verhaltenskorrigierender" Maßnahmen bedienen zu wollen. Es gibt keinen vernünftigen Grund für derartige Absurditäten.
Es ist unbestreitbar, daß die Methode der Aufzucht die Verhaltensentwicklung (mit)bestimmt. Ebenfalls unbestreitbar ist, daß Verschränkungen zwischen Instinkthandlungen, "angeborenem" Verhalten und erlernten (erlernbaren) "Inhalten" in je nach kognitiver Ausstattung variierenden Anteilen auf die Entwicklung Einfluß nehmen.
Dazu (wieder einmal) Konrad Lorenz*: "Die Annahme einer fundamentalen Zweiheit von Instinkthandlung auf der einen, Lern- und Intelligenzleistung auf der anderen Seite hat uns nirgends Schwierigkeiten gebracht, sondern hat uns im Gegenteil manche sonst durchaus unverständliche Verhaltensweise verstehen lassen."
*Lorenz, K. (1965): Über tierisches und menschliches Verhalten - Aus dem Werdegang der Verhaltenslehre - Gesammelte Abhandlungen, Bd. I, Piper & Co. Verlag, München
Daran anknüpfend und zum (vielleicht) besseren Verständnis: Es sind bei Mensch und Tier gleichermaßen beide Elemente, wenn auch in jeweils unterschiedlichem Verhältnis, beteiligt; wobei den Lernanteilen bei höher entwickelten Tieren (wie zum Beispiel Papageien) mehr Bedeutung zukommt, als bei kognitiv weniger gut ausgerüsteten Tieren. Bei niedriger entwickelten Tieren, denen jede Einsicht in eine Verkettung von Ursachen und Wirkungen verborgen bleibt, ist es oft tatsächlich nur der Instinkt - die unveränderbare Anlage -, welche bestimmte Verhaltensweisen auslöst und dominiert. Konkrete Signale werden, ob folgerichtig oder nicht, mit festgelegten und starren Reaktionen bedacht. Ein schönes Beispiel dafür bieten die Attrappenversuche mit verschiedensten Tierarten, die deutlich zeigen, daß oft schon ein simpler Farbreiz genügen kann, Verhaltensweisen auch in völlig unsinnigen Kontexten auszulösen. Als extremes Exempel hierfür sei eine mittlerweile vielfach überlieferte Beobachtung von Tinbergen (1976)* angeführt. Regelmäßig dann, wenn ein rotes Postauto am Fenster seines englischen Wohnsitzes vorbeifuhr, reagierten die Stichlinge in seinem Aquarium mit aggressivem Territorialverhalten.
*Tinbergen, N. (1976): Tiere und ihr Verhalten, Time-Life, International, Nederland, B. V.
Stichlinge sind durchaus faszinierende Tiere. Großpapageien sind etwas weniger einfach "gestrickt". Allerdings ist selbst dem aus unserer Sicht "einfachsten" und kleinsten Lebewesen Respekt entgegenzubringen. Dieser Respekt fehlt offenkundig insbesondere dann, wenn Tieren eine "Menschenkompatibilität" zugemutet wird, über welche sie im gewünschten Umfang nicht verfügen (können).
Gruß
MMchen