alfriedro
Wildfang
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Liebe Vogelfreunde, ich mache mal wieder einen Versuch. Es ist ja nicht das erste mal hier im Forum, glaube ich, dass man sich Gedanken über die Zukunft von Haltung und Zucht der exotischen Vögel machen kann und sollte.
Verschiedene Gedanken dazu möchte ich gerne mal ansprechen, hier mit Euch, und Fragen klären, die mir immer dringlicher erscheinen. Denn ich habe in meiner "Karriere" als Vogelliebhaber doch signifikante Veränderungen in Punkto Avikultur wahrnehmen können, weiß sie aber nicht recht einzuordnen.
In der "Gefiederten Welt" kann man ganz aktuell den Trend wahrnehmen, zumindest kommt mir das so vor, dass Vogelhaltung und Zucht zu einem Nischendasein zusammenschmilzt, dass die Bestände in den Volieren anscheinend immer kleiner werden, dass die Zuchtziele immer mehr auf die Vermehrung und Kreation neuer Mutationen setzen und immer weniger auf die Erhaltung der Geschöpfe, die uns die Natur beschert hat. Darüber wurde hier schon trefflich diskutiert.
Im Editorial der GW hat Dietmar Schmidt den Vorsitzenden des VZE, Herrn Dr. Günther zitiert, der auf seiner Rede zum 60-jährigen Bestehen des Vereins Stellung bezog zur Tradition der Vogelhaltung, zur Vogelhaltung als Kulturgut und insbesondere als Notwendigkeit in der heutigen Zeit um die Menschen daran zu erinnern, dass wir Menschen Teil der Lebensgemeinschaft auf unserem Planet sind. Gewiss kann man sich auch ohne Vogelhaltung als Naturliebhaber fühlen und die Natur mit all den Tieren dort suchen, wo sie ist. Also wäre das für mich eine erste Frage, ob Vogelhaltung und Zucht ein Beitrag zum Naturschutz und für die Naturkunde nützlich ist.
In einem weiteren Artikel der seit Jahren immer magerer werdenden Fachzeitung für Vogelliebhaber und Ornithologen kann man in einem Beitrag über die Gründung eines neuen Grassittich-Projekts entnehmen, dass sich die Meldungen der Nachzuchten von 3 Grassitticharten allein bei der AZ von 2010 bis 2012 halbiert, beim Feinsittich sogar auf 10% verringert hat. Ob es an der Vereinspolitik liegt oder einem allgemeinen Trend nicht mehr zu deklarieren oder gar nicht mehr zu halten, lässt der Artikel offen.
Das Grassittich-Projekt setzt vor allem auf die Erhaltung der Wildformen, wofür sich ja vor einigen Jahren eigens eine Initiative bildete, um Interessenten der Erhaltung der einzelnen Vogelarten als Wildformen zusammen zu führen. Das Interesse an einer Beteiligung war sehr verhalten und ist schließlich eingeschlafen. Ein zentrales Zuchtregister z.B. für Gouldamadinen wurde begonnen und wird anscheinend nicht (?) weitergeführt, weil die Kommunikation nicht recht in gang kam, weil das Interesse an einer Zusammenarbeit von Vereinen und Verbänden nicht recht aufkommen will. Ich bin gespannt auf den neuen Vorstoß für den Erhalt der Grassittiche. Wäre also meine zweite Frage: Wie bekommt man die Interessenten an der Erhaltung einer Vogelart in ihrer ursprünglichen Erscheinung zu einer institutionalisierten und semiprofessionellen Erhaltungszucht zusammen an einen Tisch? Wie kann der Austausch gefördert werden auch ohne zwangsweise Mitglied in einem Verein oder Verband zu werden? Ist es überhaupt sinnvoll nicht in einem Verein aktiv zu sein?
