Nachdem ich in Neuseeland lebe, mache ich offensichtlich andere und sehr interessante Beobachtungen bei meinen Goulds. Unser Klima ist zwar kühler als in der ursprünglichen Heimat der Goulds, jedoch ist es eindeutig ein ganz anderes Klima als in Mitteleuropa. Es geht bei den Goulds nicht nur um die Wärme (was man offensichtlich in Deutschland fälschlich meint!!!), sondern um die gesamten Einflüsse. Also auch Luftfeuchtigkeit und Tageslänge und natürlich dann auch alle diese Faktoren zusammengenommen. Sie wirken ja nicht einzeln, sondern in der Gesamtheit.
Aus meinen Beobachtungen ziehe ich folgenden Schluss:
Der Brutablauf und überhaupt der gesamte Lebenszyklus der Goulds ist nur minimal, wenn überhaupt, von der Temperatur bestimmt. Vielmehr ist es von Bedeutung, ob es sehr trocken ist oder feucht. Die Feuchtigkeit hat offensichtlich einen größeren Einfluss als Wärme und Licht.
Bei uns ist jetzt Winter (allerdings ist der Winter hier sehr mild) und trotzdem hat nun ein Paar Eier im Nest. Schon seit 2 Wochen ist es recht kühl, die Nachttemperaturen in meinem Vogelhaus fallen oft bis auf 2-3°. Ausgerechnet zur Zeit der Eiablage hatten wir drei Nachtfröste hintereinander! Bei Tage allerdings ist es dann warm, bis zu 20°. Dies halte ich für sehr wichtig, denn dauernde Kälte halten die Vögel nicht aus. Sie müssen sich jeden Tag wieder aufwärmen können, das ist extrem wichtig zu wissen. Auch Zugluft ist sehr schädlich, denn Goulds haben kein Dunengefieder und deshalb bläst der Wind viel leichter durch ihr Gefieder durch.
Bezüglich Licht wird wahrscheinlich in Deutschland auch des Guten zu viel getan. In ihrer Ursprungsheimat ist der Unterschied der Tageslänge von Sommer und Winter sehr gering. Es gibt dort keine langen Sommertage. Aber auch keine sehr kurzen Wintertage. Eine extrem lange Beleuchtung halte ich für unnatürlich und bringt den normalen Lebensrythmus durcheinander.
Es mag sein, dass du in deiner Haltung viel Feuchtigkeit hast und vielleicht auch zu lange beleuchtest. Das Futter mag zwar auch einen Einfluss haben, aber gibt möglicherweise nicht den einzigen Ausschlag.
Meine Vögel hatten mitten im Sommer, bei Temperaturen um die 30° wenig oder gar keine Neigung zur Brut gezeigt. Sie sassen still herum und warteten, bis es am Abend kühler wurde. Dann wurden sie wieder lebhaft. Der Bruttrieb setzte jedoch sofort ein, als es gegen Ende des Sommers mehrmals geregnet hatte. Dieses Verhalten ist eigentlich sehr verständlich. Denn in ihrer Heimat fangen dann die Futterpflanzen an zu wachsen. In der Sommerhitze ist wenig Futter vorhanden und die Jungen würden verhungern.
Die Mauser hat offensichtlich auch etwas mit dem Klima zu tun. Meine Vögel, die im März geboren wurden (das entspricht dem September bei euch) zeigen noch überhaupt keine Anzeichen eines Federwechsels. Ich bin sicher, dass die jetzt kühle Jahreszeit dies verhindert, was ja absolut Sinn macht. Sie werden sicher im Frühjahr mausern und dann sofort brüten. Also vollkommen dem Zyklus europäischer Vögel entgegen.
All diese Dinge sollten uns zum Nachdenken und auch zum Experimentieren anregen. Naturgerechte Vogelhaltung bedeutet mehr als nur Wärme. Man muss sich die Gegebenheiten im Ursprungsland schon sehr genau ansehen. Und mit europäischen Vögeln und ihrem Brutablauf darf man auch nicht vergleichen. Denn in Europa gibt es Jahreszeiten und logischer Weise müssen sich die Vögel auf diese einstellen und ihren Brutzyklus danach ausrichten. In Australien gibt es keine Jahreszeiten, sondern Regenzeiten und Trockenzeiten.
Ob eure Vögel sich teilweise, ganz, oder gar nicht den europäischen Verhältnissen angepaßt haben, ist eine offene Frage. Vielleicht haben sich einige Stämme angeaßt, andere nicht oder nur wenig.
Vögle, die im Zimmer gehalten werden, haben nahezu immer dieselben Bedingungen. Das ist jedoch auch nicht naturnah. Wie man die Goulds in Europa naturnah halten kann, ist ebenfalls eine offene Frage. Ob man sie im Laufe der Zeit zu Europäern machen kann, ist ebenfalls fraglich. Immerhin jedoch gibt es viele, viele Goulds in Europa und das beweist eigentlich, dass eine Anpassung bereits erfolgt ist. Aber es ist möglich, dass sich noch nicht alle Vögel angepasst haben und dann aus der Reihe tanzen und Rätsel aufgeben, so wie deine Vögel.
Ich betrachte diese Zeilen nicht als Rezept für die Gouldshaltung in Europa, sondern lediglich als Gedankenaustausch und vielleicht als Anregung, Probleme oder Ungereimtheiten bei den Goulds auch einmal mit anderen Augen zu betrachten.
Schöne Grüße
Werner