aber nichtsdestrotz um Nachkommen domestizierter Tiere, also um Haustiere.
Da würde ich gern nachhaken und fragen: Sind denn die wildlebenden Nachkommen von Haustieren auch noch welche?
Sicher, sie sind nicht mehr original die Ursprungsarten, doch ist eigentlich so ziemlich jedes Haustier irgendwo auf der Welt auch schon mal wieder verwildert, und hält sich in den Gegenden teils unglaublich zäh, was vertüddelte Haustiere nie schaffen würden, ich nenne hier nur die namibischen Wüstenpferde, die nun wirklich knochenhart im Nehmen und als direktes Haustier da mit Sicherheit nicht lebensfähig wären. Auch die Mustangs Nordamerikas haben sich, trotzdem sie erst an die 500 Jahre dort wild leben, schon in der einen oder anderen Weise an die Gegebenheiten ihres Lebensraumes angepasst, was sie zwar zu Abkömmlingen von Hauspferden macht, Hauspferde sind es dennoch keine...
Oder verwilderte Hausrinder in zB Australien, Amerika oder sogar Europa. Die sehen nur noch äußerlich aus wie Hausrinder, verhalten tun sie sich dagegen wie irgendwelche Büffel oder halt Wildrinder, die nie was mit Menschen am Hut hatten...
Ich finde, ein Haustier definiert sich nicht am Aussehen, sondern daran, wie weit es noch mit den Instinkten seiner Vorfahren ausgestattet und somit in freier Wildbahn, bzw. außerhalb des direkten Einflußbereiches von Menschen, allein lebensfähig ist.
Hunde zB
sind Haustiere reinsten Wassers. Sie verwildern zwar auch, aber zB ihre selbstständigen Jagderfolge auf Nicht- Haustiere und einige andere eminent wichtige Instinkthandlungen lassen ziemlich zu wünschen übrig. Die Dingos Australiens sind da ein anderer Fall, weil die 20.000 Jahre weniger Domestikation mitgemacht haben als die anderen Hunde, und sich in der langen Zeit instinktgeschädigte Exemplare auch ziemlich flugs ausselektierten.
Bei den Tauben geht man doch immer nur davon aus, daß es ja noch nicht so lange Städte gibt (?), also müssen es ja alles noch Haustiere sein... Dabei gibt es Städte, beginnend am Mittelmeer, auch schon seit bestimmt 5000 Jahren... Und seit dieser Zeit wird es auch wildlebende Tauben in Städten geben. Zuerst Felsentauben, dann Zuchtformen von denen, und alle möglichen Übergänge, so daß ich weit eher geneigt bin, von Wildtieren mit Haustiereinfluß zu sprechen, ähnlich den fehlgefärbten Stadt- Stockenten, welche ein selbstständig überlebensfähiges Mittelding aus Zuchtform und Wildform sind.
Ich gehe sogar soweit zu sagen, daß die Stadttaube als solche vielleicht viel mehr Wildtier ist als alle glauben, die sich im Laufe ihrer Zeit in den Städten aber prima angepasst hat, in Verhalten wie Aussehen...
Denn wie verhalten sich Felsentauben und Haustauben auf dem Lande?
Die fliegen blitzgeschwind in niedriger Höhe im geschlossenen Schwarm teils recht weit zum Feldern, und nachdem sie gefressen haben, ebenso geschlossen, blitzgeschwind und niedrig wieder auf, dabei jede Deckung nutzend, die sie finden, um wieder zum Schlag/ in die Heimatfelsen zurück zu kommen.
Und wie verhalten sich Stadttauben?
Die fliegen paar- oder pärchenweise in den näheren Umkreis der Schlafplätze, und suchen da nach eigenem Gusto ihr Futterchen.
Und wenn sie mal feldern gehen, zum Beispiel hier auf den Flughafen Tegel oder in große Parks, dann erfolgt das ebenfalls pärchen- oder paarweise, sogar einzeln, im etwas beschleunigten Flügelschlag in Haushöhe, niemals im großen geschlossenen und blitzgeschwinden Schwarm, der tief über Grünflächen oder Zäune wischt, um Greifen keine Chance zu geben.
Dann dominiert unter den Stadttauben ganz klar der gehämmerte Farbschlag mit meist grauem Bürzel, wobei die Hämmerung auf den Flügeln von nur leicht ausgeprägt bis so gut wie einfarbig dunkel reicht, die Körperfarbe der Tauben von normal blau bis ebenfalls einfarbig dunkel.
Die gehämmerte Mutation vererbt sich freilich dominant, dennoch muß diese Farbe für den Lebensraum Stadt ja einen ziemlichen selektiven Vorteil besitzen, sonst wäre er nicht so verbreitet, was mich wiederum dazu verleitet, ihnen weniger Haustierstatus zuzubilligen, als es getan wird, sondern sie im Gegentum, wie gesagt, als eher Wildtiere mit Haustiereinfluß zu bezeichnen.
Ihr abgeändertes Verhalten kann daran nicht liegen, daß es Haustiere sind, denn reine, gezüchtete Haustauben auf dem Lande, selbst in Städten, verhalten sich beinahe pur wie Felsentauben...
Die variablen Färbungen liegen auch nicht unbedingt daran, daß sich ständig Haustauben einkreuzen, da reicht es, wenn vor Urzeiten ein paar Mal Haustiere ihre Gene in Wildpopulationen schleusten.
So stammt die verbreitetste Fehlfarbe der Stockente, die Dunkelwildfarbige mit weißem Latz, von der Farbe der Pommernente, die sich vor allem in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg in die Stockenten einkreuzte, seitdem erhält sich die Farbe selber, und vererbt sich teils dominant, teils intermediär.
Auch sind in Berlin immer wieder in Wildschweinrotten weiße oder gescheckte Frischlinge oder Bachen mit etwa weißen Schenkelinnenseiten und/ oder hellen Klauen zu beobachten. Dies beruht darauf, daß zu Zeiten der Waldweidewirtschaft, welche ebenfalls mit dem 2. Weltkrieg ihr Ende fand, Hausschweine sich mit Wildschweinen verpaarten.
Die Ereignisse liegen also lange zurück, die Ergebnisse manifestieren sich aber teils noch heute.
Will sagen, daß die Tauben heute so bunt sind, liegt nicht unbedingt daran, daß ständig Zuchttauben ihre Gene ins Spiel bringen, sondern daß es reichte, daß sie es ein paarmal vor lange vergangenen Zeiten machten, und das diese Einkreuzungen am Wildtierstatus selbst gar nicht viel ändern...
Soll nun nicht heißen, ach laß doch die doofen Stadttauben, soll nur heißen, daß man manche Sachen aus etwas anderer Warte betrachten sollte.
Grüße, Andreas