silleef schrieb:
wie alt ist die "modeerscheinung" HZ- seit wann wird diese aufzuchtmethode praktiziert?
Genau weiß ich das ehrlich gesagt nicht, aber ca. 20 Jahre dürften es wohl sein, wo der Trend der kommerziellen
Handaufzucht langsam ins Rollen kam und seither stetig gewachsen ist.
Vielleicht kann jemand anderes dazu auch noch genaueres sagen
.
Nothandaufzuchten wurden sicher auch schon früher versucht und sind meiner Meinung nach ja auch absolut legitim.
Im Kreuzverhör steht hier ja nur die unnötige
Handaufzucht aus kommerziellen Gründen.
Raven schrieb:
Klar können aus Teilhandaufzuchten halbwegs normale Papageien werden, wenn sie beim Halter Vögel sein dürfen und nicht zu auf den Menschen fixierten Kuscheltieren gemacht werden. Dennoch wird ihnen im Vergleich zur Naturbrut etwas fehlen, nämlich das, was ihre Vogeleltern ihnen in der Zeit bis zur Futterfestigkeit normalerweise beigebracht hätten. Nur fällt das so nicht auf. Würde man eine HZ in eine Gruppe von NB hineinbringen, würde sie wohl allerhand nachsitzen müssen, bis sie genauso reagiert wie die NB und sich mit ihnen 100% verständigen kann.
Ein Mensch kann zwar eine NB zähmen, aber ein Mensch kann einer HZ kein Papageienverhalten beibringen!
Dass durfte ich bei meinen eigenen Mohrenkopfpapageien auch beobachten und kann ich daher nur bestätigen.
Meine Henne ist eine Teilhandaufzucht, mein Hahn ein Abgabetier und ehemaliger Wildfang, also quasi auch eine Naturbrut
.
Unsere Henne hatte anfänglich viel weniger arteigene Töne drauf, was mir aber erst bewusst wurde, das ihr Hahn Robby hier einzog. Ich war echt erstaunt, welch Vielfalt er doch an Tönen draufhatte, so richtiges Junglefeeling kam da auf
.
Mit der Zeit hat seine Henne viele dieser Laute ebenfalls in ihr Repertoire aufgenommen, hat sie also von ihm nachträglich erlernt.
Ich denke daher, dass durch die
Handaufzucht den Tieren auch einige natürliche Lautäußerungen durchaus verloren gehen können, sie also ihre eigene Sprache zum Teil verlieren :(.
Vielleicht kommt es auch daher bei
Handaufzuchten leichter zu Missverständnissen mit ihren Artgenossen, wenn sie verkuppelt werden sollen, vor allem, wenn sie zu sehr auf Mensch getrimmt wurden.
Gleiches dürfte z.B. auch für das Dominanzverhalten usw. gelten. Junge Vögel werden durch ihre Eltern oder Schwarmmitglieder auch schon mal zurechtgestutzt, wenn sie zu übermütig sind. Sie lernen daher, dass es nicht immer nach ihrer Nase geht, dass man gewisse Regeln einhalten muss und dass ein eigener Schnabelhieb auch eine Rückantwort des Gegenüber nach sich ziehen kann.
Handaufzuchten konnten dies meist nicht so gut erlernen und reagieren daher vielleicht auch zu ungestühm, was das Kennenlernen zweier Papageien anfänglich sicher auch manchmal etwas schwieriger machen kann. Sie haben halt evtl. keine Papageien-Benimmregeln im vollen Maße erlernt.
Handaufzuchten neigen ja auch uns Menschen gegenüber leichter dazu, richtig herzhaft zuzuwicken, weil ihnen auch vor uns Menschen die natürliche Hemmschwelle fehlt.
silleef schrieb:
kennt jemand ein paar HZ, welches erfolgreich jungtiere aufgezogen hat?
Es gibt schon einige
Handaufzuchtspaare, die selbst erfolgreich Junge großziehen. Es wäre gelogen, was anderes zu behaupten.
Im Gegenzug gibt es auch Naturbruten, wo es doch Probleme bei der Aufzucht gibt.
Allgemein kann man aber schon sagen, dass Naturbruten die zuverlässigeren Zuchttiere sind. Aus diesem Grund suchen die meisten Züchter auch Naturbruten oder ehemalige Wildfänge, wenn sie Zuchttiere suchen.
Problem ist halt nur, dass durch das Importverbot zum Glück keine Wildfänge mehr eingeführt werden und gleichzeitig von den Züchtern überwiegend
Handaufzuchten produziert werden.
Ich kenne einige Züchter, die daher jetzt schon arge Probleme hatten, überhaupt entsprechende Tiere aus Naturbrut zu finden und die Lage dürfte sich sicher künftig noch verschärfen.
So gesehen, schießen sich die Züchter mit der kommerziellen
Handaufzucht gerade auch ein Eigentor, aber vermutlich wird es noch ein wenig dauern, bis das vielen wirklich bewusst wird
.
