Mein Hahn hat auch solche Phasen. Absolut unabhängig von Brutzeiten.
Ich reagiere in solchen Fällen ebenso wie seine Partnerin: Ich schrei ihn erstmal kurz an. Wenn er sitzt, klopfe ich mit einem Fingernagel gegen seinen Schnabel bis er zurückweichen muss. Wenn er sich an mir festbeisst, schüttele ich ihn ab und jage ihn eine Flugrunde durchs Zimmer.
Ablauf und Intensität dieser Handlungen richten sich natürlich nach der Intensität des Angriffs.
Unmittelbar nach so einer Aktion bin ich sehr freundlich, spreche mit ihm und kraule ihn. Meist geht er dann gerne darauf ein, manchmal versucht er es nochmal....Dann gibts Runde zwei.
Der Vogel versteht ganz offenbar sehr gut, dass es bei meinen "Angriffen" gegen ihn um die soziale Position und nicht um die "Freundschaft" geht.
Ebenso motiviert sind ja auch seine Angriffe gegen mich. Wir pflegen ein absolut freundschaftliches Verhältnis (wenngleich locker, ich will keine Vögel, die im Freiflug nur an mir kleben) und haben halt ab und zu Rangeleien um die Hackordnung. In einer Papageiengruppe nichts ungewöhnliches und er als
Handaufzucht sieht trotz artgleicher Verpaarung ganz offenbar die Familie als Schwarmmitglieder an.
Manche sehen darin sicher vor allem den Verhaltensstörungsanteil, der ohne Zweifel da ist. Wenn dem Vogel ansonsten artgerechte Unterbringung, Gesellschaft und Beschäftigung geboten wird, sehe ich darin aber vor allem auch den Enrichmentanteil, der durch so eine "Verhaltensstörung" erst möglich wird. Und natürlich ist es eine ganz egoistische, aber nichtsdestotrotz extrem verbreitete Motivation bei der Indoorpapageienhaltung, AUCH mit den Vögeln in soziale Interaktion treten zu wollen.
Auch bei mir, das gebe ich offen zu.
Dafür können wir Menschen den Papageien aber auch einiges an Spielen bieten, die die Vögel durchaus begeistern und so nur mit einem menschlichen Gegenüber möglich sind. Immerhin sind Großpapageien ja kognitiv hochstehend genug, dass ihr Spieltrieb ausreichend flexibel ist, um auch von anderem als naturidentischen Gelegenheiten befriedigt zu werden.
Nun sind wir also Schwarmmitglieder und werden auch wie solche behandelt - was ebenso toll wie schmerzhaft sein kann. Die Vögel interpretieren unser Verhalten ihnen gegenüber dann natürlich auch ebenso, wie sie das Verhalten anderer Schwarmmitglieder interpretieren würden.
Das bedeutet einiges an Verantwortung und Pflicheten für uns, die man bereit sein muss, einzugehen, denn hier liegt in der Tat auch eine Gefahr: Viele unserer "normalen" Verhaltensweisen werden von einem Papagei fast automatisch fehlinterpretiert und das kann je nach Charakter verunsichern bis verängstigen. Manche ein Rupfer ist dadruch zu dem geworden, was er ist. Aber wenigstens sind Halter und Vögel lernfähig (die Vögel immer, die Halter leider nicht immer) und können auf Dauer ein hohes gegenseitiges Verständnis für die Verhaltensweisen des gegenübers entwickeln (wobei vor allem der aufmerksame Halter sich bald in vielen Dingen "papageiisch " genug verhalten wird, dass der Vogel ihn versteht).
Jemand, der sich dominieren lässt, wird nun einmal auch in einer Papageiengruppe, in der zu 90% der Zeit soziale Stati keine wichtige Rolle spielen, in kritischen Situationen anders behandelt als ein dominanter Kollege. Und zwar auch, wenn in beiden Konstellationen gleiche "freundschaftliche" Beziehungen zugrunde liegen.
Ich persönlich bin nun aber lieber ein dominantes Schwarmmitglied. Nicht nur, weil ich ungern blute, sondern auch, weil ich dann den Vogel - und, nicht völlig unwichtig bei Wohnungshaltung, auch das Mobiliar- einfacher und stressfreier für alle Beteiligten vor Gefahren bewahren kann.
