mäusemädchen
Tier- und Naturfreundin
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... in der Wissenschaftssendung "Q 21" des WDR-TV:
http://www.wdr.de/tv/q21/1869.0.phtml
Töten für die Wissenschaft
Ärgert es Sie auch jedes Jahr aufs Neue, wenn in Italien, Spanien oder Frankreich tausende Singvögel gefangen und gebraten werden? Wer glaubt, dass so etwas bei uns nicht passieren kann, irrt. Denn auch bei uns müssen Singvögel sterben. Und sie landen nicht in Kochtopf oder Bratpfanne, sie werden auf den Müll geworfen. Es geht um Rabenvögel, die höchstentwickelten Singvögel überhaupt. Im Landkreis Leer in Ostholstein läuft seit über einem Jahr ein so genanntes Forschungsprojekt, das bisher 12.000 Krähen und Elstern das Leben gekostet hat.
Vogelmord in Ostfriesland
Monatelang standen im Landkreis Leer rund 150 Norwegische Krähenfallen. Die Fallen sehen aus wie kleine Volieren. Die Vögel werden durch Futter oder Lockkrähen angelockt und lassen sich dann durch eines der Einfluglöcher auf den Boden fallen. Mit ausgebreiteten Flügeln kommen die Tiere nicht mehr heraus. Sie bleiben in der Falle bis zur nächsten Kontrolle. Rabenkrähen und Elstern geht es dann an den Kragen. Sie sterben "tierschutzgerecht durch Zertrümmern der Hirnkalotte" - so heißt es in der Projektbeschreibung. Konkret bedeutet das: Die Vögel werden mit einem Stock erschlagen. Der so genannten "Beifang" wird wieder freigelassen, denn regelmäßig geraten auch geschützte Arten wie Saatkrähen oder Greifvögel in die Falle. "Die Tiere können sich verletzen und leiden unnötig unter Stress", kritisieren Naturschützer. Projektbetreiber ist das Institut für Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Der Institutsleiter Klaus Pohlmeyer ist gleichzeitig Präsident der niedersächsischen Jägerschaft und dort vermutet man, dass die Rabenvögel für den Rückgang von Kiebitzen und anderen Wiesenbrütern verantwortlich sind.
Dem Kiebitz auf der Spur
Was ist dran an diesen Vorwürfen ? Mehrere Studien haben das bereits untersucht - zum Beispiel im Naturschutzgebiet Rieselfelder Münster. Auch dort gehen die Bestände von Kiebitzen und anderen Wiesenbrütern seit Jahren zurück. Für die Ursachenforschung hat die Biologin Immogen Blühdorn keine Vögel getötet. Mit Videokameras und Thermosensoren hat sie Kiebitznester rund um die Uhr überwacht. Für ihre Doktorarbeit wertete Blühdorn mehr als 6.000 Stunden Videomaterial aus, und kam dabei zu einem interessanten Ergebnis: "Wir konnten in keinem einzigen Fall beobachten, dass eine Rabenkrähe ein Nest ausgenommen hat." Alle Nester wurden nachts geräubert. Damit aber scheiden die Rabenvögel als Verdächtige aus, denn sie sind tagaktiv und schlafen nachts. Fuchs und Iltis waren die häufigsten Räuber. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Gegen die nächtlichen Räuber haben Wiesenbrüter keine Chance. Gegen Attacken von Krähen am Tag können sich die Kiebitze aber durchaus wehren. "Vor allem wenn mehrere Paare auf einer Wiese brüten, sind die Chancen gut", sagt Immogen Blühdorn.