Die Kultivare der Vogelzucht werden in Ausstellungen präsentiert und prämiert. Der züchterische Ehrgeiz und der mit der Schaffung neuer Farben oder Formen verbundenen "kleinen Aufwandsentschädigung" geht verstärkt in diese Richtung. Meine dritte Frage: Die große Nachkommenschaft der nicht nachzuchttauglichen Exemplare - wo verbleiben sie? Denn der Zoohandel - zumindest in meinem Aktionsbereich - setzt immer weniger Vögel ab und halten fast nur noch die stark domestizierten Arten in ihren Beständen.
Von einigen älteren Herren, die sich der Vogelhaltung verschrieben haben, bekam ich berichtet, dass die lokalen Vereine immer weniger werden und sich auch immer weniger Nachwuchs Interesse an Vogelhaltung und am Austausch von Erfahrungen zeigt. Noch so eine Frage: Findet das Vereinsleben jetzt in den Foren statt?
Vogelhaltung und Zucht ist in den letzten Jahren immer wissenschaftlicher geworden. Dank der Erfahrungen der Halter und Züchter, dank der immer besser werdenden Erkenntnisse aus Naturbeobachtungen und auch der gezielten Forschung über Ernährung hat sich die Vogelhaltung verbessert, immer mehr heikle Arten lassen sich vermehren und erhalten. Auf Naturentnahmen, so die Hoffnung, kann man beizeiten verzichten, das ist eine Annahme von mir. Ich behaupte, dass man durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Tieren, auch andere als Vögel, ein tieferes Verständnis über verborgene Zusammenhänge in der Natur erlangt. Ist jetzt mal wieder eine Frage: In welchem Umfang fließen diese Erkenntnisse in die allgemeine Naturkunde ein?
Meistens ist die Beschäftigung der Menschen mit den Tieren mit einem Nützlichkeitsaspekt verbunden. In der Landwirtschaft wird vor allem Energie in die Steigerung von Leistungsfähigkeit gesteckt. Worin liegt die Nützlichkeit bei der Haltung und Zucht exotischer Vögel, wenn diese ketzerische Frage erlaubt ist? Hat die Vogelhaltung einen sozialen, pädagogischen oder therapeutischen Aspekt auf ganz bestimmte Gruppen? Welche Rolle spielt sie dann in der heutigen Zeit der Rationalisierung aller Lebensbereiche? Wenn darin ein positiver Sinn zu finden ist, wie kommt es, dass die Beteiligung einer solchen Kulturform rückläufig ist? Liegt der Grund in einer vermeintlichen Egoisierung der Menschen in der heutigen Zeit? Das heißt zuweilen Abgrenzung vom Anderen, Hervorheben der eigenen besonderen Qualitäten um jeden Preis, Streben nach Gewinn oder Renommee. Oder kriegen die Jungen - Verzeihung - den Arsch nicht hoch? Oder ist ein Vogelhalter schrullig, altertümlich und zu belächeln?
Letzte Frage: Ist es den Tieren nicht eigentlich egal, was wir Menschen wollen und nicht viel wichtiger, was sie selber wollen? Darin versteckt sich jetzt die Naturschützerrethorik, die teils berechtigt, teils romantisierend die Tierhaltung im Allgemeinen und die Vogelhaltung im Besonderen bekämpfen will. Wie muss Vogelhaltung und Zucht in Zukunft gestaltet werden, wenn sie diesem ethischen Grundsatzaspekt gerecht werden will und auch muss? Auf einem für mich anschaulichen Pfad ist der VZE gegangen, der Ausstellungen gestaltet, in denen Tiere in einem natürlichen Umfeld präsentiert werden und der Standards für eine ethisch vertretbare Haltung der Tiere erarbeitet.
Bitte bitte, seid mir nicht böse über soooooo viel Text. Seid fleißig und antwortet bitte bitte auf die vieeeelen Fragen. Es würde mich schon sehr freuen, wenn das Interesse an diesen grundlegenden Fragen zu einem ernsthaften gesellschaftlichen Disput würde. Denn ich bin der Meinung, dass die Vogelhaltung und Zucht ein wertvolles Kulturgut ist, egal jetzt ob mit Schauzucht oder Erhaltung der Wildformen, denn beides sollte selbstverständlich mit großem Gewissen betrieben werden.
