Hallo ihr Mamas!
Wir sind jetzt in Évora. Das ist südöstlich von Lissabon. Wir sind doch nicht geflogen, weil Max gemeckert hat, dass er keine Lust hätte, die Bananen und die Cola-Dosen zu schleppen im Rucksack. Deswegen sind wir mit dem Bus gefahren, aber nicht umsonst oben drauf, sondern als zahlende Fahrgäste.
Dazu mussten wir mit der Fähre auf die andere Seite des Tejo übersetzen. Das ist vielleicht schön! Die Sonne glitzerte im Wasser, der Himmel war märchenblau, und wir haben auf der Reling gesessen und der Silhouette von Lissabon nachgeschaut. Ännchens Wok und der Hockeyschläger sind bis Sonntag noch immer im Schließfach aufbewahrt.
Wenn man auf der anderen Tejo-Seite aussteigt, nehmen die meisten Federlosen den Zug, der an die Algarve fährt. Wir wollten aber nicht, dass alles so schnell an uns vorüberfliegt, wir wollen uns was angucken unterwegs. Deswegen haben wir den Bus genommen.
Évora liegt in der Provinz Alentejo. Da ist nicht viel los. Drum herum ist bloß Landschaft mit Feldern und
Kork-Plantagen. Die lassen dort
Korkeichen wachsen, und alle paar Jahre schälen sie die Rinde ab und verkaufen sie in ganz Europa. Andere machen daraus Stöpsel für Weinflaschen oder Amazonenspielzeug für Beas Laden. Die sind ganz schön groß und alt, die Bäume, und wenn man sich überlegt, dass die nur in großen Abständen ihre Rinde hergeben können, dann hat man plötzlich viel Respekt vor dem
Kork und spricht in Zukunft immer erst ein Dankgebet, bevor man ihn zerschreddert.
Évora selbst ist ganz toll. Hier sind die Häuser weiß und haben enge Gassen dazwischen. Mitten in der Stadt stehen alte Säulen rum, so geriffelte Dinger wie in Griechenland oder Italien. „Antik“ nennt man das, glaube ich. Wir haben in unserem Reiseführer nachgeguckt, und dort steht geschrieben, dass es sich um die Reste des Diana-Tempels handelt. Er stammt aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. Die Säulen sind auf einem Podest befestigt, und dort latschen ganze Mannschaften federloser Touristen rüber, fotografieren alles, zeigen mit dem Finger in die Luft und tun so, als verstünden sie was von Antik-Architektur. Wir haben uns natürlich auch ein bisschen gewundert, wie so was Mittelmeerisches hierher kommt, hier in die staubige Provinz mitten in Portugal. Und dann haben wir noch mal gelesen und erfahren, dass die Stadt Évora von einem römischen Gastarbeiter gegründet wurde, und zwar auf den Überresten einer keltischen Siedlung. Der Römerregent Julius Cäsar hat Évora dann einfach umbenannt in „Liberalitas Julia“ (manche Leute machen so was – siehe Ännchen mit ihren wechselnden Namen!), und später wurde die Stadt dann Hauptstadt der Provinz Lusitania. „Lusitania“ hieß Portugal während der Besatzung durch die Römer. Das wusste ich aber vorher schon, weil das in den Asterix-Heften steht. Da sind die Lusitanier, also die späteren Portugiesen, mickrige Männeken mit puscheligem Schnauzbart, die bei der Sklavenarbeit im Wald immer ein Gedicht aufsagen wollen. Ach ja, und „Lusitânia“ heißt heute auch das große Segelschiff der Portugiesen. Es ist aber in Hamburg gebaut. Jawohl. Blohm & Voss.
Na, jedenfalls wissen wir jetzt, wie diese Antik-Säulen nach Évora kamen. Später haben hier die Westgoten gewohnt, dann die Mauren und schließlich die Portugiesen, nachdem sie die Moslems verjagt hatten. Die portugiesischen Könige hatten hier ihre Sommerresidenz. Die Reste kann man noch sehen. War sicher schön hier im Juli und August und verständlich für Herrn und Frau König, dass sie mit den Kindern in den großen Ferien aufs Land wollten. In Lissabon oder Porto (oder wo gerade der Hof residierte) war es sicher stickig und nicht angenehm mit dem ganzen Krach und dem Verkehr. Da ist Évora viel beschaulicher - noch heute und trotz der vielen Touristen.
