Lieber Eric,
die Bremse bei HBS wird alleine schon dann gezogen, wenn man die Winterfütterung einstellen würde.
Die entfleuchten Pelztiere aus N-Amerika und Sibirien sind nicht fahrlässig sondern von Tierschützern willkürlich befreit worden. Sie hatten Mitleid mit den Tieren aber nicht mit unseren Ökosystemen. Niemand hat Mitleid mit Ökosystemen. Die Landschaft sähe ganz anders aus, wenn das irgendwer hätte, der an Stellschrauben sitzt. Die Problematik würde sich überhaupt nicht ergeben mit den Neobiota, wären die Biotope intakt.
Und Eric, Dein Plädojee für die Begrenzung des HBS durch Abschuss ist nur Augenwischerei. Der Sittich fällt nur auf. Der schadet nicht, sondern ärgert nur Kleingärtner. Die Probleme liegen, wie gesagt, ganz woanders. Du unterstellst außerdem, dass ich behaupte, man solle den Dingen ihren Lauf lassen. Dem ist gar nicht so. Genau gelesen ist es einfach so, dass die Tiere sich ausbreiten, wie und warum auch immer, und jetzt sind sie eben da. Alles andere Regelt das Gesetz: Wer absichtlich oder fahrlässig Tiere freisetzt, bekommt es mit dem Tier- und Naturschutzgesetz zu tun. Denn man tut den Tieren keinen Gefallen. Die meisten sterben unter Not. Versehentlich kommen auch Tiere frei. Als Einzelexemplare haben sie nur sehr kurzen Bestand. Der HBS ist mit Hilfe der Menschen eine expansive Art und bald ein Kosmopolit. Man kann mal hinterfragen, ob es nicht dieser recht schlichte Vogel ist, der den Menschen benutzt, wie Sperling, Taube, Star, Ratte ... . Dieser Gedanke findet aber auf einer anderen Ebene statt.
Und jetzt wieder einmal den Blick auf die heimische Natur. Wie viele Arten sind verschwunden? Wie viele sind gefährdet? Was ist willkürlich und fahrlässig ins Ungleichgewicht geraten? Es gab Zeiten, da haben die Menschen für Vielfalt gesorgt. Das ist gesund. Heute wird gegen Vielfalt angekämpft.
Da wird gegen Halsbandsittiche polemisiert, sie gehörten hier nicht hin. Sie gehören genausowenig hier hin wie Douglasien und Roteichen, welche forstwirtschaftlich angebaut werden sowie Robinien oder was sonst in Parks angepflanzt wird. Die Goldrute, drüsiges Springkraut, Herkulesstaude, sie alle sind bereits Bestandteil unserer Landschaft. Sie sind wesentlich problematischer als HBS. Nun sind sie da und wir müssen damit leben. Es stellt sich eine neue Ordnung ein, darauf können wir vertrauen. Ob wir die herstellen können, ist höchst fraglich. Die Zeit zurückdrehen geht nicht, nur Schadensbegrenzung, sodass nicht noch mehr entfleucht, was nicht hier hin gehört.
Der Tierschutzbund will jetzt in Deutschland die Exotenhaltung verbieten. Gut, damit wäre die Gefahr der Freisetzung fremdländischer Arten vermindert. Wenn sie aber aus anderen Europäischen Ländern einwandern, sind sie einheimisch! Nach dem Naturschutzgesetz! Was soll also dieser ganze Unsinn? Im Ausland schert man sich einen Dreck um diese ganze Problematik von Faunen- und Florenverfälschung oder Landschaftsschutz. Genauso wie hier. Was zählt ist, was bringt das ein? Womit kann man Geld verdienen oder sparen? Und: Was bringt Spaß? Das ist das einzige Problem heute. Bei jedem Einzelnen.
Das Einzige, was helfen würde, ist ein ganzheitliches Naturverständnis. Die erste Aussage in diesem Sinne ist, dass jede Landschaft eine Individualität darstellt. Sie ist in ihren Eigenheiten und Besonderheiten zu schützen. Das versteht keiner. Deswegen werden alle Organismen, die irgendwelches Interesse bei Menschen wecken, auf der ganzen Welt verbreitet. Die Besonderheiten von Landschaften werden verwischt oder eliminiert.
Dein Beispiel Agakröte: Sie wurde von Unkundigen als Versuch nach Australien gebracht, um einen Schädling in einem dem Land fremden Biotop "Zuckerrohrplantage" zu bekämpfen. Dummer weise können Agakröten nicht klettern und auch nicht in Zuckerrohstängel hinein kriechen. Sie hat aber Hunger und frisst eben alles, was sich bewegt und ins Maul passt. Außerdem hat sie das Glück, giftig zu sein, sodass Australische Regulatoren, wie Schlangen und Krokodile nichts ausrichten können. Beim HBS in Europa ist das anders.
Dein Beispiel Kaninchen: Es wurde aus Südspanien in Mitteleuropa eingeführt. Alleine hätte es sich nicht nach ME ausbreiten können. Hier stört das die Ökosysteme wenig. In Australien hat man vorher dafür gesorgt, dass es keine Regulatoren gibt. Man hat sie eliminiert! Man hat die Kaninchen rein aus Freude am Ballern ausgesetzt. Jetzt hat man ein Problem. Das versucht man nun mit Füchsen! in den Griff zu bekommen. Die Füchse haben Hunger und fressen alles, was sie ergreifen können. Dummer weise sind die Australischen Beueltiere nicht so gewievt, wie die Kaninchen und sterben sukzessive aus. Du siehst, man hatte bereits die Landschaft geschädigt, und dann hat man völlig kurzsichtig gehandelt.
So geschieht es weiterhin. Mit Eucalyptus in allerlei Ländern, denen man nicht mehr Herr wird, und und und. Der HBS stellt hier kein Problem dar, dagegen aber auf Mauricius, wo er ein direkter Konkurrent des Echosittichs ist. Dort ist er überflüssiger weise eingebürgert worden.
Nachdem also schon alles ins Chaos gestürzt ist, kann man zynisch sagen: In einer Mio. Jahren, sofern die Menschheit nicht weiter chaotisiert, stellt sich eine ganz neue Ordnung ein.
Also, mein ganzes langes Gerede hat zum Ende folgende Aussage: Es gibt Wichtigeres, als Halsbandsittiche abzuschießen! Da kann man leicht mit dem Verbot einer Winterfütterung abhelfen. Umdenken ist angesagt, nicht Symptombehandlung!
Grüße, Al