Grüße, Al
Verschiedene Gedanken dazu möchte ich gerne mal ansprechen, hier mit Euch, und Fragen klären, die mir immer dringlicher erscheinen. Denn ich habe in meiner "Karriere" als Vogelliebhaber doch signifikante Veränderungen in Punkto Avikultur wahrnehmen können, weiß sie aber nicht recht einzuordnen.
In der "Gefiederten Welt" kann man ganz aktuell den Trend wahrnehmen, zumindest kommt mir das so vor, dass Vogelhaltung und Zucht zu einem Nischendasein zusammenschmilzt, dass die Bestände in den Volieren anscheinend immer kleiner werden, dass die Zuchtziele immer mehr auf die Vermehrung und Kreation neuer Mutationen setzen und immer weniger auf die Erhaltung der Geschöpfe, die uns die Natur beschert hat. Darüber wurde hier schon trefflich diskutiert.
Im Editorial der GW hat Dietmar Schmidt den Vorsitzenden des VZE, Herrn Dr. Günther zitiert, der auf seiner Rede zum 60-jährigen Bestehen des Vereins Stellung bezog zur Tradition der Vogelhaltung, zur Vogelhaltung als Kulturgut und insbesondere als Notwendigkeit in der heutigen Zeit um die Menschen daran zu erinnern, dass wir Menschen Teil der Lebensgemeinschaft auf unserem Planet sind. Gewiss kann man sich auch ohne Vogelhaltung als Naturliebhaber fühlen und die Natur mit all den Tieren dort suchen, wo sie ist. Also wäre das für mich eine erste Frage, ob Vogelhaltung und Zucht ein Beitrag zum Naturschutz und für die Naturkunde nützlich ist.
In einem weiteren Artikel der seit Jahren immer magerer werdenden Fachzeitung für Vogelliebhaber und Ornithologen kann man in einem Beitrag über die Gründung eines neuen Grassittich-Projekts entnehmen, dass sich die Meldungen der Nachzuchten von 3 Grassitticharten allein bei der AZ von 2010 bis 2012 halbiert, beim Feinsittich sogar auf 10% verringert hat. Ob es an der Vereinspolitik liegt oder einem allgemeinen Trend nicht mehr zu deklarieren oder gar nicht mehr zu halten, lässt der Artikel offen.
Das Grassittich-Projekt setzt vor allem auf die Erhaltung der Wildformen, wofür sich ja vor einigen Jahren eigens eine Initiative bildete, um Interessenten der Erhaltung der einzelnen Vogelarten als Wildformen zusammen zu führen. Das Interesse an einer Beteiligung war sehr verhalten und ist schließlich eingeschlafen. Ein zentrales Zuchtregister z.B. für Gouldamadinen wurde begonnen und wird anscheinend nicht (?) weitergeführt, weil die Kommunikation nicht recht in gang kam, weil das Interesse an einer Zusammenarbeit von Vereinen und Verbänden nicht recht aufkommen will. Ich bin gespannt auf den neuen Vorstoß für den Erhalt der Grassittiche. Wäre also meine zweite Frage: Wie bekommt man die Interessenten an der Erhaltung einer Vogelart in ihrer ursprünglichen Erscheinung zu einer institutionalisierten und semiprofessionellen Erhaltungszucht zusammen an einen Tisch? Wie kann der Austausch gefördert werden auch ohne zwangsweise Mitglied in einem Verein oder Verband zu werden? Ist es überhaupt sinnvoll nicht in einem Verein aktiv zu sein?
Die Kultivare der Vogelzucht werden in Ausstellungen präsentiert und prämiert. Der züchterische Ehrgeiz und der mit der Schaffung neuer Farben oder Formen verbundenen "kleinen Aufwandsentschädigung" geht verstärkt in diese Richtung. Meine dritte Frage: Die große Nachkommenschaft der nicht nachzuchttauglichen Exemplare - wo verbleiben sie? Denn der Zoohandel - zumindest in meinem Aktionsbereich - setzt immer weniger Vögel ab und halten fast nur noch die stark domestizierten Arten in ihren Beständen.
