Janine Bahr
Oelvogelhilfe Germany e.V.
Gmelinstr. 25 Villa Einsiedel
25938 Wyk/Föhr
REHABILITATION VERÖLTER MEERESVÖGEL
Ölkatastrophen an deutschen Küsten und internationale Hilfseinsätze zur Rettung verölter Seevögel
Janine Bahr
Die Oelvogelhilfe Germany mit Sitz auf der Nordseeinsel Föhr hat sich im Jahr 2000 gegründet und zur Aufgabe gemacht, bei Ölunfällen mit geschultem Fachpersonal Hilfe zu leisten. Nach der „Pallas“-Havarie vor Föhr 1998 folgten viele auch internationale Hilfseinsätze.
Eben diese Einsätze zeigen, wie notwendig eine dementsprechende Arbeit und Aktion leider immer noch sind.
Noch nicht einmal 1 Jahr nach der „Pallas“-Katastrophe war Hilfe in Frankreich nötig. Der Holzfrachter „Erika“ sank vor der bretonischen Küste. Tausende Seevögel wurden verölt an die französische Küste gespült. Es folgten weitere Öl-Katastrophen. Hier einige Beispiele: Sommer 2000: 20 000 Pinguine vor Kapstadt sind vom Öl bedroht, 2001: Gefahr einer Ölverschmutzung der gesamten Artenwelt der Galapagos Inseln, 2002/2003: Galicien wird nach der Havarie des Tankers „Prestige“ entlang der gesamten Küste über Monate von der Ölkatastrophe und ihren Folgen bedroht, im Frühjahr 2003 sinkt im Ärmelkanal ein Frachtschiff und verursacht eine weitere Ölkatastrophe vor Belgien bis hin zur Küste Frankreich.
Die Gefahr einer Ölverschmutzung auch gerade in Nord- und Ostsee ist in den letzten Jahren durch zahlreiche Tankerunfälle mit fatalen Folgen immer wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der zuständigen Instanzen gerufen worden. Leider, ohne bisher geeignete Maßnahmen gegen solche Bedrohung für Tier und Natur zu ergreifen.
Vielen ist auch nicht bewusst, dass die alljährliche Verschmutzung durch Altöl und Ölablassungen in der Nordsee im Hinblick auf die Folgen mit einem Tankerunglück durchaus vergleichbar ist. Diese wird häufig als schleichende Ölpest bezeichnet und kostet auch Tausenden von Seevögeln pro Jahr das Leben.
Jede Katastrophe hat ihre eigenen Besonderheiten in Bezug auf die örtlichen Gegebenheiten, die Art und Anzahl der betroffenen Tiere, die Ölart, die vorhandenen Stationen sowie auf mögliche Helfer usw.
Egal ob akuter Unfall oder schleichende Ölpest, der Ablauf von der Aufnahme in die Station bis zur Wiederauswilderung ist für den Vogel ohne Unterschied.
Während sich die allgemeine Vorgehensweise mit kleinen Abweichungen bei den meisten internationalen Stationen wiederholt, hängen bestimmte Vorgehensweisen gerade bei der Triage von unterschiedlichen Faktoren ab:
Anzahl der betroffenen und noch zu erwartenden Tiere
Art der betroffenen Tiere, deren Sensibilität und Verhaltensweisen
Ölbeschaffenheit
Zur Verfügung stehende Helfer
Jeder verölte Vogel, der in die Station kommt, wird gecheckt, allgemein untersucht und erstversorgt, das heißt:
Das Tier bekommt Elektrolyte mit einer Ernährungssonde und wird je nach Auskühlungsgrad aufgewärmt. Denn durch das Öl wird die Federstruktur zerstört, sodass die Wärmeisolierung des Vogels gegen kaltes Wasser und extreme Außentemperaturen nicht mehr vorhanden ist Der Vogel kühlt aus und ist in der Regel erschöpft und dehydriert.
Bei Bedarf und je nach Untersuchungsergebnis bekommt das Tier eine spezielle Therapie und/oder eine bestimmte Diät.
Sobald der Vogel stabil ist und die zu bestimmenden Werte im Normbereich liegen, meist nach 2-4 Tagen, wird das Tier in körperwarmem Wasser (bei Vögeln 39°- 41°C) mit einem rückfettenden Geschirrspülmittel vorsichtig gereinigt und anschließend mit klarem Wasser gut abgespült.
Danach ist der Vogel wieder wasserfest und kann nach einer Trocknungszeit dann gleich auf einen Pool gesetzt werden.
Hier wird er einige Zeit beobachtet.
Wenn nach einer Abschlussuntersuchung alle Werte (Gewicht, Blutwerte, Wasserfestigkeit des Gefieders, Temperatur usw.) in Ordnung sind, kann das Tier zurück in die Freiheit.
