Hi Ole,
oh Mann, da hast du ja wirklich schon oft ins Klo gegriffen, was die Wahl des Tierarztes angeht. Dummerweise macht nur Versuch kluch, oder wie das heißt... :-(((
Auch ich habe schon sehr miese Dinge erlebt und Tierärzte in Sachen Vogelbehandlung deshalb pauschal für ziemlich inkompetent gehalten. Bis ich einen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr praktizierenden TA kennen gelernt habe und wir gute Bekannte wurden. Er hat aus dem Nähkästchen geplaudert, was die Ausbildung der Tierärzte angeht. Ich sag dir, da raufst du dir die Haare!
Ein normaler Kleintierarzt lernt während seines Studiums so gut wie nichts über die Behandlung von Vögeln. Das Standardprogramm wird ihnen eingeimpft, und das war es auch schon. Eine typische Wellensittichkrankheit: Kropfentzündung. Therapie: Antibiotikum und notfalls Aufbauspritze. Und wenn's nicht besser wird: Einschläfern. Tja, zu dumm, dass Kropfentzündungen nicht nur durch Bakterien, sondern auch durch Pilze verursacht werden können, die unter der Gabe eines Antibiotikums regelrecht aufblühen und den Vogel somit ans Messer liefern...
Dass zunächst ein Kropfabstrich notwendig sein könnte, davon hören die meisten Tierärzte nichts. Und wenn sie davon hören, dann wird vielen von ihnen eingeredet, das sei äußerst gefährlich für den Vogel. Stimmt, wenn man es falsch macht. Also lassen sie es, schließlich zeigt es den meisten Ärzten kaum jemand und sie haben keine Studienobjekte.
Es krankt meiner Ansicht nach an der Ausbildung, denn wenn die angehenden Tierärzte sich nicht selbst darum bemühen, mehr über Vögel zu erfahren, dann werden sie genau solche Kleintierärzte, wie wir Vogelhalter sie so sehr fürchten. Zum Glück gibt es einige löbliche Ausnahmen, die wahre Gurus auf ihrem Gebiet sind.
Man ist gut beraten, sich an einen solchen zu wenden, sofern man von seiner Existenz weiß, und das ist ein weiterer Knackpunkt: Selbst auf Empfehlungen ist schwer Verlass, da viele Emotionen mitspielen. Ein Tierarzt, der dem einen Vogelhalter sehr kompetent vorkommt, ist bei dem anderen vielleicht unten durch, weil er das geliebte Tier trotz Aufbietung all seines medizinischen Könnens nicht zu retten vermochte. Das macht die Sache für andere Vogelhalter leider nicht gerade einfacher, wenn es darum geht, sich einen guten Vogelarzt zu suchen.
Ich drücke dir die Daumen, dass du bald einen guten Arzt findest, denn so etwas ist extrem wichtig. Sicher kennst du die vielen Tierarztlisten im Web, ist denn da rein gar nichts in deiner Nähe dabei? Das wäre ja wirklich der Super-GAU!
Nun noch mal ein paar Worte zu den Gebühren der Tierärzte. Früher hielt ich diese für teils viel zu happig. Ich sehe es wie du, mir liegt das Wohl meiner Tiere am Herzen und ich lasse nicht das Geld darüber entscheiden, wer gesund werden darf und wer nicht. Aber ich war meinem sauer verdienten Geld noch nie böse und habe mich daher oft über die Gebühren geärgert.
Seit ich mein Geld jedoch nicht mehr durch eine Festanstellung verdiene - die habe ich vor 1,5 Jahren aufgrund einer Firmenpleite leider von jetzt auf gleich verloren -, ist mir klar, wie verteufelt wenig 30 Euro brutto sind. Von diesem Kleinkram zu überleben, eine Praxismiete, verschlissene Geräte, Medikamente und Angestellte (TierarzthelferInnen) zu bezahlen, ist äußerst schwierig. Ich bin mir sicher, dass so mancher Tierarzt ganz schön zu kämpfen hat, um zu überleben. Die Zeiten sind vorbei, in denen es Ärzten pauschal gut ging.
Übrigens habe ich mal in Sachen Verweigerung einer Einschläferung etwas erfreulich anderes erlebt als du. Ich wollte einen Wellensittich einschläfern lassen, der sich meiner Ansicht nach nur noch quälte, es war ebenfalls ein Freitag. Mein Tierarzt beobachtete das Weibchen einige Minuten im Käfig, griff hinein und fasste das Mädel an. Dann schloss er den Käfig, ohne die Kleine rauszuholen. Er schaute mir mitten in die Augen und meinte: "Nein, ich bin doch kein Mörder!"
Ich war total perplex, damit hatte ich nicht gerechnet. Der Mann erklärte mir, er habe bei der Vogeldame das Gefühl, dass sie es schaffen kann, zu überleben, obwohl sie fertig am Käfigboden lag. Es sei so ein Gefühl, meinte er. Bis Montag solle ich ihr geben, er würde es mit einer sehr intensiven stationären Behandlung übers Wochenende versuchen.
Mehr um mein Gewissen zu beruhigen (ja, ich gestehe...), willigte ich ein. An dem Montag rief er an und meinte, ich könne die Kleine jetzt abholen. In der Praxis traute ich meinen Augen nicht, denn mein Mädel saß aufrecht auf dem Käfigboden und wirkte erheblich munterer. Der TA hatte Recht, sie hat um ihr Leben gekämpft - und gewonnen, denn sie lebt noch immer. Das Ganze ist schon sehr lange her.
Klar, es hätte schief gehen können und ich würde vermutlich nun denken, der Kerl wollte damals nur Geld abzocken. Dieser Gedankengang drängt sich einem ja geradezu auf. Aber ich bin durch das Erlebnis schwer ins Grübeln geraten. Was wäre, wenn manche Tierärzte wirklich aus tiefster Überzeugung heraus eine Einschläferung ablehnen, weil sie glauben, das Leben des Tieres retten zu können? Sie sind auch nur Menschen und können sich irren, was dann für uns wie Abzocke aussieht. Mir ist klar geworden, wie schwer es ist, in diesem Punkt fair und objektiv zu urteilen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Tierärzte "nur" ihren Job tun und selbst überleben wollen. Was für ein schwieriges Thema...
Ich hoffe sehr, dass dein Vogel etwas Harmloses hat und gesund wird. Meine Daumen sind gedrückt!
Viele Grüße,
Gaby