Von einigen älteren Herren, die sich der Vogelhaltung verschrieben haben, bekam ich berichtet, dass die lokalen Vereine immer weniger werden und sich auch immer weniger Nachwuchs Interesse an Vogelhaltung und am Austausch von Erfahrungen zeigt. Noch so eine Frage: Findet das Vereinsleben jetzt in den Foren statt?
Vogelhaltung und Zucht ist in den letzten Jahren immer wissenschaftlicher geworden. Dank der Erfahrungen der Halter und Züchter, dank der immer besser werdenden Erkenntnisse aus Naturbeobachtungen und auch der gezielten Forschung über Ernährung hat sich die Vogelhaltung verbessert, immer mehr heikle Arten lassen sich vermehren und erhalten. Auf Naturentnahmen, so die Hoffnung, kann man beizeiten verzichten, das ist eine Annahme von mir. Ich behaupte, dass man durch die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Tieren, auch andere als Vögel, ein tieferes Verständnis über verborgene Zusammenhänge in der Natur erlangt. Ist jetzt mal wieder eine Frage: In welchem Umfang fließen diese Erkenntnisse in die allgemeine Naturkunde ein?
Meistens ist die Beschäftigung der Menschen mit den Tieren mit einem Nützlichkeitsaspekt verbunden. In der Landwirtschaft wird vor allem Energie in die Steigerung von Leistungsfähigkeit gesteckt. Worin liegt die Nützlichkeit bei der Haltung und Zucht exotischer Vögel, wenn diese ketzerische Frage erlaubt ist? Hat die Vogelhaltung einen sozialen, pädagogischen oder therapeutischen Aspekt auf ganz bestimmte Gruppen? Welche Rolle spielt sie dann in der heutigen Zeit der Rationalisierung aller Lebensbereiche? Wenn darin ein positiver Sinn zu finden ist, wie kommt es, dass die Beteiligung einer solchen Kulturform rückläufig ist? Liegt der Grund in einer vermeintlichen Egoisierung der Menschen in der heutigen Zeit? Das heißt zuweilen Abgrenzung vom Anderen, Hervorheben der eigenen besonderen Qualitäten um jeden Preis, Streben nach Gewinn oder Renommee. Oder kriegen die Jungen - Verzeihung - den Arsch nicht hoch? Oder ist ein Vogelhalter schrullig, altertümlich und zu belächeln?
Letzte Frage: Ist es den Tieren nicht eigentlich egal, was wir Menschen wollen und nicht viel wichtiger, was sie selber wollen? Darin versteckt sich jetzt die Naturschützerrethorik, die teils berechtigt, teils romantisierend die Tierhaltung im Allgemeinen und die Vogelhaltung im Besonderen bekämpfen will. Wie muss Vogelhaltung und Zucht in Zukunft gestaltet werden, wenn sie diesem ethischen Grundsatzaspekt gerecht werden will und auch muss? Auf einem für mich anschaulichen Pfad ist der VZE gegangen, der Ausstellungen gestaltet, in denen Tiere in einem natürlichen Umfeld präsentiert werden und der Standards für eine ethisch vertretbare Haltung der Tiere erarbeitet.
Bitte bitte, seid mir nicht böse über soooooo viel Text. Seid fleißig und antwortet bitte bitte auf die vieeeelen Fragen. Es würde mich schon sehr freuen, wenn das Interesse an diesen grundlegenden Fragen zu einem ernsthaften gesellschaftlichen Disput würde. Denn ich bin der Meinung, dass die Vogelhaltung und Zucht ein wertvolles Kulturgut ist, egal jetzt ob mit Schauzucht oder Erhaltung der Wildformen, denn beides sollte selbstverständlich mit großem Gewissen betrieben werden.
Grüße, Al