Hallo Ivan
Mit der saisonalen Fütterung bin ich ganz deiner Meinung. Die Vögel in der Freiheit zeigen uns dies ja sehr deutlich. Ich füttere auch ganz nach der Jahreszeit und das seit Jahrzehnten. Wenn ich von abwechslungsreicher Ernährung spreche, so meine ich damit nicht, dass man alles auf einmal geben muss. Das war wohl sehr missverständlich. Insofern liegen wir sicherlich ganz auf der selben Linie, nur gibt es leider sprachlich manchmal Probleme, die man dann in der weiteren Diskussion abklären sollte.
Ich stimme dir auch von ganzem Herzen zu über die zu reichliche Nahrung der Käfigvögel. Vögel brauchen auch etwas magere Zeiten, so wie wir eigentlich auch. Dann wären manche dicken Bäuche auch bei uns verschwunden und wir wären gesünder!
Ich bin zwar inzwischen ein "alter Knabe", aber das heißt nicht, dass ich alte Zöpfe nicht abschneiden will. Ganz im Gegenteil habe ich immerzu versucht, neue Wege zu suchen und auch zu finden. Manchmal kommt man jedoch bei einer solchen Suche wieder auf etwas, das man als Neu betrachtet und dann stellt sich heraus, dass dieses vermeintlich Neue eine ganz alte Sache ist, die unsere Großeltern schon geschätzt haben. Ich spreche jetzt nicht unbedingt nur von der Vogelzucht, sondern allgemein. Einen sogenannten "alten Zopf" nenne ich etwas, das man nur deshalb tut, weil "man" es schon immer so getan hat. Dafür bin ich absolut nicht zu haben. Aber alte Zöpfe zu untersuchen, das ist durchaus etwas, das mich reizt. Ich habe auch gegen alte Zöpfe nicht grundsätzlich ein Vorurteil, sondern hinterfrage ständig. Altes behalte ich, wenn es sich als gut und brauchbar zeigt, wenn nicht, werfe ich es weg.
Bei der Futterfrage sind allerdings auch noch ganz andere Dinge zu berücksichtigen. Zum Beispiel gibt es Tierarten, die sich sehr einseitig ernähren (siehe den Panda-Bären) und trotzdem gut und richtig ernährt sind. Ihr Organismus ist ganz auf diese einseitige Kost abgestellt. Andere Tiere wiederum brauchen unbedingt eine vielseitige Kost. Um wieder auf die Goulds zu kommen: Sie sind mit relativ einseitiger Ernährung sehr zufrieden, mausern gut durch und sind gesund und farbenprächtig. Und brüten sogar mit einer nicht sehr abwechslungsreichen Kost sehr gut. Allerdings würde ich nicht nur Hirse füttern, das erscheint mir dann doch viel zu einseitig und insbesondere fehlen dann viele Vitamine, die in trockenen Körner nicht vorhanden sind. Selbst wenn sie in Freiheit fast nur hirseartige Samen fressen, so nehmen sie diese in allen Reifestadien auf und das ist dann eine sehr gute Abwechslung. Denn unreife Samen haben viel mehr Vitamine und auch viele andere Bestandteile sind anders bei ausgereiften Samen.
Bei Kanarien ist die Frage nach der Abwechslung wieder anders. Diese Vögel brauchen sicherlich mehr Abwechslung. Und dann kommt ferner noch dazu, dass so ein einseitiges Futter langweilig ist, selbst wenn es vom wissenschaftlichen Standpunkt alles enthält. Wenn man den wilden Kanarienvogel einmal beobachtet - oder den in Nordeuropa heimischen Girlitz, der ja nur eine geographische Variante des Kanariengirlitz ist - dann sehen wir sehr wohl, dass diese Vögel sehr vielseitige Nahrung aufnehmen. Diese Dinge sollten uns eigentlich leiten und uns Hinweise geben.
Viele Vögel - und besonders solche, die sich als Käfigvögel als geeignet zeigten - haben eine große Bandbreite von Nahrungsmitteln, die sie verdauen und verarbeiten können. Ein Vogel, der sich von Natur aus sehr einseitig ernährt, wird sich nur dann als Käfigvogel eignen, wenn diese einseitige Nahrung auch im Käfig gegeben werden kann. Dies trifft wohl für die Goulds zu, ebenso für viele andere Vögel, z.B. das Japanische Mövchen. Sollte dieses Futter aus irgendwelchen Gründen einmal nicht mehr zu beschaffen sein, dann sehe ich schwarz für einen weiteren Bestand solcher Käfigvögel. Bei Kanarien trifft zu, dass sie sehr vielseitig sind. Deshalb hätten sie, falls ein Bestandteil ihrer Nahrung nicht mehr zu beschaffen wäre, eine weitaus größere Chance zu überleben als die Goulds zum Beispiel.
Schönen Gruß
Werner