Hallo Stefan!
Du wirfst ein paar sehr gute Punkte auf.
Weisst du vielleicht auch, wie die Zulassung von Medikamenten für Tiere geregelt ist? Darf man für Tiere (die nicht zum Verzehr produziert werden) pauschal alle Medikamente einsetzen, die für Menschen gedacht sind, oder gibt es da eine 'Zulassungsliste'?
Da bin ich mir nicht ganz sicher, aber es erscheint mir, von dem was ich weiss ein wenig gemischt zu sein.
Schlachttiere natürlich ausgenommen, denn das wird i.d.T. strenger gehandhabt.
Zum einen gibt es wenige papageien-spezifische Medikamente, da die Tiere zum einen zu teuer sind für Studien mit eier statistisch relevanten ANzahl von TIeren und zum anderen, es nicht genug "kunden" gibt, die der Pharmaindustrie diese Ausgabe schmackhaft machen könnte.
So sind denn auch viele Medikamente, die man gängig für Papageien einsetzt laut Angaben auf der Packung eher für andere Tiere zugelassen. Ich würde also mutmassen, dass eine Zulassung für Tiere, im Grunde genommen dann für alle Tiere gilt.
Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass Arzneimittel für Tiere einer Zulassung bedürfen, da esin den USA Mittel und Impfstoffe für Papageien gibt, die auf dem deutschen Markt nicht zugelassen sind.
zB Polyoma-Impfstoff. Denn könnte ich in USA besorgen, müsste ihn dann aber nach Deutschland schmuggeln. Würde meine TA meine Tiere damit impfen und sie würde erwischt werden, dann könnte sie ihre Lizenz verlieren. In dem Fall weiss ich es ganz genau, da ich dies mal gründlichst recherchiert hatte.
Ich mutmasse, dass Polyoma-Impfstoff in Deutschland in keiner Form zugelassen ist und es deswegen nicht geht.
Denn, und hier kommen wir zu den Humanpräparaten, Arzneimittel, die für Menschen zugelassen sind, aber nicht für Tiere werden oft für Papageien angewandt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele TAs riskieren sich strafbar zu machen, also müsste es zulässig sein.
Fazit: man kann Arzneimittel für Papageien verwenden so lange sie in irgendeiner Form in D zugelassen sind.
DIES IST JEDOCH MUTMASSUNG MEINERSEITS! Falls jemand hierzu genaueres weiss, würde mich das sehr interessieren.
In diesem Zusammenhang, ich finde dies greift ineinander, wie wenig TIere medizinisch geschützt sind, möchte ich kurz die Tierheilkunde erwähnen. Diese ist in D überhaupt nicht geschützt. Bei der Naturheilkunde für Menschen, muss man eine staatliche Prüfung ablegen.
Bei Tieren ist das nicht nötig. Jeder Hinz- und Kunz darf sich ein Schild an die Wand nageln, dass er oder sie Tierheilpraktiker ist. Dass dies der Qualität des Berufs nicht zuträglich ist, kann man sich denken. Deshalb begegnen einem immer wieder "Tierheilpraktiker", die eigentlich nur Quacksalber genannt werden können.
Also ist äusserste Vorsicht geboten.
>Sicher. Aber... die Wirkung von Psychopharmaka läßt sich nicht nur am Verhalten ablesen - sondern am Gefühlsleben des Patienten.
Das sich aber in aller Regel im Verhalten äussert. Man muss halt den Patienten, ob Mensch oder Tier sehr genau beobachten. Denn auch menschliche Patienten können oder wollen nicht immer reden.
>Insofern finde ich begeisterte Berichte aus den USA von Haldol-Medikationen ('behaves like a _normal_ parrot!!!') nichtssagend.
So eine Aussage finde ich auch erschreckend. Denn ein Vogel auf Haldol benimmt sich nicht "like a normal parrot". Aber das sind oft Berichte von Haltern, die zu unwissend, oder zu faul sind, sich vernünftig mit der Problematik auseinander zu setzen.
Wenn Du auf manche US Mailinglisten gehst, kannst Du sehen, dass die Halter, und Profis dort sich durchaus differenzierter mit der Materie auseinander setzen.
Im übrigen, ist das kein US-Phänomen. Die Anfragen, die ich manchmal bekomme, zeigen sehr stark, dass auch in D Halter die schnelle, mühelose Lösung suchen und empört sind, wenn man ihnen diese nicht aufzeigen kann oder möchte.
>Wenn sich ein Patient unter Psychopharmakla nicht mehr umbringen möchte, heisst das nicht, dass er das Leben mit Psychopharmaka lebenswerter findet als ohne.
Natürlich nicht. Aber in solchen Fällen, muss man erstmal die gröbste Gefahr beseitigen, ehe man mit der oft langwierigen und nicht unbedingt vom Erfolg gekrönten Therapie beginnen kann.
Wenn jemand einen offenen Bruch hat, versuche ich zuerst eine extreme Blutung zu stillen, damit er überlebt, ehe ich das Bein richte.