Meist sind die spontanen Angriffe nach so einer Aktion für längere Zeit vorbei. Manchmal braucht es zwei solcher Aktionen. Alle paar Monate fängt er wieder damit an. Er ist aber auch ein Vogel, dem eine hohe soziale Stellung wichtig ist. Das ist eben nicht bei allen Papageienindividuen gleich (s.u.) aber immerhin bei Hähnen verbreiteter als bei Hennen. Er dominiert die ganze Familie- samt Hund- ausser mich. Mein Sohn arbeitet auch gerade daran, sich in der "Hackordnung " über ihn zu stellen und wird seitdem auch aktiv angegriffen.
Die meiste Zeit ist der Vogel aber friedlich, nur um das klarzustellen.
Warum ist mir dann dieses ganze Rangordnungsgedöns wichtig? Nun, ich -und langsam auch mein Sohn- kann ihn abrufen oder aufnehmen, wenn er gerade ein gnadenlos zerstörerisches Werk beginnt oder sich selber in Gefahr begibt. Und das ganze geht ohne Aufregung und Stress. Meine Frau und meine Tochter liebt er zwar sehr, beisst aber beide einfach -fast beiläufig- weg, wenn sie ihn bei etwas stören und lässt sich durch beide in keinster Weise kontrollieren. Dadurch ist zB in meiner Abwesenheit kein Freiflug möglich. Den Hund spricht er einmal scharf mit dessen Namen an, wenn er ihm im Weg ist und schon zieht der ab.
Ich weiss, dass manche hier jetzt aufschreien werden: Körperliche Aktionen gegen einen Vogel, wie grausam.
Aber zum einen tue ich nichts, was ihm weh tut. Zum anderen gerät er dabei keinesfalls in Angst oder in Panik, sondern weicht nur aus, weil ich ihm keine andere Chance lasse (nur zu gerne würde er dabei MICH weiter angreifen) und zum dritten verhält sich seine Partnerin nahezu identisch, wenn sie ihm mal wieder klarmachen muss, dass eigentlich ja doch sie das sagen hat.
Täte ich das nicht, könnte ich ihn schon bald nur noch mit Schutzkleidung händeln.
Trotz -oder wegen- dieser Aktionen ist mein Verhältnis zu dem Vogel ausserhalb der Attackenphasen sehr entspannt und er sucht mich im Freiflug oft von sich aus auf, um mit mir zu interagieren.
Eine Anekdote am Rand: Wenn ich ihn wie beschrieben ins eine Schranken weise, reagiert er immer mit einem empörten "Spinnst Du? " oder "Lass das, dass tut doch weh!".
Mit den gleichen Worten reagiert er auf entsprechende Aktionen seiner partnerin. Nur spricht er sie interessanterweise dabei mit Namen an: "Julie lass das, das tut doch weh".
Seine Partnerin lässt ihm übrigens in den meisten Situationen den Vorang. Nur, wenn es um den Nistkasten, um einen Sitzplatz auf mir oder um Bananen geht, dominiert sie ihn energisch. Und von solchen Situationen habe ich mir das oben genannte abgeschaut.
Zu mir pflegt sie auch im Alter von 19 Jahren noch eine neotene Küken/Mutter Beziehung und hat mich noch nie angegriffen. Ich kann sie beim Tierarzt in jede Zwangsstellung bringen, ohne dabei ihren Kopf fixieren zu müssen. Mich beisst sie zuverlässig nicht. (Fast) jeder andere, der sich ihr auf merh als 20 cm nähert, muss jedoch mit leichtem Blutverlust rechnen.
P.S.: Bitte genau verstehen. Es ist sehr wichtig, den Vogel bei solchen Aktionen nicht zu erschrecken oder zu ängstigen. Eine "harte" oder auch nur eine länger als wenige Sekunden dauernde Bestrafung wäre ebenso fehl am Platz und nutzlos wie eine Aktion nur 5 Sekunden nach dem Ereignis. So etwas muss sofort und in vogelgerechter Weis erfolgen.