Zitat Alfriedro
Aber wir Menschen übernehmen eine hohe Verantwortung. Das wirft eine Menge neuer ethischer Fragen auf, z.B. kann man Bourkesittiche – Pennantsittiche – Graupapageien überhaupt privat halten, in einer Wohnung? Erfordert die Vogelhaltung von uns einen gehörigen Schritt des Entgegenkommens? Verlangt sie Verzicht auf Lebensgewohnheiten, die die derzeitige Kulturstufe unserer Gesellschaft mit sich bringen? Oder aber Verzicht auf einen Teil unserer Wohnung, oder aber Investitionen wie für eine Familie? So ist es.
Was treibt einen Menschen dazu, Tiere züchterisch so zu verändern, dass ihre Organe nicht mehr ihren Zweck erfüllen können. Ich denke da an das Bespiel vom Kanarienvogel, dessen Federn in alle Richtungen stehen, nicht mehr wärmen und ihn am Fliegen behindern.
Ich glaube auch, dass nur wenige Vogelhalter verstehen was jemandem an solchen Züchtungen wie Positurkanarien gefallen kann, eigentlich sind das Karikaturen von Vögeln. Vermutlich ist es die Freude daran, selbst mal ein wenig Schöpfer zu spielen, wobei vergessen wird daß es sich hier um leidensfähige Lebewesen handelt, und nicht etwa um Blüten einer neuen Blumenzüchtung, wo man dies durchaus verstehen und akzeptieren kann. Allerdings muß man sich bei der Betrachtung der Vogelhaltung und Zucht darüber im Klaren sein, welche enorme Spannweite sie umfaßt. Zu nennen wären hier die exotischen und heimischen Kleinvögel, Papageien und Sittiche, domestizierte Vögel wie Hausgeflügel und Tauben, Greifvögel und die Erhaltungszuchten von bedrohten Vogelarten in Zoos, Vogelparks oder bei privaten Haltern mit dem nötigen Kleingeld. Die Motive und Zuchtziele sind so unterschiedlich wie die Vogelarten: Erhaltung von bedrohten Hausgeflügelrassen, Neuland betreten etwa mit der Haltung von Kolibris im eigenen Gewächshaus oder von Eisvögeln im großen Freigehege, die Zucht von Mutationen oder eines speziellen Körperbaus nach bestimmten Richtlinien und deren Bewertung auf Ausstellungen. Mir selbst als Papageienhalter und Züchter, der die inneren Werte seiner Schützlinge schätzt ist es wenig verständlich, wieso Vögel rein nach Äußerlichkeiten beurteilt werden können, zumal bei der Zucht nach diesen Kriterien die Gesundheit und Vitalität der Tiere oft auf der Strecke bleibt. Trotzdem gibt natürlich auch Argumente dafür (sie sind nicht von mir, ich fand sie neulich in den AZ-Nachrichten die jetzt umgetauft wurden in „Vögel ferner und europäischer Länder“), denn die Natur macht es ja vor: etwa der Pfau oder die Paradiesvögel die eine Menge an auf den ersten Blick höchst überflüssigen und hinderlichen Federschmuck mit sich herumtragen (hier ironisch mit dem Wort „Qualzucht“ belegt). Irgendwo gibt es aber hier sicher eine Grenze, die man nicht überschreiten sollte, z.B. wenn Vögel auf Ammenaufzucht angewiesen sind um sich überhaupt noch vermehren zu können oder wenn sie selbst unter optimalen Bedingungen in freier Natur nicht mehr überlebensfähig wären (z.B. weil die Augen weitgehend mit Federn verdeckt sind oder die Flugfähigkeit stark eingeschränkt ist).
Ich halte es für selbstverständlich daß jemand der Vögel als Heimtiere hält seine Einrichtung und Lebensgewohnheiten entsprechend anpasst und den Tieren den benötigten Platz zugesteht (einen Ara kann man eben nicht in einer 60 Quadratmeterwohnung halten). Wer sich an diese Vorgaben hält kann aber Papageien ganz sicher im Wohnbereich so halten daß sie sich wohlfühlen. Papageien sind intelligent und daher auch anpassungsfähig, ein Schrank mit vielen Schubladen oder ein Regal mit Schachteln ist für sie vermutlich sogar spannender als ein morscher Baum im Regenwald.
Zitat Alfriedro
Vögel sind Wesen der Luft und des Lichts. Sie erheben sich aus der Erdenschwere, an die sie nur noch durch ihren Stoffwechsel und die Vermehrung gebunden sind. Darin sind sie dem denkenden Teil des menschlichen Wesens verwandt. Der Mensch zeichnet sich durch Phantasie und Vorstellung aus und ist hierin dem Irdischen enthoben.
Können wir das Denken des Menschen einsperren? Können wir das Wesen von Luft und Licht einsperren? Wenn wir es unseren gefiederten Pfleglingen in unserer Obhut recht machen wollen, müssen wir ihnen Luft und Licht gebündelt darbieten, dass sie in ihrem ganzen Wesen existieren können, und nicht nur in ihrer Stimme und ihren Farben.
Ich weiß nicht so recht ob das mit dem Licht und der Luft wirklich so uneingeschränkt richtig ist, für einen Albatros gilt es ganz sicher, für einen Zaunkönig, der sich meist im dichten Unterholz aufhält eher nicht. Mit Sicherheit gilt es nicht für einen Kiwi, Kaka oder Kakapo. Selbst Amazonen schätzen nach meinen Erfahrungen direkte Sonne absolut nicht.