Wir haben die Gelegenheit genutzt und Max noch mal schnell hinter unser Pappschild gestellt. Der Dicke hat zwar gezetert und „Ich will nicht!“ geschrien, aber Ännchen hat ihm eins auf den Hinterkopf gegeben und gesagt, wenn er nicht mitmacht, würden wir ihn auf eine dieser Diana-Säulen binden und 5 Euro nehmen von jedem, der ihn dort oben mit einer Apfelsine runterschießt. Da hat der Kleine den Bauch eingezogen und sich begrapschen lassen. Wir haben wieder ordentlich Kohle gescheffelt. Das muss man dem Max lassen: Als Streichelmodell macht er einen prima Job. Nur muss er sich noch abgewöhnen, bei der Arbeit „Ihhgittigitt“ zu brummeln. Das kommt bei deutschen Kunden nicht gut an.
Nach einer Stunde waren wir fertig. Max hatte Hunger, musste aber noch baden vorher wegen den zerzauselten Federn. Der Kleine war kurz vorm Heulen, deshalb wollten Ännchen und ich ihn nicht in den kalten Brunnen steigen lassen, sondern haben ein Hotel gesucht mit warmem Wasser aus der Dusche. Wir sind einfach losgeflogen und haben unterwegs in die Fenster geguckt, ob irgendwo was zu sehen war von einem Zimmer ohne Menschen, aber mit Waschbecken drin. So sehen nämlich immer die Hotelzimmer aus, denn in Privatwohnungen hat man keine Waschbecken neben dem Bett. Irgendwann rief Ännchen dann, sie hätte was Schönes gefunden. Das Fenster war nur angelehnt. Ich hab mich dort zuerst durchgequetscht, weil ich die Dünnste bin von uns dreien, dann folgte Ännchen, und zusammen haben wir das Fenster von innen zugeschlagen und aufgehebelt. Der Dicke hätte doch sonst nie durch den Spalt gepasst. (Siehste, Tante Azrael, für was alles das Üben an der Kanarienvoli gut ist!)
Wir hatten schon Angst, es würde jemand nachschauen kommen, was mit dem Feinster passiert sei, aber zum Glück blieb alles ruhig. Im Zimmer muss eine englische Familie gewohnt haben, denn überall lagen Chips-Tüten rum und T-Shirts und Käppis mit „Beckham“ drauf. Das Badezimmer war nebenan. Schön groß und mit viel Auswahl. Ännchen meinte, Max sollte sich in das niedrige Becken neben dem Klo setzen, da würde es nicht so spritzen von oben und man könne ein bisschen Badewasser einlaufen lassen, aber ich fand, das sah irgendwie suspekt aus. Wozu sollte diese Minibadewanne gut sein? Was soll man darin einweichen? Seine Socken und Schlüpfer? Bei uns sehen Waschmaschinen aber anders aus.
Wir haben Max schließlich in die Duschkabine gezerrt. Ännchen hat den Wasserhebel zur Seite geschoben und ich hab am Rand gesessen und aufgepasst, dass der Dicke nicht abhaute. Schade, dass wir das nicht fotografieren konnten. Aber Max und ich haben ja keinen Apparat und Ännchens liegt bei den Regenwürmern im Wald bei Alzenau, seit sie neulich vor Falco Habicht geflohen ist. Damit würden wir glatt einen Fotowettbewerb gewinnen. Titel: „Glückliche Amazone beim Spaßbaden“. Ha ha ha. Hinterher haben wir den Dicken mit einem dieser „Beckham“-T-Shirts abgewrummelt, haben einen Euro aufs Nachtschränkchen gelegt (als Beitrag zur Wasserrechnung) und sind aus dem Fenster wieder rausgeflogen.
