@ Stephanie
Unter zähmen verstehe ich mehr die Absicht, dass ein Vogel quasi (fast) alles mit sich machen lässt, Kunststücke auf Kommando ausführt, nur als Beispiel. Ferner interpretiere ich in den Begriff "zähmen" auch hinein, dass z.B. Leckerlis nur nach Ausführung eines Befehls angeboten werden.
Ich verstehe unter einem zahmen Vogel erst mal einen, der keine Angst vor Menschen hat. Wie zahm er dann ist, ob er auf Kommando auf die Hand kommt oder sich anfassen lässt, hängt von der nach dem Zähmen noch eingesetzten Zeit ab - daher sehe ich das auch als kontinuierlichen Prozess - und vom Naturell des Vogels (einige mögen gekrault werden, andere partout nicht).
Zähmen sehe ich erst mal als etwas Positives für den Vogel: Er hat weniger Stress.
Bzgl. Leckerli: Das ist so eine Sache. Man kann dem Vogel ein Leckerli komplett entziehen und nur gegen "Arbeit" anbieten. Wenn man eine Zeit lang mit Vögeln trainiert hat, sind die meist bereit, gegen eine symbolische Belohnung etwas zu machen, z.B. gegen Kolbenhirse, obwohl die gleiche Hiseart auch im Körnerfutter ist. Man kann es auch so betrachten: In der Natur gibt es bestimmtes Futter nur unter bestimmten Bedingungen und manchmal muss der Vogel dafür etwas tun, z.B. an eine Stelle fliegen, die nicht ganz sicher ist oder erst mal die Schale vom Obst abnagen etc. Er bekommt das Futter also nicht umsonst. Beim Training wäre es ähnlich.
Unter "Training" versteht wohl jeder etwas anderes. Einige machen NUR das, was der Vogel anbietet und trainieren so vor sich hin, andere machen NUR das, was auf ihrem eigenen Trainingsplan steht und viele mischen sicherlich beide Arten. Ja, der Vogel lernt, auf Kommando in die Transportbox zu gehen, aber wir spielen auch Ball, weil er das gerne macht und alles Mögliche runterwirft, damit man es wieder aufhebt.
Ob Trainingsziele würdevoll sind, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden und es wird Haushalte geben, in denen der Vogel etwas Würdeloses machen "muss" für Leckerli oder etwas, das seinem Naturell nicht so liegt. Finn ist früher sehr gerne in meine Hand gesprungen und hat sich dort festhalten und auf den Rücken drehen lassen - mit anderen Vögeln hätte ich das nicht machen können und er bot es immer wieder an. Würdelos wäre es mMn jetzt, so lange nur noch dann Leckerli zu geben, bis alle Vögel das gleiche Ziel erreicht haben. Zwar wüden sie noch satt werden, aber vermutlich vom Training auch ziemlich genervt, besonders, wenn sie sich nicht gern anfassen lassen.
Völlig witzig finde ich, dass inzwischen "Generationen" meiner Wellensittiche (4 Stück) sehr schnell voneinander das Flügelheben gelernt haben, völlig ohne mein Zutun (der erste Vogel wurde dafür belohnt und musste das eine Woche bewusst üben und es war wohl sehr schwierig, bewusst die Flügel zu heben. Sobald man sich das bei anderen Vögeln abschauen kann, geht es sehr leicht). Der zweite wurde auch noch von mir bewusst dafür belohnt, die anderen drei haben es sich einfach so abgeschaut und heben jetzt einfach die Flügel, wenn sie auf sich aufmerksam machen wollen. Mein "neuer" (Friko) kommt immer noch nicht auf die Hand (habe familiär ziemliche Sorgen und daher das Training seit Juli sehr vernachlässigt, nur kurz und nicht jeden Tag durchgeführt), hebt aber die Flügel, wenn er Hirse möchte. Und das halt komplett ohne Leckerlientzug, wenn man davon absieht, dass er die Belohnungshirse am Kolben angeboten bekommt und sie im Futter nur Form von Einzelkörnern vorahanden ist.
Grundsätzlich denke ich, dass Tiere, die mit dem Menschen zusammenleben, also Wohnungsvögel mit Freiflug, von einer Grundzahmheit profitieren - sie können sich dann entspannter in Räumen bewegen, in denen auch Menschen herumlaufen. Bei reinen Volierenvögeln könnte das etwas andes sein.