Artgerecht gehaltene Vögel, d.h. mit ausreichender Bewegungsfreiheit, arteigenem Partner und gehalten in einer abwechslungsreich gestalteten Umgebung fühlen sich bestimmt nicht eingesperrt zumindest dann nicht wenn sie unter diesen Bedingungen aufgewachsen sind. „Enviromental Enrichment“ muß ja nicht unbedingt bedeuten dass man den Vögeln eine möglichst genaue Kopie ihres natürlichen Lebensraums bieten muß, er muß aber für sie interessant sein und sie fordern. Das kann also bei Papageien auch die menschliche Behausung sein wenn den Bedürfnissen der Vögel entsprechend Rechnung getragen wird.
Zitat Alfriedro
Und wenn es um die Sensation einer neuen Farbmutation geht, ist auch hier irgendwie etwas faul. Die Natur hat die Tiere doch vollkommen erschaffen, oder nicht? Ist es nicht das höchste Ziel, möglichst gesunde Tiere zu züchten?
Auch habe ich kein Verständnis für die Zucht von Krüppeln, wie z.B. Kanarien, die aussehen, als ob sie nach hinten umfallen und deren Federn in alle Richtungen stehen, oder Wellensittiche, die kaum noch aus den Augen schauen können, weil ihnen englischer Standard aufgezwungen wird. Wie wunderhübsch und liebreizend sind doch die Hansi-Bubi-Wellis in grasgrün, auch leuchtend blau oder gelb, weiß, opaline etc. Diese Farbmutationen sind doch schon genug an menschlichem Geltungsdrang, die dem Tier aufgedrückt werden.
Worin besteht die künstlerische Sensibilität gegenüber dem Wesen des Tieres und der Harmonie mit seiner Umwelt? Ich weiß, es betrifft eigentlich nur einige Züchter.
Dazu kommt: Welche Lebensbedingungen schaffe ich als Tierhalter, damit ich möglichst gesunden und damit schönen Nachwuchs erhalte. Die Qualität ist bedeutender, als die Quantität. In der Zucht von Koi (Farbkarpfen) in Japan steht diese Prämisse an oberster Stelle. Daher kann der Preis auch nicht klein sein. Koifans wissen das und geben freiwillig hunderte Euros aus für einen besonders schönen Karpfen.
Sehe ich auch so, wenn aber Vitalität bei jeder Zucht das höchste Ziel ist, kann man eigentlich wenig gegen die Zucht von bestimmten Form- oder Farbvarianten vorbringen.
Zitat Alfriedro
Was man aus Tauben, Hühnern, Hunden etc. macht, wird jetzt mit exotischen Vögeln fortgesetzt. Demnächst gibt es Graupapageien mit zum Rad gefächertem Schwanz auf dem Rücken oder Aras mit Beatleperücke.
Zum Glück interessieren sich Papageienhalter mehr für die inneren Werte ihrer Vögel, ich denke daher dass uns das erspart bleibt.
Zitat Liane
Bei Papageien würde ich noch nicht mal von "Zucht" sprechen.
Es fehlen definierte Zuchtziele, Körungen, Zuchtuntauglichkeitskriterien, etc.
Ich würde allenfalls von "Vermehrung" reden.
Im Grunde sind die Papageienzüchter doch froh, wenn sie es überhaupt schaffen, daß eine Naturbrut zustande kommt.
Na, ganz so ist das nicht mehr. Ich sehe auch keine Notwendigkeit für Papageien bestimmte Zuchtziele vorzugeben. Wenn mich jemand fragen würde, welche Zuchtziele für Papageien wünschenswert wären um den „domestizierten Papagei“ herauszuzüchten würde ich nur ein Zuchtziel vorgeben: die Vögel genau so zu erhalten wie sind. Ich denke die meisten Halter sehen das auch so.
Zitat Geierhirte
Meine Meinung: Ich halte Vögel, weil ich egoistisch bin...ganz einfach. Andere Gründe gibt es dafür nämlich nicht.
Mit Egoismus kann man ja nun wirklich vieles begründen: Menschen die also Musik lieben, ihren Sport, die Technik oder ihren Beruf und deswegen für diese ihre Interessen leben, das sind dann auch alles Egoisten? Da kann ich nur sagen: welches Glück, daß es so viele Egoisten in der Welt gibt, denn sonst würden wir vermutlich noch mit Fellen bekleidet und der Steinaxt bewaffnet als Jäger und Sammler umherstreifen.
Egoismus ist eine unverzichtbare Eigenschaft für jedes Lebewesen und solange Nutzen und Schaden der durch Egoismus verursacht wird noch in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, ist Egoismus durchaus eine positive Eigenschaft. Der Nutzen der Vogelhaltung, gleich welcher Art, überwiegt den Schaden der dadurch angerichtet wird bei weitem. Vogelhalter haben mit Sicherheit ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur und sich auch eher bereit sich entsprechend zu engagieren als andere Menschen. Nicht zuletzt hilft das Wissen das auch Vogelhalter und Züchter mit erarbeitet haben, Vögel besser zu verstehen und bedrohte Vogelarten vor dem endgültigem Aus zu bewahren. Dass Vogelhalter auch Fehler machen ist menschlich und kaum zu vermeiden, das kann man aber bestimmt nicht als Egoismus abstempeln und so die Vogelhaltung insgesamt in Frage stellen.
Zitat Dagmar
Woran mag es liegen, wenn jetzt eine neue Ethik der Tierhaltung gefordert wird? Liegt es nicht vielleicht daran, dass wir, das heißt die Tierforschung, insbesondere die Verhaltensforschung, uns viele Erkenntnisse über die Bedürfnisse der Tiere gebracht hat? Entspringt ein "unethisches" Verhalten dem Tier gegenüber nicht in den meisten Fällen der Unkenntnis?
Ich denke dass dies eine zutreffende Aussage ist. Sie deckt sich auch weitgehend mit dem was ich oben sagen wollte.
Gruß
Walter