Bei Krähe und Elster zu Tisch
An der Universität Mainz haben Biologen zusätzlich untersucht, womit denn Elstern und Krähen ihre Jungen füttern. Die Jungvögel bekamen Halsringe umgelegt. Nach der Fütterung holten Studenten den Nahrungsbrei mit Pinzetten wieder heraus. Unter dem Mikroskop wurde alles sorgfältig analysiert. Erst dann durften die jungen Rabenvögel das Futter tatsächlich hinunterschlucken. Das Ergebnis: zu über 80 Prozent stehen Insekten auf dem Speiseplan der Vögel. Dazu kommen pflanzliche Kost und Regenwürmer. Eier und Jungvögel machen nur rund drei Prozent der Nahrung aus. Gelegentlich kommt es also vor, dass Elstern oder Krähen ein Nest ausplündern. Für den Rückgang der Singvögel ist das jedoch völlig unbedeutend. Andere Räuber, vor allem aber der Verlust an Lebensräumen und die frühe Mahd der Wiesen sind hier weitaus entscheidender.
Wie geht es weiter im Landkreis Leer?
Waren die Ergebnisse dieser Studien nicht bekannt? Von den Projektbetreibern in Hannover wollte leider niemand vor der Kamera mit uns darüber sprechen. Die Kritik an den Vogeltötungen ist massiv. Umwelt- und Tierschutzverbände haben inzwischen Strafanzeige gestellt. Aus ihrer Sicht verstößt das Projekt gleich gegen mehrere Gesetze. Unter anderem sind die Norwegischen Krähenfallen eigentlich EU-weit verboten. Auch Wissenschaftler wie Hans-Wolfgang Helb von der Universität Kaiserslautern kritisieren den tausendfachen Krähentod. "Das Projekt schadet der Wissenschaft", so der Rabenvogelexperte, "es ist peinlich für die Tierärztliche Hochschule und das dortige Institut für Wildtierforschung." Naturschützer und die meisten Wissenschaftler sind sich einig: Das Projekt sollte lieber heute als morgen komplett eingestellt werden." Zur Zeit sind die Fallen geschlossen. Es müssen Zwischenergebnisse und neue Studien ausgewertet werden, so die offizielle Begründung. Die Tierschützer werten das als Teilerfolg. Sie hoffen, dass die Fallen erst gar nicht wieder geöffnet werden. Fest steht jedoch: Wie auch immer der Streit ausgehen wird - für die 12.000 toten Krähen und Elstern kommt jede Erkenntnis zu spät.
Autorin: Claudia Ruby
http://www.wdr.de/tv/q21/1869.0.phtml
Töten für die Wissenschaft
Ärgert es Sie auch jedes Jahr aufs Neue, wenn in Italien, Spanien oder Frankreich tausende Singvögel gefangen und gebraten werden? Wer glaubt, dass so etwas bei uns nicht passieren kann, irrt. Denn auch bei uns müssen Singvögel sterben. Und sie landen nicht in Kochtopf oder Bratpfanne, sie werden auf den Müll geworfen. Es geht um Rabenvögel, die höchstentwickelten Singvögel überhaupt. Im Landkreis Leer in Ostholstein läuft seit über einem Jahr ein so genanntes Forschungsprojekt, das bisher 12.000 Krähen und Elstern das Leben gekostet hat.
Vogelmord in Ostfriesland
Monatelang standen im Landkreis Leer rund 150 Norwegische Krähenfallen. Die Fallen sehen aus wie kleine Volieren. Die Vögel werden durch Futter oder Lockkrähen angelockt und lassen sich dann durch eines der Einfluglöcher auf den Boden fallen. Mit ausgebreiteten Flügeln kommen die Tiere nicht mehr heraus. Sie bleiben in der Falle bis zur nächsten Kontrolle. Rabenkrähen und Elstern geht es dann an den Kragen. Sie sterben "tierschutzgerecht durch Zertrümmern der Hirnkalotte" - so heißt es in der Projektbeschreibung. Konkret bedeutet das: Die Vögel werden mit einem Stock erschlagen. Der so genannten "Beifang" wird wieder freigelassen, denn regelmäßig geraten auch geschützte Arten wie Saatkrähen oder Greifvögel in die Falle. "Die Tiere können sich verletzen und leiden unnötig unter Stress", kritisieren Naturschützer. Projektbetreiber ist das Institut für Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Der Institutsleiter Klaus Pohlmeyer ist gleichzeitig Präsident der niedersächsischen Jägerschaft und dort vermutet man, dass die Rabenvögel für den Rückgang von Kiebitzen und anderen Wiesenbrütern verantwortlich sind.