Annabell schrieb:
Begrüßenswert wäre bei uns ein Gesetz wie in Österreich, die kommerzielle
Handaufzuchten verbietet!
Das würde ich mir auch wünschen
. Vermutlich würde erst dann der
Handaufzuchtsboom wirklich gestoppt.
Es ist einfach unnatürlich, Lebewesen den Eltern zu entreißen und sie mit Ersatznahrung hochzuziehen, die nie die Qualität haben kann, wie die natürlich vorgesehene Fütterung durch die Eltern.
Als Vergleich braucht man nur an die gute Muttermilch bei uns Menschen denken, die nach wie vor immer noch das Beste fürs heranwachsende Kind ist.
Ähnlich ist es halt auch mit der Kropfmilch, die ebenfalls wichtige Enzyme und Abwehrstoffe für den Jungvogel enthält. Kunstfutter kann da nicht wirklich mithalten, was langfristig auch Folgen für das Immunsystem haben kann.
Wenn man mal ganz sachlich die ganzen Vor- und Nachteile der
Handaufzucht denen der Naturbrut entgegenstellt, wird eigentlich schnell deutlich, was letztendlich fürs Tier aber auch für uns selbst als Halter besser ist.
Klar gibt es auch unkomplizierte
Handaufzuchten, die ihren Pflegern viel Freude bereiten und die nicht wirklich verhaltensgestört sind. Ich denke ich selbst habe auch solche Exemplare hier sitzen, die ich auch um nichts mehr in der Welt missen möchte.
Es kommt aber gerade bei
Handaufzuchten ganz besonders auf das Feingefühl des Halters an, wie viel menschliche Zuneigung gut tut oder schadet. Viele tun sich da aber schwer und verhätscheln doch zu stark.
Auch die Haltungsbedingungen (Paarhaltung von klein auf, große
Voliere usw.) spielt da sicher mit eine große Rolle.
Aber mal Hand aufs Herz, die meisten Käufer wollen doch einen Schmusevogel der möglichst super quasselt und so ist es quasi logisch, dass eher einen
Handaufzucht angeschafft wird, die vom Züchter auch meist als unkompliziert angepriesen wird.
Dementsprechend werden die Vögel auch vom Menschen meist behandelt und total verhätschelt und in ein Rolle gesteckt, die nicht wirklich artgerecht ist.
Anfänglich geht das meist noch gut, bis dann nach Eintreten der Geschlechtsreife doch oft Probleme auftauchen, weil die Vögel schon zu sehr auf Mensch gebogen wurden. Wir können hier doch oft genug lesen, was dann daraus wird, dass Familienmitglieder von
Handaufzuchten gebissen werden, geschrien wird, sich Tiere nicht so einfach verpaaren lassen usw. und wie schwierig es ist, das wieder in den Griff zu bekommen :(.
Graupapageien sind halt keine Schmusetiere, für die sie fälschlicher Weise gehalten und angepriesen werden. Es wird ein Bild mit der
Handaufzucht suggeriert, was einfach falsch ist und Käufer viel leichter dazu animiert, sich so ein "Kuschelvogel" ins Haus zu holen.
Papageien sind auch revierbezogene Tiere, die ihren Partner brauchen und daher stellen sie auch gewisse Ansprüche. Wenn der Vogel dies dann später einfordert, ist das Gejammer groß und man ist enttäuscht, dass es doch nicht so einfach klappt mit dem Schmusevogel, den man eigentlich wollte.
Vielleicht würden viele Interessenten auch anders entscheiden, wenn es nur Naturbruten gäbe und das selber Zähmen wie früher nach wie vor ganz normal wäre.
Es gibt halt auch viele Halter, die sich zwar für fertig zahmen Papageien entscheiden, die im Normalfall aber eigentlich viel zu viel Respekt/Angst vor den großen Schnäbeln haben und sich unter anderen Umständen vielleicht gar keinen Papagei zutrauen würden, wenn es nur Naturbruten gäbe, wodurch einige evtl. ungeeignete Halter auch ausselektiert würden, die mit doch aufmüpfigen
Handaufzuchten nachher doch nicht wirklich klar kommen.
Es ist daher auch mit die Schuld der
Handaufzucht-Züchter, die dem Käufer oft halt ein falsches Bild vermitteln und nicht ehrlich über die Bedürfnisse aufklären.
Auch viele Käufer gehen zu uninformiert an die Sache ran, da bedarft es noch einige Aufklärung, aber auch die Informationsquellen lassen manchmal zu wünschen übrig.
Als ich meine ersten zwei Papageien bekam, hatte ich leider noch kein Internet, wir waren da Spätzünder was das WWW angeht
und in den Büchern, welche ich vor dem Kauf schon besorgt und gelesen hatte, wurde die Problematik leider gar nicht angesprochen :(.
So kam es halt, dass Teilhandaufzuchten hier einzogen.
Ich würde mir daher auch wünschen dass auch in den diversen Büchern rund um die Papageienhaltung viel mehr darauf eingegangen würde.