Zahmheit des Kanarienvogels
Moin Pia
Ich weiß nicht so recht, womit ich zuerst anfangen soll ...
Zur Einzelhaltung:
Selbst wenn Du einen Kanarenhahn als Einzeltier halten würdest (darüber kann man m. E. wirklich nur bei dieser Ziervogelart fundiert streiten - wegen ihres mit Ausnahme der Brutzeit ausgeprägten Einzelgängertums), wirst Du einen Kanarienvogel nur äußerst selten zahm bekommen.
Er wird sicher niemals so "zutraulich" werden, wie ein den Partner vermissender Wellensittich oder Papagei, der den Menschen schnell als Partnerersatz akzeptiert. Mag sein, dass der eine oder andere Kanari auf den Finger kommt, wenn ihm da sein Lieblingsspeise (z.B. rote Kolbenhirse, Apfel, Schlangengurke,...) angeboten wird oder auch, dass er auf dem Kopf seines Besitzers landet (Dominierungsgeste), ... richtig zahm (z.B. zum Kraulen hingehaltenes Köpfchen) wird er ebenso wenig werden, wie er "sprechen" lernen kann.
Exoten sind auf Dauer in Einzelhaltung nicht überlebensfähig. Sie brauchen den "Schmusekontakt" zum artgleichen Partner so dringend wie "ordentliches" Futter.
Zum Gesangsproblem:
Ein Kanarienhahn singt meiner Erfahrung nach nicht nur, um seiner Partnerin zu imponieren oder Konkurrenten "niederzuringen", sondern in Einzelhaltung auch lauthals ohne diese "Lebensbedingungen", vermutlich aus reiner Lebensfreude, weil er sich wohlfühlt. Will ich meinen Kanarienhahn zum Singen bringen, reicht einfaches Telefonieren in seiner Gegenwart oder (todsicher) das Einlaufenlassen des Badewassers (dann überschägt er sich vor Eifer, das laute Geplätscher zu übertönen - ich wohn auf 46 qm). Das gleiche gilt für den Bluessänger Tom Waits. Den kann er wohl nicht leiden. Selbst bei mehr als halber Lautstärke der Stereoanlage gibt er dem wirklich stimmgewaltigen Mann keine Chance. Auch ein Sonnenbad am Südfenster auf seinem Lieblingszweig beim Freiflug führt immer zum "Erfolg".
Gibt er bei all diesen Gegebenheiten keinen Laut von sich, dann ist er entweder in der Mauser oder ernsthaft krank.
Dein Hahn muss sich vielleicht erst noch an die neuen Lebensbedingungen gewöhnen. Ein Monat am gleichen Standplatz hätte dafür aber eigentlich schon ausreichen sollen.
Am besten, Du probierst es erst einmal mit einem helleren Standplatz, an dem nicht zu viel "Publikumsverkehr" herrscht. Auch die pralle Sonne solltest Du natürlich vermeiden.
Natürlich braucht er zum Erlernen seines Liedes auch ein Vorbild. Normalerweise erlernt er das durch Nachsingen von seinem Vater oder den "Onkels".
Daher habe ich für das Trainiglager mit dem Hahn Deiner Mutter gestimmt. Zwar bedeutet das, wie Marina sagt, Stress für ihn und auch den alten Hahn (s.o.), den Einsatz der "Harzer Roller CD" halte ich aber für "gefährlich", wenn es sich nicht um einen solchen Vogel handelt. Die einzig mir bekannte im Handel verfügbare CD mit Kanariengesang (im Dezember bei amazon bestellt; zur Zeit nicht verfügbar...) beinhaltet den Gesang des Harzer Rollers, einer Kanarienart, die nur wegen dieses viel leiseren und erheblich komplizierteren (vielfältigeren) Liedchens über einen sehr langen Zeitraum gezüchtet wurde.
Aber vielleicht kann mir wegen der Kanarenstimmen auf CD ja jemand anderes weiterhelfen?
Spielst Du Deinem Hahn das "Harzer Roller Stück" vor, holt er sich bestimmt den totalen Frust, weil seine Stimmorgane zu diesem Gesang einfach gar nicht fähig sind. Harzer Roller sind im Handel aber ganz selten. Deshalb hast Du wahrscheinlich keinen. Ich habe in 20 Jahren Kanarienhaltung erst ein einziges Mal ein Exemplar im Zoohandel bewundern dürfen.
Mein Hahn Fritz (Farbkanari - gelb) ist wohl etwas zu früh zu mir gekommen, was zur leider zur Folge hat, dass er jetzt nicht nur den Silberschnäbelchenbalzgesang (eingebaut zu Beginn seines eigenen Liedchens) erlernt hat, sondern es dummerweise nicht mehr ertragen kann, wenn Vater Silberschnabel sich um seine Frau "kümmert". Während des "Vorspiels" singt er dabei natürlich. Auch dürfen die Babys der Familie Silberschnäbelchen ihm nach dem Ausfliegen buchstäblich auf dem Kopf herumtanzen, sobald sie jedoch den Männergesang erlernen, betrachtet er sie (genau wie der Vater) als Konkurrenten und jagt sie gnadenlos. Da die beiden Arten bei mir zusammen problemlos in einer Zimmervoliere brüten (Silberschnäbelchen wegen der beständigen Temperaturen und vor allem Lichtverhältnisse ganzjährig, Kanarien ab Januar bis September 3 Bruten) gibt es dann sehr schnell Platzprobleme. Die beiden Kanrienhennen kämpfen um den Kerl (jagen ihn sogar, wenn noch nicht will - was allerdings selten vorkommt) und müssen dann getrennt werden, womit, zusammen mit dem selbständig gewordenen Exotennachwuchs die Zimmervoliere Nr. 2 befüllt wäre.
Voliere Nr. 3 wird von 4 Wellis bewohnt und damit ist die Hütte auch schon voll...
Daher mein Rat:
Warte ab, ob es sich bei Deinem Vogel um einen Kerl handelt (die Mutter meiner meisten Kanarienkinder singt fast so wie ein Hahn und sollte im Zoohandel auch als Hahn verkauft werden), gönn ihm dann EINE Partnerin und beschränke Dich vor allem auf eine Vogelart, wenn Du kein Haus bewohnst und morgens mehr als eine Stunde früher aufstehen willst!!!
Ansonsten - viel Spass mit Deinem Tier, vor allem bei der ungeheuer spannenden Aufzucht...