Wie oft soll ich denn noch die Kernpunkte der Wesentlichkeit eines angepaßten Tag-Nacht-Rhythmus (und darauf zwangsläufig abgestimmter Hell-Dunkel-Zeiten) und die Einflüsse der Belichtung auf die "Körperchemie" – aus der sich exakt diese Wertigkeit ergibt - darlegen? Gerade die Abklärung derartiger Zusammenhänge erfordert/e längerfristig angelegte Beobachtungen, Analysen, Studien und die Kenntnisse dazu basieren auf längerfristig angelegten Beobachtungen, Analysen und Studien.
Ebenso selbstverständlich ist es, daß bei tierexperimentellen Arbeiten (und das gilt natürlich nicht nur für Arbeiten zu o. g. Thematik) zum Einfluß der Belichtungszeiten auf Blutzucker- und Hormonspiegel, die Exemplare des jeweiligen Untersuchungskollektivs nicht mit die zu untersuchenden Parameter beispielsweise unterschiedlich beeinflussenden Futtermitteln versorgt werden. Die hierzu geäußerte Annahme läßt ein Verständnis der Grundlagen und Voraussetzungen derartiger Versuchsreihen vermissen. Ein solcher "Versuchsaufbau" würde lediglich dann Sinn machen, wenn im Rahmen der Untersuchung einer (oder mehrer) "Vergleichsgruppen" gleichzeitig die Beprobung möglicher Einflüsse hinsichtlich Verstärkung und/oder Abmilderung von Belichtungszeit-Effekten durch Veränderung eines (oder mehrer) vorher exakt zu definierender Parameter/s angestrebt ist.
Die betreffende Studie hatte das vorrangige Ziel, den Einfluß unterschiedlich langer Belichtungszeiten auf exakt meßbare körperchemische und hormonelle Parameter bei einem hinreichend großen Untersuchungskollektiv einer (Papageien)Art zu untersuchen. Das ist geschehen. Die Ergebnisse liegen vor. Einflüsse sind vorhanden. Vernünftige Zweifel an der Tauglichkeit des Versuchaufbaus sind weder angebracht noch begründbar. Die Ergebnisse korrelieren mit ähnlichen Versuchsreihen mit/an anderen Vogelarten.
Weder die verfügbaren Studien noch deren Ergebnisse sind - wie hier widersinniger Weise angedeutet - rein theoretischer Natur. Änderungen (verschiedenster) endogener Parameter durch exogene Einflüsse (hier: verschiedene Belichtungszeiten) bleiben nie ohne "praktische" Auswirkung auf die physische und/oder psychische Konstitution (und damit auch auf das "Verhalten") eines Lebewesens; wobei ich mir im speziellen Fall detailliertere Ausführungen zu neben den Lichtzeiten ebenfalls beeinflussenden Lichtintensitäten (Lichtstärken) und Lichtspektren erspare.
Klar ist die 12:12-Stunden-Faustregel nur ein (wenn auch sehr vernünftig gewählter) Anhaltswert. Klar gibt es (je nach Herkunftsort einer Art) mehr oder minder stark ausgeprägte Abweichungen in den Hell-Dunkel-Zeiten. Äquatornah (und hier sind die meisten der gehaltenen Papageien "heimisch") sind die jahres- und tageszeitlichen Schwankungen nur gering (1). U. a. daraus – und aus der Berücksichtigung der hinlänglich gesicherten Erkenntnisse zum negativen Einfluß zu langer oder zu kurzer Belichtungszeiten – resultiert die in den derzeit geltenden "Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien" (BMELV) gewählte Formulierung: "Die tägliche Beleuchtung soll 12 Stunden betragen, aber auch nicht überschreiten, der Tag-Nacht-Rhythmus ist einzuhalten."
(1)
Mit zunehmendem Abstand zum Äquator nimmt das Gewicht der (für die Melatonin-Produktion verantwortlichen) Zirbeldrüse im Verhältnis zum Körpergewicht zu (Krstic, R. (1986): Pineal calcefication: Ist mechanism and significance, J. Neurl. Transm. Suppl. 21, 415-432).
Man sollte diese faktisch untermauerten (handfesten) Befunde vernünftiger Weise nicht ignorieren.
Man sollte sich auch darüber im Klaren sein (bzw. darüber "in`s Klare kommen"), daß sichtbar werdende physische und/oder psychische Auffälligkeiten zwar oft nicht unmittelbar mit Belichtungszeiten, Lichtspektren und Intensitäten in Verbindung gesetzt werden, es bei genauerer Analyse jedoch durchaus sein können.
Andrea Juppien in ihren "Statistische(n) Erhebungen zum Auftreten von Verhaltensstörungen bei Großpapageien in Menschenobhut" (Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt Verlag, Bretten, S. 88 ) zu möglichen Zusammenhängen des "Eigenrupfens" mit inadäquaten Belichtungszeiten und Lichtspektren: "Aus dem ersten breitgestreuten Feldertest mit dem dazugehörigen Chi-Quadrat-Wert wird deutlich, daß es bei dieser Fragestellung tatsächlich einen signifikanten Hinweis gibt. (...) Tiere, die an Standorten gehalten werden, die der natürlich vorherrschenden Helligkeit identisch sind, zeigen demnach eindeutig seltener das Rupfverhalten (...)".
Juppien abschließend zu Kapitel 5.1.15: "Die Wirkung von Licht und Sonne auf alle Lebewesen ist bekannt und für jeden nachvollziehbar." Nachdem hier Auswirkungen von zu viel oder zu wenig "Licht und Sonne" offenbar nicht so recht ernstgenommen werden, könnte man an der Aussage von Juppien, daß dies "für jeden nachvollziehbar" sein müßte, erhebliche Zweifel hegen.
