Damit auch Nicht-Leser des WP-Magazins wissen, worum es geht, hier ein paar Auszüge:
Ruth Mossner, Der Zieehnsittich als Stubenvogel (WP-Magazin Nr.2 März/Apri 2001)
"Der wesentliche Unterschied zu den meisten Sitticharten in Menschenobhut besteht beim Ziegensittich in seinem angeborenen Sozialverhalten, das heißt seinem natürlichen verhalten gegenüber Artgenossen. Unzertrennliche, Wellen- und Nymphensittiche sowie die meisten Großpapageien sind ausgesprochene Kontaktvögel. Sie lieben die unmittelbare Nähe eines Artgenossen. Sie kraulen einander zärtlich das Gefieder, machen alles gemeinsam und schlafen eng aneinander geschmiegt. das ist es, was der Mensch - auch bei intensivster Zuwendung - niemal völlig ersetzen kann. Deswegen wird zu recht immer wieder empfohlen, diese kontaktfreudigen Vögel nicht einzeln, sondern zur Befriedigung dieses Bedürfnisses mit Artgenossen zusammen zu halten.
Beim Ziegensittich ist das jedoch anders: er ist von Natur aus kein Kontaktvogel. selbst die Partner eines Brutpaares beschränken ihre Zärtlichkeiten auf die Fortpflanzungszeit, und dann auch nur auf das Notwendigste. Sie schlafen getrennt und gehen außerhalb der Fortpflanzungszeit auf Abstand, auch wenn sie vieles gemeinsam tun. In freier Wildbahn sind sie wie fast alle papageienvögel gesellig, das heißt, sie leben in Gruppen, aber eben ohne körperlichen Kontakt. ...."
Im folgenden geht Ruth Mossner auf die Gruppenstruktur und auf die Herausbildung einer Rangordnung ein, wie es bei der Haltung eines Schwarmes in großen
Volieren der Fall ist.
"...Für die Haltung als Wohnzimmervogel ergibt sich daraus Folgendes: Ziegensittiche brauchen keinen gefiederten Kuschelpartner, eine Haltung als Einmzelvogel ist also bei dieser Art vertretbar, er bekommt ausreichend Zuwendung von unf Interaktion mit seinem Menschen. Will man trotzdem zwei Vögel halten, dann sollte jeder einen eigenen Käfig haben, da auch die größte Zimmervoliere im Bedarfsfalle keine ausreichende Rückzugsmöglichkeit bietet. Daraus könnte dann erheblicher Stress und im ungünstigsten Fall sogar echtre Aggression entstehen...."
Ich selbst mag mir kein Urteil im Hinblick darauf erlauben, ob Ziegensittiche Kontaktvögel sind oder nicht: erstens hielt ich Springsittiche (wobei die im Verhalten eigentlich nur geringe Unterschiede zu den Ziegen aufweisen), zweitens war es ein gleichgeschlechtliches Paar: zwar stimmte die Beobachtung, das es zwischen beiden nur wenig Sozialverhalten gab, doch kann dies eben auch auf die Gleichgeschlechtlichkeit zurückgeführt werden und nicht auf ein Wesenmerkmal der Art.
Drittens schließlich habe ich sie in einer Gartenvoliere gehalten, insofern hatten sie Rückzugsmöglichkeiten, die aber meiner Beobachtung nach nicht sehr wahrgenommen wurden.
Aber selbst wenn die These stimmt, das Ziegen- (oder auch Spring-)sittiche keine "Kontaktvögel" sind, darf daraus meines Erachtens keinesfalls der Schluß gezogen werden, das sie für eine Einzelhaltung "geeignet" sind.
Dagegen spricht schon alleine der Umstand, das sie im Freileben eben doch im Schwarm leben. Und wenn es bei ihnen auch nicht um einen "Kuschelpartner" geht, so ist dies doch auch nur eine Funktion des Partnervogels: eine andere mag bspw. sein, das ein Artgenosse Reize bietet, Ablenkung schafft und vor Langeweile bewahrt. Er mag auch einmal zum Objekt von Aggressionen werden, die der Vogel sonst eventuell gegen sich selbst richtet. Auch dies erscheint mir natürliuch und ist ist selbst bei harmonisierenden Paaren anderer Papageienarten manchmal der Fall.
Das Verhalten eines Papageis ist nicht auf sein Sozialverhalten, erst recht nicht im Sinne eines "Kuschelnverhaltens", zu reduzieren und will man im Sinne einer artgemäßen Haltung es dem Vogel ermöglichen, seine natürlichen Verhaltensweisen zu zeigen, so bedarf es dazu bei einem im Schwarm lebenden Vogel immer zumindest eines Partners.
Im Vergleich zu Wellis und Agas erscheinen oft auch Nymphen weniger als "Kontaktvögel" - soll man deshalb jetzt auch die Einzelhaltung von Nymphen für vertretbar halten? Wo soll da noch die Grenze gezogen werden, ab wann ist ein Vogel so kontaktfreudig, das eine Einzelhaltung nicht mehr gerechtfertigt werden kann?
Wenn die These, das Ziegensittiche keine Kontaktvögel sind, in der von Ruth Mossner geschilderten Art und Weise stimmt
(ich hoffe da sehr auf Berichte über eigene Beobachtungen!), so wäre daraus der einzige für mich erlaubte Schluß, das Ziegensittiche eventuell nicht für eine Wohnzimmerhaltung geeignet sind, weil sie zu große
Volieren benötigen - niemals jedoch darf daraus eine Rechtfertigung für die Einzelhaltung gezogen werden!