Wer als "Antwort" auf eine absolut konkrete, einfach und deutlich formulierte und im thematischen Zusammenhang relevante Frage ("Über welchen Erfahrungszeitraum mit Amazonen verfügst Du?") eine Gleichung mit zwei "Unbekannten" (darum handelt es sich im mathematischen Sinn) unter Verweis auf 22-jährige Erfahrung (?) mit Graupapageien "präsentiert", gibt Anlaß zur Vermutung, daß der fragliche Erfahrungszeitraum ein eher kürzerer sein dürfte. Nicht gerade abgeschwächt wird diese Vermutung durch reichlich unstrukturierte, verworrene, verallgemeinernde und in weiten Teilen unzutreffende Aussagen zum Verhalten von Amazonen. Zur Gewißheit wird die Vermutung schon bei einem recht oberflächlichen Blick auf die Website des "Papageienhof im Dreilanändereck", der zu entnehmen ist, daß im Jahr 1986 ein (!) Graupapagei bei der Betreiberin Einzug hielt und selbigem im Jahr 2000 (!) ein Artpartner zugesellt wurde. Weiterhin ist der Website zu entnehmen, daß Kakadus seit ca. dem Jahr 2005 und Amazonen seit ca. 2004 gehalten werden.
Und: Klar ist es (entgegen der Uhu`schen Annahme) nicht nur hilfreich, sondern sogar zwingend erforderlich, zwecks Prävention vor und/oder Abschwächung/Behebung von Problemen innerhalb Amazonengruppierungen über einen "Schimmer" zu verfügen. Dies gilt – was einleuchtend sein dürfte – ganz besonders für Auffangstationen und/oder sonstige Institutionen (bzw. deren verantwortliche Betreiber/innen), die Amazonen in nicht unerheblichen Exemplarzahlen aufnehmen/abgeben, sozialisieren, gruppieren, vergesellschaften und/oder verpaaren möchten.
Und nein: Es ist in den betreffenden Zusammenhängen nicht hilfreich, Vergleichsmöglichkeiten mit Exemplaren anderer Gattungen hervorzuheben (bzw. Vergleiche anzustellen), ohne offensichtlich darum zu wissen, daß beispielsweise bei den erwähnten Graupapageien in Gruppenhaltung der Aufbau sozialer Ordnungen im Gegensatz zu Amazonen hierarchisch flacher (nicht-linear) verläuft und die Territorialität weniger ausgeprägt ist (vgl. u. a. Woppel, M. T. (2003): Dominanzstrukturen bei Graupapageien (Psittacus erithacus erithacus), Diplom-Arbeit, Institute of Zoology, Department of Ethology, University of Vienna), während bei Amazonen der Gruppenrang innerhalb der gesamten Gemeinschaft eine übergeordnete Rolle spielt und die Hierarchien linear verlaufen, wobei feste Paarbindungen sich positiv auf den Gruppenrang auswirken (vgl. u. a. Weinhold, J. (1998 ): Analyse des Sozialverhaltens einer Gemeinschaft von Blaustirnamazonen Amazona aestiva (LINNE 1758 ) in
Volierenhaltung, in: Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt-Verlag, Bretten)
Prof. Hanno Würbel: "Die artspezifischen Anpassungen an bestimmte Formen sozialer Vergesellschaftung führen zu artspezifischen Anforderungen an eine tiergerechte Haltung. Werden diese nicht erfüllt, kann dies zu schweren Belastungen und erheblichen Verhaltensstörungen führen." (Würbel, H. (2005): Script Tierschutz I, Universität Gießen)
Das bedingt natürlich auch (und zunächst) das Vorhandensein der Kenntnis von "artspezifischen Anpassungen an bestimmte Formen sozialer Vergesellschaftung" (eben den schon erwähnten "Schimmer").
