Es gibt da auch alle möglichen Mischformen und Ueberschneidungen.
Bei Falken ( kein speziell grosses Sozialverhalten) kenne ich aus eigener Erfahrung solche, die menschgeprägt sind, Menschen anbalzen, aber trotzdem scheu sind und auch keine fremden Personen anfliegen. Keine natürliche Verpaarung mit Artgenossen eingehen, aber trotzdem nach künstlicher Befruchtung Junge aufziehen und sogar als Ammenvögel einsetzbar sind. Die aufgezogenen Jungen waren dann wieder normal Artgeprägt.
Solche die ausgewählte menschliche Partner anbalzen, und Momente später dieselben während der Brutzeit vehement attackieren.
Also die Mechanismen sind oft eine Mischung von Prägung, Erlerntem und Instinkten.
Schönes Beispiel für eine falsche
sexuelle Prägung des sich ansonsten völlig normal verhaltenden Falken.
Generell wird mir hier mit dem Begriff Prägung viel zu leichtfertig umgegangen. Per verhaltensbiologischer Definition ist Prägung ein irreversibler Lernvorgang, der nur dann stattfinden kann, wenn sich das Lebewesen in der für eben diesen Lernvorgang sensiblen Phase befindet und wenn eine solche Möglichkeit der Prägung für die jeweilige Art überhaupt vorhanden ist. Wobei durchaus berechtigte Zweifel daran bestehen, dass so ein Vorgang wirklich irreversibel ist und das Verhalten nicht durch späteres Lernen angepasst werden kann.
Auf jeden Fall muss man streng unterscheiden zwischen der verhaltensbiologischen Definition und dem umgangssprachlichen Gebrauch des Begriffs Prägung. Umgangssprachlich versteht man unter Prägung zumeist alle Einflüsse, die dazu führen, dass sich ein Individuum "so" und nicht anders verhält und meint damit nichts weiter als die Summe vieler Lernvorgänge. Ganz deutlich wird das an dem so beliebten Spruch "Papagei ist fehlgeprägt durch
Handaufzucht". Was genau soll denn bei so einem Vogel "fehlgeprägt" sein? Er hat lediglich Dinge gelernt, die für sein Zusammenleben mit dem Menschen "richtig" sind aber für ein Zusammenleben mit anderen Vögeln keinen Nutzen haben. Ja und? Er kann und wird jederzeit lernen, sich unter anderen Voraussetzungen erfolgreich zu verhalten, was die erfolgreiche Vergesellschaftung und Verpaarung so vieler handaufgezogener Papageien beweist.
Um mal auf die handaufgezogene Krähe zurückzukommen. Sie ist dadurch mit dem Menschen vertraut, hat nur Gutes erfahren (Futter, der Verstärker für gezeigtes Verhalten). Wird sie ausgewildert, kann es sein, dass sie nun auch andere Menschen als "gut, weil potenzielle Futtergeber" ansieht und sie belästigt.
Wenn es zu Attacken auf Spaziergänger wegen Revier- und Brutverteidigung kommt, dann doch deshalb, weil diese attackierenden Krähen den Menschen als Feind ansehen. Warum sollte eine handaufgezogene Krähe nun plötzlich den Menschen als Feind einordnen, das macht keinen Sinn. Eine logische Erklärung wäre, dass diese angreifenden
Individuen entsprechende negative Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, da sie ein nicht arttypisches Verhalten zeigen.