Bislang gingen hier alle aus der Sicht des zu schützenden Vogels aus. Das ist legitim und in einem Vogelforum durchaus nachvollziehbar und verständlich. Ich möchte dennoch mal aus dem Blick des Menschen heraus schreiben, dessen Bedürfnisse hier in diesem Thema ja vornan gestellt sind, was auch legitim und richtig ist. Aber auch aus diesem Blickwinkel heraus ist die Wahl eines Papageis nicht das Nonplusultra.
Der Begriff "Autismus" in seinen "klassischen" Formen erfaßt nicht alle Fälle und wird daher durch die Bezeichnung "Autismus- Spektrum- Störung" (ASS) untergeordnet.
Zunächst wäre es also wichtig, ob es sich um eine Form des "High Functioning Autismus oder den "atypischen Autismus ohne klare Kriterien" handelt. Autistische Phänomene treten jedoch auch bei geistiger Behinderung und psychischen Störungen als Reaktions- und Anpassungsmuster auf. Diese Unterscheidung ist wichtig, auch in der Wahl der Therapien bzw. Unterstützungen, wozu der Papagei hier in diesem Falle angedacht ist.
Leitsymptome für die Autismus- Spektrum- Störung (ASS) sind: 1.Beeinträchtigung der wechselseitigen
sozialen Interaktion, 2. Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation sowie ein 3.
stereotypes Repertoire von Interessen und Aktivitäten. Das Fettgedruckte spricht m.M.n. schon gegen die Wahl eines Papagei als Mittel zur Tiertherapie.
Soziale Interaktion: deutliche Beeinträchtigung bei Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik bei sozialer Interaktion. Dies spürt ein so intelligentes Tier wie ein Papagei deutlich.
gestörte Kommunikation: unter anderem auch Mangel an spontanen Rollenspielen, Beeinträchtigung des sprachlichen Kontaktes bzw. anderweitigem Kommunikationsaustausch (Gestik) aufzubauen und aufrecht zu erhalten.
Stereotypes Repertoire: intensive Beschäftigung mit stereotypen, begrenzten Interessen, stereotype und repetitive Motorische Handlungen/Manierismen, spezifische und nicht funktionale Handlungen/Rituale sowie durchgängige Beschäftigung mit Teilobjekten bzw. nicht funktionalen Elementen von Gegenständen.
In der Fremdwahrnehmung- die auch ein Papagei leistet- sind die Vermeidung von Blickkontakt, die Vermeidung von Körperkontakt, bizarre Bewegungen und ein Hang, Gegenstände zum Rotieren zu bringen offensichtlich.
Die Diagnose zum frühkindlichen Autismus, um mal auf den speziellen Fall hier direkt zuzukommen umfaßt (laut Diagnoseliste nach Rendl- Short):
-Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Personen und Lebewesen
-Verhalten wie bei Taubheit
-Widerstand gegen jegliche Aufforderung, neues zu lernen
-keine Furcht vor realen Gefahren
-Widerstand gegen Abweichung von Gewohntem (jeder Papagei ist anders!)
-Gebärdenäußerung bei Wünschen
-Lehnt Zärtlichkeiten und Liebkosungen ab
-teilweise auffällige körperliche Überaktivität
-kein Blickkontakt
-Übermäßige Bindung an Einzelobjekte (nicht Subjekte!)
-Versetzen von Gegenständen, Dingen in Rotation
,-stereotype Spielgewohnheiten
-Abkapselung.
Aus allen genannten Aspekten, von denen nicht jeder auf das Kind zutreffen muß, halte ich die Wahl des Haustieres für nicht ausgereift. Bedenke auch das Alter, welches der Papagei erreichen wird, wie gesagt, die Interessenlagen ändern sich, bleiben aber oftmals monoton. Wenn der Papagei dann plötzlich nicht mehr dazugehört, nicht auszudenken...
Wäre ein sehr sozialer Familienhund nicht die bessere Wahl? Es gibt Rassen, die sich unheimlich gut dafür eignen. Sie können in ihrer auch überschaulicheren Lebenszeit ein viel robusterer "Lebenskamerad und Therapiebegleiter für Dein Kind sein.
Eine Anmerkung noch zum Schluß: Autistischen Kindern sollte man bei Therapien (Ergo, Moto usw.) immer möglichst reizarme Umgebung schaffen. Also möglichst wenig bunt, weitgehend frei von Fremdgeräuschen und -gerüchen, wenig bis kein Spielzeug/Gegenstände, je nach Therapie. Wenn ein Papagei so richtig losschreit, könnte ich mir vorstellen, daß das für Deinen Sohn sehr sehr unangenehm ist, und er "sich vor weiterem näheren, für ihn störenden Kontakt" mit dem Tier hütet bzw. sich sogar verweigert.
Und spätestens hier greift die Verantwortung, die Du mit dem Kauf eines Papageien zusätzlich zu der für Dein Kind auf Dich nimmst.
Wie gesagt, ich bin ganz bewußt aus der Warte des Kindes ausgegangen, aber auch aus dieser ist der Kauf eines Papageien aus meiner Sicht keine Lösung. Und schon gar nicht in Einzelhaltung!
Liebe Grüße und ein glückliches Händchen bei der Auswahl des tierischen Begleiters, vor allem aber viel Kraft und alles Gute für das Kind.