(Dauer)schreiende, inaktive und flugfaule Amazonen in Gruppenhaltung (wie von der Betreiberin geschildert) entsprechen in keiner Weise einem anzustrebenden, im Sinne der Erhaltung der physischen und psychischen Tiergesundheit gebotenen Zustand. Diese Verhaltensweisen sind (werden sie – wie von der Betreiberin angedeutet - in Permanenz gezeigt) im Wortsinn abartig (weil nicht annähernd dem Normverhalten der Art entsprechend). U. a. Andrea Juppien ordnet derartiges "Dauerschreien" aus guten Gründen nicht mehr "nur" unter den Begriff "Verhaltensauffälligkeit", sondern unter "Verhaltensstörungen" ein (vgl. Juppien, A. (1998 ): Statistische Erhebungen zum Auftreten von Verhaltensstörungen bei Großpapageien in Menschenobhut, in: Parrot Biology, Jahrgang/Volume 2, Arndt-Verlag, Bretten). In etwa gleichlautend bei: Lantermann, W. (1998 ): Verhaltensstörungen bei Papageien, Entstehung – Diagnose – Therapie, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart.
Daß die Ursachen für das von der Betreiberin geschilderte "Dauerschreien" nicht in beispielsweise dem sog. "attention-screeching" (vgl. Lawton, M. P. C. (1996): Behavioural problems, in: Beynon, P.H., N.A. Forbes & M.P.C. Lawtion: Manual of Psittacine Birds, British Small Animal Association, Cheltenham, 106-114), sondern (zu einem Anteil X auch) in der Inhomogenität der Amazonengruppierung (Anmerkung: zu überprüfen wären u. a. Alters- und Geschlechtsstrukturen), die durch mehrfache Wechsel (Zugesellungen/Abgänge) und dadurch bedingte Um- und Neuorientierungen der sozialen Ordnung über keine Konstanz verfügt, zu suchen sind, liegt auf der Hand.
Die Gruppenhaltung von Amazonen erfordert sehr viel "Fingerspitzengefühl", Einfühlungsvermögen, theoretisches (Vor)Wissen, Erfahrung und (hinsichtlich der Haltungsräumlichkeiten) ab einer Exemplarzahl oberhalb 10 die Verfügbarkeit von mindestens zwei Separat-
Volieren. Werden unterschiedliche Amazonenarten gehalten, macht das die Sache nicht einfacher.
Unharmonische (oder gar völlig "aus den Fugen" geratende) Zusammenstellungen erzeugen auf Dauer neben den hör- und sichtbaren Folgen einen permanenten Streß, der sich auf die endokrinologischen Parameter der Tiere (bzw. zumindest eines Teils der Tiere) äußerst negativ auszuwirken in der Lage ist. Das gilt natürlich nicht nur für Amazonen. Eva Millesi hat den Einfluß von Streßsituationen an Graupapageien untersucht. Gestreßte Tiere zeigten einen deutlich höheren (zu hohen) Corticosteroid-Spiegel (Anmerkung: Corticosteroide sind Hormone der Nebennierenrinde und gelten als sicherer Indikator für Streßbelastung) (vgl. Millesi, E. (2001): Einfluss von Stresssituationen auf die Sexual- und Stresshormone bei Graupapageien, Science goes public, Universität Wien).
Übrigens scheinen auch die Kenntnisse der "Papageienhofbesitzerin" zu den von ihr vergleichend (zu den Amazonen) als in der Gruppenstruktur wesentlich "friedlicher" geschilderten Aras nicht gerade up to date zu sein, sonst wüßte sie, daß es innerhalb der Ara-Gattungen in dieser Hinsicht erhebliche Unterschiede gibt. Zumindest die Grünflügelaras können gegenüber in bestehende Gruppen neu hinzugesellten Exemplaren äußerst "unleidlich" sein. Hering-Hagenbeck (2002) zum Gruppenverhalten van Ara chloroptera (im Tierpark Hagenbeck): "Die Aras bilden eine stabile Gruppe mit strenger Hierarchie. Wenn ein Tier für mehr als zwei Tage entfernt werden muß, kann es nicht wieder integriert werden. Die Einführung genetisch fremder Vögel ist nur über Eiertausch möglich." Ralf Wanker (2005) (Universität Hamburg) in einer pers. Mitteilung zur Hagenbeck-Gruppe: "Wir konnten eindeutig eine lineare Rangordnung nachweisen, die sich im Laufe der Jahre insofern ändern konnte, als daß sogar das alpha-Paar nach starken Kämpfen um eine Bruthöhle auf die omega-Position absinken konnte."
(Ironie an) Aber derartige - aus verläßlicher beobachtender Forschung in langjähriger Haltungspraxis gewonnene – Daten sind natürlich nur für bekloppte Theoretiker/innen von Belang (Ironie aus).
Gruß
Heidrun