Schweiz: Lockerung des Freilaufverbotes oder was man uns in Deutschland so nicht sagt

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dunnawetta

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13. April 2006, Neue Zürcher Zeitung





Anzeichen für ein modifiziertes Freilandverbot

Neue Risikoanalyse der Behörden bezüglich der Vogelgrippe

Die Bedrohung von Nutzgeflügel durch mit dem Vogelgrippevirus infizierte Wildvögel wird von den zuständigen Stellen offenbar nicht mehr als bedrohlich eingestuft. Man denkt daher über ein auf die Risikozonen um Gewässer beschränktes Freilandverbot nach.

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slz. In der Schweiz wird möglicherweise das momentan gültige Freilandverbot für Nutzgeflügel ab Anfang Mai gelockert. Wie Marcel Falk, der Sprecher des Bundesamtes für Veterinärwesen (BVet), auf Anfrage erläutert hat, seien Behörden, Wissenschafter und Vertreter der Geflügelwirtschaft momentan dabei, die Gefahr einer Übertragung des Vogelgrippevirus von infizierten Wildvögeln auf Nutzgeflügel neu zu bewerten. Man will bis Ende April, sollte sich die erwartete Entspannung der Lage tatsächlich einstellen, dem Bundesrat einen Vorschlag für eine angepasste Regelung vorlegen. Dieser muss dann vermutlich über eine völlige oder teilweise Aufhebung des Freilandverbotes entscheiden.
«Mittleres Gefahrenszenario»

Beim BVet favorisiert man laut Falk aufgrund der gegenwärtigen Datenlage ein sogenannt modifiziertes Freilandverbot. Dies würde bedeuten, dass in einer Zone von rund einem Kilometer um von der Vogelgrippe betroffene Gewässer Nutzgeflügel weiterhin einem Freilandverbot wie bis anhin unterlägen. Ausserhalb dieser Zone würde man für den Sommer das Freilandverbot aufheben.

Die derzeitige Risikoeinschätzung des BVet beruht laut Falk darauf, dass man momentan in der Schweiz von einem «mittleren Gefahrenszenario» ausgeht. Es gebe mit bisher 32 Wildvögeln mit dem H5-Virus (4 davon hatten definitiv das gefährliche H5N1-Virus, bei den anderen Tieren sind die Analysen noch nicht abgeschlossen) vergleichsweise wenig Fälle in der Schweiz. Zudem hat man das Virus nur bei Wasservögeln und dabei fast immer in der Bodenseeregion identifiziert. Alle anderen Untersuchungen der letzten Monate im Rahmen diverser Monitoringprogramme haben keine Vogelgrippefälle ergeben. So wurden von November bis Januar über 200 Proben bei geschossenen Wasservögeln genommen, am Sempachersee wurden über 400 Vögel eingefangen und beprobt, und auch die Analysen von über 500 Singvögeln im Rahmen von Beringungen ergaben keine mit dem H5N1-Virus befallenen Tiere.

Mit dem Ende des Vogelzugs, das je nach Vogelart zwischen Ende April und Mitte Mai liegt, sinkt zudem die Gefahr, dass das Virus von durchziehenden Wildvögeln neu in die Schweiz eingebracht wird. Um herauszufinden, ob und in welchem Ausmass die aus dem Süden kommenden Wildvögel das gefährliche Virus in sich tragen, wird seit Ende März bis Mitte Mai im Tessiner Naturschutzgebiet Bolle di Magadino ein weiteres Untersuchungsprogramm durchgeführt. In dem Reservat machen erfahrungsgemäss viele Zugvögel einen Zwischenhalt. Man nimmt nun bei den dort wie auch in früheren Jahren durchgeführten Beringungen Kotproben und analysiert diese auf das H5N1-Virus.

Bei Kagfreiland würde man ein modifiziertes Freilandverbot sehr begrüssen, wie der Geschäftsleiter Roman Weibel auf Anfrage mitteilte. Er plädiert für die Sommermonate aber für eine generelle Aufhebung des Verbots, denn sonst bekämen die Züchter enorme Probleme mit aggressiven und kannibalischen Tieren. Allerdings räumt auch Weibel ein, dass man dann die Gefahrenlage berücksichtigen müsse. Dazu sollte man die Ergebnisse aus dem Tessiner Untersuchungsprogramm kennen sowie abwarten, wo und wie viele Wildvögel mit H5N1-Virus in den kommenden Monaten gefunden würden.
Wissenschaftlich vertretbar

Auch Christian Griot, der Direktor des Instituts für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe (IVI) in Mittelhäusern, hält ein modifiziertes Freilandverbot aus wissenschaftlicher Sicht für vertretbar. Seiner Meinung nach brächten Wildvögel das Virus zwar in ein Land, doch die Verbreitung innerhalb desselben sei vermutlich keineswegs immer auf Wildvögel zurückführbar. Auch in Deutschland sieht man das ähnlich, und Experten des Nationalen Referenzzentrums für Tierseuchen, des Friedrich-Löffler-Instituts, erstellen momentan eine neue Risikobewertung. Diese werde die Grundlage dafür sein, so das Institut, ob die Ende April in der Bundesrepublik endende Stallpflicht modifiziert oder unverändert weitergeführt werden soll.
Mehr Biosicherheit auf Höfen nötig

Dass keineswegs nur Wildvögel das Vogelgrippevirus in einem Land verbreiteten, lasse das Muster der Ausbrüche der vergangenen Monate in Europa vermuten, erläuterte Griot. So gehen er wie auch die Experten des Friedrich-Löffler-Instituts davon aus, dass das H5N1-Virus in dem einzigen von der Vogelgrippe befallenen Nutzgeflügelstall in Deutschland zwar durchaus von Wildvögeln stammt. Denn laut Analysen ist das Virus aus den Stallputen genetisch identisch mit demjenigen von Wildvögeln auf Rügen oder vom Bodensee. Doch ist es keineswegs erwiesen, dass ein direkter Kontakt zwischen infizierten Wildvögeln und den eingesperrten Puten stattgefunden hatte. Laut Experten ist es vielmehr genauso wahrscheinlich, dass das Virus durch Menschen via kontaminierte Bekleidung oder durch verseuchte Einstreu oder Futter in den Putenstall eingebracht worden war. Berichte der letzten Wochen lassen nämlich vermuten, dass die neuen Hygieneregeln für Vogelgrippezeiten, wie eine abgeschlossene Lagerung von Streu und Futter, ein Kleidungswechsel vor und nach dem Stallbesuch oder das Besuchsverbot für betriebsfremde Personen, nicht von allen Geflügelzuchtbetrieben strikt eingehalten werden.
Quelle:http://www.nzz.ch/2006/04/13/il/articleE0JMB.html
 
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