Die Krankenblätter der Tiere zeigen, dass durch spezielle Behandlungen, Therapien und bestimmte Ernährungspläne die allgemeine Konstitution der Patienten verbessert und bestimmte messbare Werte in den Normbereich zurückgebracht werden können.
Immer ausgefeiltere Behandlungsmethoden wie Warmwasserbecken für noch nicht 100% wasserfeste Hochseevögel, bestimmte Haltungsformen, Netzboxen usw. lassen die Rehabilitationserfolge weiter steigen.
Während in Deutschland trotz all der Fakten noch über den Sinn der Ölvogelrehabilitation diskutiert wird, existiert eben diese Pflicht in den USA. Welt- und europaweit versucht man, Netzwerke zur Verbesserung dieser Arbeit zu organisieren.
Auf der internationalen Ölvogelkonferenz in South Carolina /USA 1999 verständigten sich die Tierschützer auf eine gemeinsame Vorgehensweise bei Ölunfällen weltweit. Es gibt neben vielen Varianten der Ölvogelversorgung gerade in der Erstversorgung der Tiere übereinstimmende Vorgehensweisen der Experten und Tiermediziner.
Und gerade letzten Herbst trafen sich Tierschutz-Organisationen, verschiedene Wildtierstationen, EU-Abgeordnete und auch Reederei- und Ölindustrievertreter in Irland, um über ein europaweites Netzwerk zu diskutieren.
Auch die Ölvogelhilfe Germany e.V. folgte der Einladung der niederländischen Organisation Sea Alarm.
Ebenfalls war dort die Situation an deutschen Küsten und die behördliche Einstellung zu diesem Thema und die Einzelkämpferposition der kleinen Organisationen immer wieder Diskussionspunkt.
Während in vielen Ländern die Rehabilitation nicht nur selbstverständlich, sondern sogar gesetzlich verpflichtend ist (z.B. USA), liegt das Versorgen und Reinigen der betroffenen Tiere in Deutschland in rein ehrenamtlichen Händen. Die freiwilligen Helfer bekommen statt der notwendigen Unterstützung ständig erschwerte Auflagen für ihre Arbeit mit und für die verölten Vögel.
Dabei gehen Nachweise, dass rehabilitierte Ölvögel auch über Jahre überlebensfähig sind, selbst in Deutschland in die 1950er Jahre zurück.
So berichtet Peter Kuhlemann, Biologe auf der Insel Sylt, in einem seiner Bücher von verschiedenen Erfolgen bei der Reinigung und Rehabilitation verölter Meeresvögel.
1955 werden noch lebende verölte Eiderenten nach einem Ölunfall vor Fehmarn in das damalige Hamburger Tierheim gebracht, dort versorgt, gewaschen und getrocknet und nach einiger Zeit (Tiere werden wegen des angebl. fehlenden Bürzeldrüsenfettes länger auf Stroh gehalten) beringt in die Freiheit entlassen.
Fast zeitgleich werden auch 30 Stockenten verölt ins Tierheim der laufenden Rettungsaktion zugeführt.
Auch diese werden gereinigt, getrocknet und dann später beringt wieder freigelassen. Auch dies gelang, obwohl das hier vorherrschende Öl nur unter größter Mühe aus dem Gefieder der Stockenten entfernt werden konnte. Die Tiere überlebten und wurden freigelassen, trotz der für heutige Verhältnisse ungewöhnlichen Reinigungsmethoden (Lösungsmittel-Äther-Petrol).
Anhand einer Testgruppe, die auf einem HH-Stadtteich ausgesetzt wird, ist der Beweis deutlich zu erbringen, dass solche ehemals verölten rehabilitierten Tiere eine lange Überlebenschance haben und das Jahre lang.
Nach eineinhalb Jahren wird außerdem eine Stockente in Hagenbeckstierpark aufgefunden und anhand des Ringes als eine der damals gereinigten Stockenten aus dem Jahre 55 identifiziert (leider später im Löwengehege verunglückt).
Nach neuesten Studien haben gereinigte Vögel eine gute bis sehr gute Überlebenschance. Je schneller, gewissenhafter und professioneller man eingreift, um so größer ist der Rehabilitationserfolg. Nicht nur in den USA sprechen Fachleute von über 80%. Im Jahr 2000 wurden sogar 98% der betroffenen Pinguine nach einem Ölunfall vor Kapstadts Küste wieder ausgewildert.
Gerade Anfang letzten Jahres wurden nach einer Ölverschmutzung an unserer Westküste 78% der rehabilitierten Vögel wieder in die Freiheit entlassen.
Eine der aktuellsten Studien zu diesem Thema aus den USA von Scott Newman, Jonna Mazet und Harry Carter untersucht die Überlebensrate von Larus occidentalis (Möwe) anhand von Sendern.
