Etwas konkreter war der Tagesspiegel in seiner Aussage:
Fragen des Tages
06.04.2006
Das Virus ist ausgebrochen
Erstmals hat die Vogelgrippe in Deutschland auch Nutztiere befallen. Haben die Behörden versagt?
In Sachsen ist in einem Geflügelmastbetrieb das Vogelgrippevirus H5N1 aufgetreten. Wie konnten sich die Tiere trotz Stallpflicht mit dem Virus infizieren?
Wie zuvor schon bei Wildvögeln ist auch im größten sächsischen Geflügelzuchtbetrieb die aggressive H5N1-Variante vom Typ „Asia“ gefunden worden. Diese Variante war in Deutschland zuerst auf der Insel Rügen entdeckt worden. Am Mittwochabend schloss das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), das Bundesinstitut für Tiergesundheit, die Feindiagnostik ab. „Das ist eine aufwändige Untersuchung, für die die Gene des Virus sequenziert werden müssen“, sagt Pressesprecherin Elke Reinking. Mitarbeiter des Instituts werden vor Ort nachforschen, welche Kontakte es zu Wildvögeln oder anderen Nutztier-Beständen gegeben hat. „Auf die Frage, wie die Puten sich angesteckt haben könnten, haben wir noch keine Antwort“, heißt es einstweilen auch im Bundeslandwirtschaftsministerium. Der zuständige Kreistierarzt in Sachsen, Ingolf Herold, geht von einer Ansteckung durch Wildvögel aus, obwohl in Sachsen bisher kein mit dem H5N1-Virus infiziertes Tier gefunden wurde. Herold vermutet das, weil die Gänse des Hofes mit einer Ausnahmegenehmigung weiter im Freiland gehalten werden durften. Nach Angaben der sächsischen Sozialministerin Helma Orosz (CDU) hält der Betrieb 8000 Puten, 4350 Gänse, 3350 Hühner und 600 Junggänse. Neben einer Ansteckung über Wildvögel käme auch eine Infizierung durch zugekaufte Vögel, verunreinigte Einstreu oder kontaminiertes Futter in Frage. Allerdings gibt es seit den ersten Fällen der Vogelgrippe in der Europäischen Union Importverbote für jegliche Geflügelprodukte aus Risikogebieten.
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Wie groß ist die Gefahr, dass sich das Virus nun auf andere Betriebe ausweitet?
Mit der Keulung des gesamten Bestandes, mit der noch am Mittwoch begonnen wurde, sollte sie gebannt sein. „Unsere Wissenschaftler werden die Kontaktbetriebe überprüfen, aus denen möglicherweise Tiere kamen und umgekehrt auch zurückverfolgen, wohin Tiere aus diesem Betrieb gingen“, versichert Ministeriumssprecherin Tanja Thiele.
Was bedeutet dieser Ausbruch der Vogelgrippe für die deutsche Geflügelwirtschaft?
Die deutsche Geflügelwirtschaft dürfte durch den Ausbruch der Vogelgrippe weit weniger hart getroffen werden als die französische. Nach Angaben von Agnes Scharl, einer Sprecherin des Deutschen Bauernverbands, beträgt die so genannte Selbstversorgungsquote bei Geflügelfleisch in Deutschland 80 Prozent, der Rest der Nachfrage wird durch Importe gedeckt. Bei den Eiern liegt die Selbstversorgungsquote bei unter 70 Prozent. Sollten Staaten Importverbote aussprechen, was wahrscheinlich ist, trifft es einzelne Mäster. Aber der Gesamtverlust dürfte überschaubar bleiben. Allerdings klagt der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, die Branche habe seit dem ersten Auftauchen des Virus in Deutschland bereits rund 150 Millionen Euro Umsatz verloren.
Reichen die bisherigen Schutzmaßnahmen der Bundesregierung aus?
Einen völligen Schutz vor einer Tierseuche kann es nicht geben. Deshalb reichen die Vorschriften zur Hygiene, die Stallpflicht und die Importverbote, die in der EU ausgesprochen wurden, eigentlich aus, um das Risiko einer Ausbreitung der Vogelgrippe im deutschen Nutztierbestand zu verhindern. Allerdings haben all diese Sicherheitsvorkehrungen Grenzen. Gänse oder Enten können nicht dauerhaft im Stall gehalten werden. Deshalb hatte der nun betroffene Betrieb auch eine Ausnahmegenehmigung von der Stallpflicht. Aber auch die Gefahr durch Reisende, die Viren an ihren Schuhen einschleppen, oder durch illegale Importe lässt sich nur bedingt kontrollieren.
Können Eier und Geflügelfleisch noch ohne Bedenken gegessen werden?
Er bleibe weiter ein großer Freund von Eiern und Geflügelfleisch, sagte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) vor vier Wochen. Und Ministeriumssprecherin Tanja Thiele sieht keinen Grund, warum ihr Chef seine Gewohnheiten jetzt ändern sollte. Das Durcherhitzen von Fleisch und Eiern auf mindestens 70 Grad beim Braten und Kochen tötet die Viren ab. Bisher gibt es auch keine Hinweise auf Infektionen durch rohe Eier, obwohl sie theoretisch möglich wären. Wichtig ist generell, rohes Fleisch nicht auf demselben Küchenbrettchen zu schneiden wie den Salat, Verpackungen schnell zu entsorgen und sich die Hände nach dem Hantieren mit rohem Geflügelfleisch zu waschen. „Das ist jedoch schon immer empfehlenswert gewesen, um eine Infektion mit Salmonellen zu verhindern“, sagt Thiele.
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Quelle:
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/06.04.2006/2455603.asp