Hallo,
Die Frage, ob ich einem Tier gerecht werden kann oder nicht, sollte sich jeder stellen, bevor er sich ein Tier, egal was für eins, anschafft.
Ich finde diesen thread aufschlußreich. Weil er IMHO zeigt, wie wenig wir selbst heute in der Lage sind, 'artgerecht' im Zusammenhang mit der Haltung in Gefangenschaft zu definieren. Mal abgesehen von der pauschalen Ablehnung des 'das geht ja gar niemals'. Und wie wenig wir bereit sind, Tierhaltung und Tierhaltung objektiv miteinander zu vergleichen :-(
Kaum ein Hund lebt heute beim Menschen 'artgerecht'... Wo ist sein Rudel? Darf er seine Beute reissen? Und welcher Hund wird wirklich carnivor ernährt? Eben: zu 99,9% absolute Fehlanzeige. Dass trotzdem nicht so viele Hunde an schweren Verhaltensstörungen leiden (wie unserer...), macht deren Haltung keineswegs 'artgerechter'.
Hunde sind ja auch nicht blöde - aber sie neigen nunmal nicht so schnell zu asozialem oder selbstzerstörerischem Verhalten wie Großpapageien. Sind deshalb die Anforderungen an die 'artgerechte' Haltung von Hunden geringer als die an die Papageienhaltung?
Oder, im Umkehrschluß: ist 'artgerecht' immer dann, wenn sich das Viehzeug nicht großartig beschwert - und selbst für den Menschen offensichtlich nicht zu ignorierende Störungen zeigt?
Ich finde diese 'artgerechte' Diskussion immer einigermaßen verlogen. Denn wenn wir mal überlegen, wieviele Tiere in Menschenhand gehalten werden... dann müßte uns eigentlich auffallen, dass hierzulande zig Millionen Schweine, Rinder, Hühner, Puten usw. alles andere als 'artgerecht' gehalten werden, ohne dass es uns beim Frühstücksei oder dem Sonntagsbraten den Magen umdreht.
Aber für die Sensibelchen von Papageien gelten plötzlich andere Kriterien? Ein Huhn wird auf 20x30 cm auch nicht artgerecht gehalten, und ein Schwein muss auf der großen Weide grubbern und suhlen, um glücklich zu sein. Ist das weniger wichtig, weil wir solche Tiere gerne auf dem Teller sehen? Oder anders: was würde uns das Wohlbefinden unseres Grauen oder Aras zu Lebzeiten interessieren, wenn wir ihn einfach schlachten und aufessen würden?
Eben: es würde uns einen Scheissdreck interessieren. Wir unterscheiden gerne zwischen 'Nutz'-Tieren und 'Zier/Kuschel/Menschenersatz'-Tieren. Was IMHO überhaupt nichts mit deren Intelligenz oder Leidensfähigkeit zu tun hat. Sondern nur mit unserer bigotten Einstellung zu anderen Lebewesen.
Wir unterscheiden alle zwischen 'wertvollen' und 'wertlosen' Tieren. Unabhängig von deren Intelligenz oder Leidensfähigkeit. Wer mal ein Schwein als Freund hatte, weiss, was ich meine. Und trotzdem maßen wir uns alle an, die 'wertlosen' zu ignorieren, aber um die 'wertvollen' einen riesen Buhei zu machen.
Zusammen gefasst: wieso meinen wir, einen Wellensittich in Gefangenschaft so viel besser behandeln zu müssen als einen Hund oder eine Legehenne...
Viele Grüße,
Stefan