Hallo Charly!
Also könnte mir jemand näheres zu dem Wesen der verschiedenen Amazonenarten sagen?
Ich glaube nicht, dass es einen sehr großen Wesensunterschied zwischen den einzelnen Amazonen-
Arten gibt, sondern der ausschlaggebende Punkt wird sein (wie hier schon angesprochen), unter welchen Bedingungen die Amazonen ihre Baby-Zeit verbracht haben. Naturbruten sind von ihren Eltern aufgezogen und haben den Vorteil, dass sie die Amazonen-Sprache beherrschen und sich daher wahrscheinlich besser mit einem zweiten Artgenossen verstehen werden als eine
Handaufzucht, die, wie der Name sagt, ihre Kinderstube allein aus Menschenhand kennt. Wie soll eine Amazone, die nichts anderes erlebt hat als Menschen um sich herum, plötzlich mit einem Artgenossen, den man ihm irgendwann dazusetzt in seinen Käfig, als neuer Bezugsperson klarkommen? Da halte ich Tweetys Einwand für gerechtfertigt.
Handaufzuchten sind beliebt (gerade bei Amazonen-Anfängern), weil sie einem ein Stück Annäherung abnehmen, dadurch dass sie ja grundsätzlich an Menschen gewöhnt sind und sie nicht als "Feinde" betrachten. Aber sie haben eben oft auch den Nachteil, dass sie sich zu sehr an den Menschen binden, oft um Aufmerksamkeit buhlen und ganz schön nerven können, wenn ihr Mensch nicht immer und überall parat steht. Manchmal mag es ja sehr süß sein, wenn einem der Kleine dauernd nachfliegt, aber wie soll er wissen, dass es dem Halter irgendwann mal reicht? Und ob sie später dann so ohne weiteres bereit sein werden, ihren Menschen mit einem zweiten Artgenossen zu teilen oder sich überhaupt für den neuen Freund zu interessieren, ist dann noch wieder eine andere Frage. Meiner Meinung nach sind Naturbruten besser als ihr Ruf. Auch sie werden zahm, haben aber den Vorteil, dass sie noch gelernt haben, was eine Amazone in ihrem natürlichen Sozialverband wissen muss. Solche Amazonen werden sich wahrscheinlich problemloser mit einem zweiten Artgenossen vergesellschaften lassen.
Was die einzelnen Amazonen-Arten angeht, so komme ich hier noch einmal darauf zurück. Es gibt sicherlich lautere und ruhigere Amazonen-Arten und solche, deren Gekreische ein bisschen angenehmer klingt. Und es gibt auch große und kleinere. Was für den Einzelnen in Frage kommt, hängt sicherlich von seinen persönlichen Wünschen ab. Da muss man sich ein bisschen umgucken und sondieren, was einem gefällt. Als Faustregel würde ich sagen: Je seltener die Art, desto schwieriger wird es, einen Partnervogel zu finden (allein finanziell).
Auch gibt es die formale Unterscheidung zwischen Amazonen, die unter Anhang A fallen, und den übrigen, die zu Anhang B gehören. Dass Amazonen behördlich angemeldet werden müssen, weißt du? Welche Anmelde-Art auf dich zukommt, hängt davon ab, zu welchem Angang dein zukünftiger Papagei gehört. Anhang A bezeichnet die Zugehörigkeit zum verschärften Naturschutz und benötigt eine Sondergenehmigung; unter Anhang B fallen alle übrigen Amazonen-Arten. Dies kann wichtig sein bei der Entscheinung für oder gegen eine angebotene Amazone. Der hohe Preis, die stabile Nachfrage und die Zugehörigkeit zum Anhang A können ein Indiz dafür sein, dass du dich gerade für eine "Rarität" entscheidest. Dabei kann es, wie gesagt, sehr schwierig werden, einen Partnervogel derselben Art nachzukaufen.
Beim Geschlecht bevorzuge ich persönlich die klassische Henne/Hahn-Kombination. Das entspricht zumindest dem Plan der Natur und kommt dem Wunsch der Vögel nach Partnerschaft, Schmusen und Sex nach, selbst wenn sich das Pärchen gar nicht zum Brüten entschließen sollte. Allerdings gibt es auch genug Beispiele von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die gut funktionieren. Man muss also nicht zwei Männer oder zwei Frauen extra auseinanderreißen, nur weil eine Amazonen-Ehe eigentlich anders zusammengesetzt ist, doch wenn man die Wahl hat als Halter, bevor man ein Pärchen zusammenstellt, dann sollte man meines Erachtens Henne und Hahn wählen. Und zwar möglichst so, dass sie gleichaltrig sind oder zumindest fast zur selben Zeit die Geschlechtsreife erreichen. Bei älteren, erwachensen Amazonen mag es keinen großen Unterschied darstellen, ob einer 7 Jahre alt ist und der andere 9 Jahre. Doch bei einem Amazonen-Kind kann es Stress bedeuten, wenn ihm ein bereits geschlechtsreifer Artgenosse vorgesetzt wird. Der will dann kopulieren, und das Baby ist angenervt. Dies ist besonders fatal in der Kombination Baby-Henne und balzender, erwachsener Hahn. Darauf sollte man also auch achten beim Kauf.
Das ist fürs Erste alles, was mir zu deinen Fragen einfällt. Ich hoffe, ich habe dich nicht abgeschreckt mit meinen Einwänden. Sie sollen dich nicht davon abhalten, dich für diese wundervollen Tiere zu entscheiden. Sie sollen nur das Bild von diesen Vögeln ein wenig abrunden und dazu beitragen, dass du mit realistischen Vorstellungen deine Entscheidungen treffen kannst. Manche Dinge werden kontrovers diskutiert, und daher ist es immer gut, sich verschiedene Meinungen anzuhören. Dies hier waren eben nur meine ganz persönlichen Ansichten.
Wenn du Bilder von den verschiedenen Amazonen-Arten suchst zum Vergleichen, versuch's doch mal mit dem Amazonen-
Poster. Da hast du alle Arten auf einen Blick. Das
Poster gibt's für ein paar Euro beim Futtermittel-Versand zum Bestellen.
Viele Grüße
Rinus.