Dabei werden 3 Gruppen von besenderten Tieren unterschieden: 7 ehemals verölte und gereinigte Tiere, 10 nicht verölte, aber rehabilitierte Tiere und 10 nicht verölte, nicht rehabilitierte Tiere.
Ergebnis: Alle Vögel der ersten Gruppe überleben die Sender, die zwischen 127-235 Tagen zugrunde gehen.
Und das, obwohl zu dieser Zeit Anfang Januar 1998 El Niňo in den betreffenden Regionen herrscht, den nur Tiere mit guter Kondition überleben können.
Eine weitere Studie von Scott Newmann mit Trottellummen zeigt ein vergleichbares Ergebnis.
Wieder gibt es drei Gruppen von Trottellummen: ebenfalls eine mit verölt gereinigten Tieren, eine Gruppe von ehemals verletzten/kranken Tieren und eine gesunde Kontrollgruppe. Auch hier haben fast alle rehabilitierten Vögel die Zeit der Senderlebensdauer unbeschadet überlebt.
Das Resümee der Autoren aus dieser Untersuchung heißt, dass die Ölvogelrehabilitation die Möglichkeit hat, die katastrophalen Folgen von Ölunfällen auf die Fauna und Flora erfolgreich zu minimieren, indem rehabilitierte Tiere in ihren ursprünglichen Lebensraum und in ihre Population zurückgegeben werden.
Diese Überlebensbeweise könnten fortgesetzt werden.
Auch die Reproduktion von Ölopfern ist nachgewiesen. Bei ehemals verölten, rehabilitierten Pinguinen in Südafrika haben nachweislich einige von ihnen zurück in ihrer Population erfolgreich gebrütet.
Auch Eiderenten auf Föhr, die ein Jahr nach der „Pallas“-Katastrophe verölt gefunden wurden, haben in einem Freigehege schon mehrere Jahre erfolgreich Nachwuchs ausgebrütet und aufgezogen. [Bild]
Zusammenfassung:
Seit und solange Öl auf unseren Meeren gefördert und transportiert wird, werden wir mit Ölkatastrophen auf See und ihren Folgen zu kämpfen haben.
Die Oelvogelhilfe Germany e.V. hat sich die Rehabilitation der verölten Tiere bis zu ihrer Wiederauswilderung zur Aufgabe gemacht.
Aber nicht nur Unfälle führen zu Verschmutzung des Wassers mit Öl, sondern gezielte Ablassungen und Tankreinigungen verunreinigen die Meere in vergleichbaren unvorstellbaren Maßen. Besonders betroffen von solchen Ölverschmutzungen und - Teppichen auf See und an der Küste sind Meeresvögel. Sie können die Gefahr weder aus der Luft noch auf dem Wasser schwimmend früh genug erkennen und kommen durch ihre Art, auf bzw. in der Wasseroberfläche zu schwimmen, unweigerlich stark mit dem Öl in Berührung. Außerdem ist die Besonderheit der Federn ein weiteres Problem bei einer Ölverschmutzung dieser Tiere.
Verölte Tiere sind in der Regel unterkühlt und dehydriert.
Neben der Notfallversorgung wird jedes Tier bei Aufnahme in eine Station gecheckt, gewogen, ihm wird Blut entnommen und wenn nötig die Körpertemperatur gemessen.
Aus diesen Werten und dem Allgemeinzustand des Tieres wird dann die weitere Behandlung festgelegt.
Hierbei sind die tierärztlichen Besonderheiten der Tiere zu berücksichtigen (sensible Hochseevögel, Küstenvögel usw.).
Ist der Zustand des Tieres stabil und die entsprechenden Werte im Normbereich, wird es gewaschen und nach der Trocknung des Gefieders möglichst schnell auf einen Pool verbracht.
Ist der Vogel wasserfest und in einem guten Zustand, wird er nach einer entsprechenden Abschlussuntersuchung (Allgemeinzustand, Gewicht, Gefiederbeschaffenheit, Blutwerte durch einen Tierarzt/ärztin) beringt in die Freiheit entlassen.
Die immer wieder diskutierten Überlebenschancen sind schon vor Jahrzehnten durch beringte Tiere und auch heutige Studien und Beobachtungen mit Reproduktionserfolg bei ehemals rehabilitierten verölten Vögeln bewiesen. Im internationalen Ausland ist die Ölvogelrehabilitation nicht nur selbstverständlich, sondern in vielen Ländern unter Berücksichtigung der Tierschutzrechte sogar Pflicht.
Janine Bahr
Tierärztin
Tierhuus- Insel Föhr e.V.
Wild- und Fundtiernotaufnahme
u. Oelvogelhilfe Germany e.V.
Grönland 1b
25938 Wyk auf Föhr