Ein Papagei kann dir halt nur nicht sagen "he, das will ich nicht. Ich fühle mich besser, wenn ich krankhaft schreie und mich kahl rupfe!".
Leider kann man in ihre Köpfe nicht reinschauen. Deshalb kann man nur alles richten so gut man es weiss. Und wenn man nicht mehr weiter weiss, ist es durchaus einen Versuch wert. Gerade bei Rupfern tappt man oft im Dunkeln. Dieses Thema könnte man stunden- und tagelang erörtern.
Psychopharmaka statt gründlicher Diagnose (Rupfen kann unzählige Ursachen haben), Therapie und Optimierung der Haltungsbedingungen sind abzulehnen. Aber in Zusammenhang mit diesen Punkten können sie eine durchaus geeignete Massnahme innerhalb des Gesamtkonzeptes sein.
Sinnvoll wären Psychopharmaka bei Tieren für mich allenfalls, wenn ein Tier damit kurz-/mittelfristig behandelt wird, während der Behandlung mit der Selbstverstümmelung aufhört, und nach Ende der Behandlung damit auch nicht wieder anfängt.
Rhetorische Frage: und wenn Du alles getan hättest, und das Tier hört mit der Selbstverstümmelung nicht auf? Was würdest Du dann machen? Tatsächlich das Haldol absetzen und das Tier sich selbst verstümmeln lassen? Oder es euthanasieren?
Ich weiss nicht, ob ich das könnte, und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es das Richtige wäre.
Als Nikita auf Haldol war hat sie zum ersten Mal ihre unsägliche Angst/Verkrampfung/Nervosität gelöst. Das Tier, das nur durch intensives Training dazu gebracht werden konnte sich überhaupt zu bewegen, einen Ast hinunterzulaufen, oder irgend etwas anderes als sich selbst zu zerfleddern, ging auf einmal auf Erkundungstour durch die Wohnung.
Sie war ausgiebig gegen alles getestet worden, hatte einen Partner bekommen und Platz, und bekam ihre Flügel nicht mehr gestutzt. Wir wussten nicht mehr weiter, so haben wir es gemacht und es hat geholfen.
Später, nach ihrem Tod bei der Obduktion, erfuhren wir, dass sie an einer sehr seltenen Krankheit litt und ihr Lungengewebe sich auflöste. Dadurch versagten die anderen Organe. Aber dies ist eine Krankheit, die am lebenden Vogel nicht diagnostiziert werden kann. Hätte man dies gewusst, hätte man sie vielleicht eingeschläfert. Ich weiss es nicht.
Aber mit dem Wissen, das ich zu dem Zeitpunkt hatte – würde ich es vermutlich in so einem Fall wieder tun. Es hat ihr geholfen und hat sie wieder am Leben teilnehmen lassen, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum war.
Oder anders gesagt: diese Behandlung nützt oft nicht dem Patienten, sondern dem Pflegepersonal, das dann weniger Stress und Arbeit hat :-/
Jain. Es gibt genug Patienten, die nicht in geschlossenen Anstalten leben und trotzdem Psychopharmaka nehmen. Freiwillig. Man sollte bei so etwas nicht pauschal über andere urteilen. Ja natürlich gibt es die Möglichkeit des Missbrauchs, oder einfach der Unterlassung. Man schaue sich nur die unzähligen Kinder an, die derzeit mit ADS diagnostiziert und medikamentös behandelt werden. Für mich ist dies in dieser Menge eine suspekte Diagnose.
Aber oft ist es auch so, dass der Patient sich dem Schmerz einfach nicht stellen kann. Er benötigt etwas zur Überbrückung damit er anschliessend scheibchenweise, seine Therapie durchführen kann. Und dann gibt es natürlich auch die organisch bedingten Krankheiten, die nur durch eine Therapie überhaupt nicht in den Griff bekommen werden könne.
Sagst Du einer Frau, deren zwei Geschwister sich bereits umgebracht haben, dass sie ihre Depression selbst in den Griff bekommen soll, und dass es Faulheit sei Psychopharmaka zu nehmen?
In der Psychiatrie gibt es solche Abgründe des Leidens, dass ich es vermessen finde zu urteilen und auch zu generalisieren. Um wirklich helfen zu können musst Du jedes Individuum als Einzelfall sehen und behandeln. Es ist doch auch bei „normalen“ Menschen nicht anders. Jeder hat unterschiedliche Schmerz- und Leidensgrenzen. Was der eine noch locker wegsteckt, bringt jemand anderen an den Rand eines Zusammenbruchs.
Und wenn ich so jemandem mit Hilfsmitteln helfen kann dies zu überstehen (sei es Prozac, oder mildere Mittel, wobei ich hier durchaus Bachblüten, Johanniskraut, Baldrian und Co mit dazu zählen würde), dann sehe ich darin nichts Verwerfliches.
Oh je dies ist jetzt furchtbar lang geworden, aber es ist m.E. ein wichtiges und leider viel zu oft falsch verstandenes Thema.
LG,
Ann.