Dem Kiebitz auf der Spur
Was ist dran an diesen Vorwürfen ? Mehrere Studien haben das bereits untersucht - zum Beispiel im Naturschutzgebiet Rieselfelder Münster. Auch dort gehen die Bestände von Kiebitzen und anderen Wiesenbrütern seit Jahren zurück. Für die Ursachenforschung hat die Biologin Immogen Blühdorn keine Vögel getötet. Mit Videokameras und Thermosensoren hat sie Kiebitznester rund um die Uhr überwacht. Für ihre Doktorarbeit wertete Blühdorn mehr als 6.000 Stunden Videomaterial aus, und kam dabei zu einem interessanten Ergebnis: "Wir konnten in keinem einzigen Fall beobachten, dass eine Rabenkrähe ein Nest ausgenommen hat." Alle Nester wurden nachts geräubert. Damit aber scheiden die Rabenvögel als Verdächtige aus, denn sie sind tagaktiv und schlafen nachts. Fuchs und Iltis waren die häufigsten Räuber. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Gegen die nächtlichen Räuber haben Wiesenbrüter keine Chance. Gegen Attacken von Krähen am Tag können sich die Kiebitze aber durchaus wehren. "Vor allem wenn mehrere Paare auf einer Wiese brüten, sind die Chancen gut", sagt Immogen Blühdorn.
Bei Krähe und Elster zu Tisch
An der Universität Mainz haben Biologen zusätzlich untersucht, womit denn Elstern und Krähen ihre Jungen füttern. Die Jungvögel bekamen Halsringe umgelegt. Nach der Fütterung holten Studenten den Nahrungsbrei mit Pinzetten wieder heraus. Unter dem Mikroskop wurde alles sorgfältig analysiert. Erst dann durften die jungen Rabenvögel das Futter tatsächlich hinunterschlucken. Das Ergebnis: zu über 80 Prozent stehen Insekten auf dem Speiseplan der Vögel. Dazu kommen pflanzliche Kost und Regenwürmer. Eier und Jungvögel machen nur rund drei Prozent der Nahrung aus. Gelegentlich kommt es also vor, dass Elstern oder Krähen ein Nest ausplündern. Für den Rückgang der Singvögel ist das jedoch völlig unbedeutend. Andere Räuber, vor allem aber der Verlust an Lebensräumen und die frühe Mahd der Wiesen sind hier weitaus entscheidender.
Wie geht es weiter im Landkreis Leer?
Waren die Ergebnisse dieser Studien nicht bekannt? Von den Projektbetreibern in Hannover wollte leider niemand vor der Kamera mit uns darüber sprechen. Die Kritik an den Vogeltötungen ist massiv. Umwelt- und Tierschutzverbände haben inzwischen Strafanzeige gestellt. Aus ihrer Sicht verstößt das Projekt gleich gegen mehrere Gesetze. Unter anderem sind die Norwegischen Krähenfallen eigentlich EU-weit verboten. Auch Wissenschaftler wie Hans-Wolfgang Helb von der Universität Kaiserslautern kritisieren den tausendfachen Krähentod. "Das Projekt schadet der Wissenschaft", so der Rabenvogelexperte, "es ist peinlich für die Tierärztliche Hochschule und das dortige Institut für Wildtierforschung." Naturschützer und die meisten Wissenschaftler sind sich einig: Das Projekt sollte lieber heute als morgen komplett eingestellt werden." Zur Zeit sind die Fallen geschlossen. Es müssen Zwischenergebnisse und neue Studien ausgewertet werden, so die offizielle Begründung. Die Tierschützer werten das als Teilerfolg. Sie hoffen, dass die Fallen erst gar nicht wieder geöffnet werden. Fest steht jedoch: Wie auch immer der Streit ausgehen wird - für die 12.000 toten Krähen und Elstern kommt jede Erkenntnis zu spät.
Autorin: Claudia Ruby