Dann gab’s Picknick in einem kleinen, schattigen Park. Das Essen stammte aus dem Supermarkt: Käse-Sandwich, Honigmelone für Ännchen und Vanillepudding als Nachtisch für alle. Dazu Cola. Ein bisschen störend war nur, dass die ganze Zeit um uns herum allerlei Tauben und Spatzen standen und uns angierten. Max hat „Tsch...tttt - wollt ihr wohl!“ gerufen und in die Flügel geklatscht, so wie es Menschenmütter machen, wenn sie lästige Enten vom Kinderwagen verscheuchen. Prompt folgte Ärger. Ein humpelnder Tauberich kam zurückgewatschelt und hielt uns einen Vortrag über Portugal, die EG, die wirtschaftliche Benachteiligung und die - leider noch immer – zu spürende Arroganz gewisser Touristen aus Mitteleuropa. Da hat ihm Ännchen das Fläschchen Magenbitter von gestern Abend gegeben und versprochen, sofort nach der Ankunft zu Hause ein Sit-In zu veranstalten, um auf diese himmelschreiende Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Danach haben wir gesehen, dass wir wegkamen.
Ein paar alte Kirchen gab’s noch zu besichtigen, so schön hohe mit Zinnen und allerlei Tüdelkram an der Fassade. Gotisch, nicht? Innen kühl und hohl, und die Menschen marschieren in Gruppen durch und wagen nicht laut zu sprechen wegen der Pietät und so. Dabei ist die Akustik bombastisch, gerade in so alten Kästen. Wir haben’s ausprobiert: „Drö Ömözönön möt döm Kötröböss“ gesungen – zweistimmig (Max die falsche Stimme)! Aber da ist gleich so ein Kontroletti angerannt gekommen und hat uns rausgeworfen. Vielleicht meinte er aber auch nur das Ännchen und mich, weil wir doch als Frauen unbedeckt an der Schulter in einem Gotteshaus waren. Andererseits: Max hatte keine Hose an – und darüber regte sich keiner auf? Oder war das in Italien, wo man dafür an die Luft gesetzt wird?
Na, egal. Wir hatten genug Kultur gesehen. Und Max fing schon wieder an zu mosern von wegen Matchbox-Autos und wo man die hier kaufen könne, wir hätten uns ja schließlich auch in Lissabon Fußkettchen gegönnt. Mein Gott! Das ist doch was ganz anderes! Aber der Dicke hat Recht: Wir müssen uns ein bisschen beeilen, wenn wir noch an die Algarve wollen. Das Ännchen sagt, dort könnten wir endlich das Meer sehen, nicht nur den Tejo, sondern richtig mit Blau und Strand und Wolken und Wellen. Darauf freuen wir uns schon.
Nachher fahren wir mit dem Bus weiter nach Süden, und zwar in die Provinzhauptstadt Beja. Dort wollen wir zu Abend essen und übernachten. Im Reiseführer schreiben sie von einem ganz alten Kastell, das es dort noch geben soll. 1272 mit einem Bergfried aus Marmor versehen. Den soll man noch begucken können und auch draufsteigen über eine Wendeltreppe, 192 Stufen hoch. Ich glaube, wir werden dann lieber hinauf fliegen, sonst kriegt der Eierkopf noch O-Beine. Von dort aus hat man bestimmt eine furchtbar herrliche Aussicht über die Landschaft. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Morgen früh wollen wir mit dem Bus an die Algarve fahren. Man kommt von Norden her durch die Serra de Monchique. Da gibt es Berge, rote Erde, die aussieht wie Äthiopien, aber gut fruchtbar ist. Dort wachsen nämlich viele Orangen- und Zitronenbäume. Vielleicht hält der Busfahrer unterwegs an einer Haltestelle, dann kann das Ännchen mal raushuschen und gucken, ob in der Nähe Weintrauben oder Oliven hängen. Der Max und ich mögen ja so ein Zeugs nicht, aber Ännchen ist ganz wild darauf. Für Orangen ist es bestimmt noch zu früh. Die wachsen doch im Winter, nicht wahr?
Liebe Mamas Rinus und Sonja, wir finden es ganz toll, dass ihr uns jetzt erlaubt, unseren Urlaub so richtig schön zu genießen. Ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen. Wir passen gut auf. Und morgen melden wir uns wieder, sobald wir ein Internet-Café gefunden haben.
Viele, viele Grüße und Küsse eure
Mia, Max und Ännchen