Auf die Ergebnisse der Studie von Rachel Schmid (2004) habe ich bereits mehrfach hingewiesen. Auch diese Studie zeigt klare Bezüge zwischen unangemessener Belichtungszeit und Auffälligkeiten des Verhaltens. So zeigten Graupapageien, die entweder zu kurzen Lichtzeiten (9 – 11 Stunden) oder zu langen Lichtzeiten (> 15 Stunden) ausgesetzt waren ein deutlich aggressiveres Verhalten als Graupapageien, die im Mittel bei zwölf Stunden Lichtzeit gehalten wurden. Jenkins (1999) – ebenfalls bereits zitiert und Quelle benannt – kommt ebenfalls zu dem Schluß, daß eine von mehreren möglichen Kausalitäten für das Federrupfen in aus unangepaßten Belichtungszeiten resultierendem Melatoninmangel zu sehen ist.
Natürlich hat die Belichtung sowohl im Freileben als unter Haltungsumständen (neben anderen) auch Einflüsse auf das Fortpflanzungsverhalten. "(...) zu- oder abnehmende Belichtungsdauer (...) wirken über die gesamte Körperoberfläche des Tieres und die darin eingelagerten Sinnesorgane, wie dem Auge, und die Thermorezeptoren auf den Organismus ein (...) beeinflussen auf diese Weise den gesamten Stoffwechsel und lösen durch Reize auf das zentrale Nervensystem entsprechende Reaktionen im neuroendokrinen System aus." (Aeckerlein, W. (1986): Die Ernährung des Vogels, Stuttgart)
"Man kann (...) davon ausgehen, daß sich fast alle Verhaltensweisen als tagesperiodisch beeinflusst erweisen werden, wenn diese nur über eine hinreichend lange Zeit zu verschiedenen Tageszeiten quantitativ erfasst werden." (Franck, D. (1997): Verhaltensbiologie, 3. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, S. 35)
Die Tagesperiodik hat zwar immer (auch) eine endogene Konstante. Man sollte jedoch nicht durch überzogene und völlig unangemessene Änderungen "von Außen" (exogene Faktoren) die endogene Konstante (landläufig: die "innere Uhr") aus dem Gleichgewicht bringen. Die unmittelbare Beeinflußbarkeit der Zirbeldrüse ist zudem bei Vögeln generell sehr ausgeprägt, was sich aus deren Physiognomie ergibt. Gordon Taylor: "Bei Vögeln ist die Schädeldecke so dünn, dass Licht, obwohl das dritte Auge verschwunden ist, die Zirbeldrüse beeinflusst, die unter der Schädeldecke liegt." (Taylor, G. (1983): Das Geheimnis der Evolution, Fischer Verlag, Frankfurt, S. 134) Bei Säugern ist die Zirbeldrüse selbst nicht lichtempfindlich – bei Vögeln erfolgt hingegen eine direkte Beeinflussung durch Außenlicht.
Es ist schon reichlich paradox: Statt der vernünftig begründbaren Tatsache zuzustimmen, daß angepaßte (an den biologischen Gegebenheiten der Art/en orientierte) Belichtungszeiten dem Wohl der Gefiederten zuträglich sind, wird (ohne vernünftig nachvollziehbare Begründung) daran gezweifelt, daß unangepaßte Belichtungszeiten dem Wohl der Gefiederten in dieser oder jener Weise abträglich sein können.
"Day length is detected by the pineal gland (...) The pineal gland is an endocrine organ producing a hormone called melatonin that has many effects such as influencing reproductive cycles, the immune system, sleep patterns (...).There is also evidence that melatonin controls reproductive hormonal cycles (...). Melatonin production only occurs (...) in darkness (...)."
"Die Tageslänge wird innerhalb der Hypophyse (Hirnanhangdrüse / Zirbeldrüse) registriert. Die Zirbeldrüse ist ein endokrines Organ, welches Melatonin freisetzt. Melatonin zeitigt viele Effekte - wie die Beeinflussung von Fortpflanzungszyklen, Auswirkungen auf das Immunsystem, die Schlaf-Muster (...) Melatonin "kontrolliert" nachweislich die hormonellen Aspekte der Fortpflanzungszyklen (...). Die "Melatonin-Produktion" findet ausschließlich bei Dunkelheit statt."
Clubb, S. L. T. Caceci, G. Malcolm & A. Dutton (1999): Day Light Robbery, Veterinary Histology, The Birdcare Magazine
(Ironie an) Es ist zu empfehlen, auch die völlig unmaßgeblichen und aus der praktischen klinischen Erfahrung resultierenden Ratschläge vogelkundiger Fachtierärztinnen/Fachtierärzte möglichst zu ignorieren, weil selbige auf dem wackligen Fundament wissenschaftlich zweifelhafter Studien beruhen. (Ironie aus)
Eine kleine Auswahl derart unfundierter Ratschläge:
"Maßnahmen bei unterdrückten Verhaltensweisen beinhalten insbesondere eine (...) Wiedereinführung einer Tag-Nacht- und Jahreszeit-Periodik."
"Mangelhafte Brutpflege: (...) Dämmerungsphase morgens und abends einhalten (...)"
Kaleta, E. F. & M.-E. Krautwald-Junghanns (2003): Kompendium der Ziervogelkrankheiten, 2. überarbeitete Auflage, Schlütersche GmbH & Co. KG, Hannover, S. 44, 45
Gruß
Heidrun