Dann kommt unsere "Rechtfertigung", wie diese in den Einzelfällen ausschaut und welche Beweggründe es sind - ja dass würde mich hier an dieser Stelle (und sicher einige andere auch), interessieren!
Dann kommt der weit verbreitete Fehler, sich auf eine provokante Frage mittels Rechtfertigungen einzulassen.
Es scheint heute jede Menge solcher provokanter Fragen zu geben, auf die man mMn nicht mehr antworten sollte.
Jedenfalls nicht mit Rechfertigungen, sondern lieber mit Gegenfragen:
Warum hältst Du denn die Katze in der Wohnung?
Okay, wenn sie keinen Freigang haben kann, warum hast Du als Städter überhaupt eine Katze?
Warum muss Dein armer Hund ein Halsband tragen und in der Stadt an der Leine geführt werden?!
Du reitest? - Das arme Pferd!
Du isst Fleisch?! Trinkst Tiermilch? Isst Eier?!
Du kaufst bei (hier Laden oder Kette einsetzen, die durch diverse Missstände in Verruf geraten ist)?
Du isst Schokolade, die nicht "Fairtrade ist"?!
Wie engagierst Du Dich denn für Menschen, denen es schlechter geht als Dir?
etc.pp.
Warum jeder Vögel hält und warum jeder gerade die Haltungsart gewählt hat, die er anbietet, hat sicher ganz unterschiedliche Gründe von "bin da reingewachsen" über "wollte einfach gern Vögel halten, weiß nicht warum" über "ich wollte bewusst die und die Aspekte erleben, die mit nur Vogelhaltung bieten kann" über "habe einen Vogel gerettet" oder "wollte mich für den Tierschutz engagieren und suchte nach Vögeln aus schlechter Haltung" bis hin zu "habe mein ganzes Leben umgekrempelt, um Vögel aus schlechter Haltung zu 'retten'".
Wenn es nichts mit "Rettung" zu tun hat, wird man immer Gegenargumente finden, selbst bei der "Rettung" findet man ggf. noch das Argument, "die hätten es aber bei X oder bei Bedingungen Y besser als bei Dir" und so kommt man dann zu Haltern, die ernsthaft sagen, sie würden ihre geliebten Vögel sofort abgeben, wenn jemand käme, der bessere Haltungsbedingungen bieten könnte, z.B. einen größeren Schwarm, Innen-/Außenvoliere, mehr Platz.
Ein nur kr... ähm, komisch.
Fazit:
Lieber nichts rechtfertigen!!
Seltsam finde ich, dass in unserer immer narzistischeren Gesellschaft - alles muss im Internet irgendwie geteilt werden und viele legen ihr ganzes Leben teils minutiös mit Videos und Selfies etc. offen - eine Parallelentwicklung verläuft, nach der nur derjenige, der sich selbstlos "aufopfert" und einsetzt oder sich für "das Richtige" verbiegt und verleugnet, gefeiert und teilweise gefordert wird.
Da gibt es Vogelhalter (und Halter anderer Tiere) die stolz berichten, auf was sie alles für ihre Tiere verzichten (unter anderem Urlaub, Komfort bis hin zu vielen Menschen, die stolz berichten, wie wenig sie sich im Alltag gönnen, weil alles Geld für die Tiere drauf geht), Vegetarierer, die jeden Tag ihres Lebens Fleisch vermissen, sich aber für den guten Grund weiter quälen (auch mit dem Gedanken, dass sie eigentlich noch schuldig sind, bis sie Tiermilch und Eier weggelassen haben) und die weit verbreitete Haltung zu fragen, was man denn noch alles falsch mache (such die Fehler, niemals das gute Gefühl von Erleichterung, Stolz, Begeisterung, Befriedigung etc.).
Meiner Ansicht nach ist diese immer stärker verbreitete Haltung im Wortsinne krank (machend), ungesund und müsste mal zurück gefahren werden.
Auch die Haltung, dass man andere Menschen für etwas wie Tierhaltung (oder Essverhalten etc.)
bewundern müsse und sich möglichst stark einschränken müsse, um die gleiche Bewunderung zu erhalten, geht in die falsche Richtung.
Ständig wird gefragt und geschaut, ob jemand es besser macht als man selbst, damit derjenige sich brüsten und man selbst sich wieder schlecht fühlen darf. ("Ich hatte ja so ein schönes großes Vogelzimmer, aber dann kam X mit seiner Innen-Außenvoliere und jetzt muss ich mich schämen und auf eine solche hin sparen." - überzogen formuliert, aber immer wieder in abgewandelter Form nachlesbar.)
In immer kürzeren Abständen werden die Forderungen an eine "perfekte" Haltung, die als "Mindestanforderung" beschrieben wird, erhöht bzw. geändert, so dass man eigentlich halbjährlich wieder alles umwerfen müsste und sich für seine vorherige Haltung schämen müsste.
Warum wird immer wieder die Egoismusdebatte aufgeworfen und warum springen so viele darauf an?
Grundgedanke solch einer Debatte ist mMn, dass man im Leben nur logische Entscheidungen trifft - alles Gute an dieser Stelle für Mr. Spock!
- und es richtig sei, seine Gefühle zu verdrängen oder verleugnen. Gleichzeitig soll man etwa Haustieren ein "liebevolles" zu Hause geben, man "darf" sie aber nicht halten, weil man sich dann "besser fühlt" (was ich mal als allg. Motivation beschreiben würde).
Im Extremfall las ich dann einmal, jemand wollte sich den hässlichsten Wellensittich kaufen, den er finden könne, um ihn so im Vorfeld schon zu retten, weil den ja sowieso niemand würde haben wollen.
Meines Erachtens müssten wir wieder weit weg vom Perfektionsgedanken - auf vielen Gebieten! - und uns eingestehen, dass wir erstens Gefühle und Wünsche haben, die wir befriedigen wollen und dass zweitens auch das Machbare, Normale, Durchschnittliche völlig ausreicht und nicht jeder Vorbild sein muss und ein "Ideal" verwirklichen, dass dadurch nur immer weiter hinausgeschoben wird, und dass man nicht immer nach mehr streben muss, besonders nicht, sich in seiner Freizeit dafür ein Bein ausreißen.
Den meisten Vögeln, die freiwillig gehalten werden, geht es gut. Wenn das nicht der Fall ist, könnte man Hilfe anbieten auf der Basis, eine bessere Haltung für den Halter als machbar und attraktiv darzustellen, statt mit Drohungen und schlechtem Gewissen Forderungen zu stellen.
Man muss sich bewusst sein, dass vermutlich unsere Haltung in 20 Jahren sehr veraltet sein wird, wobei ich mich frage, ob es dann gar keine Vogelhaltung mehr gibt oder nur noch Leute mit Villen und privatem Vogelpark Vögel halten werden.
Als ich in der Grundschule war, hatte eine Freundin von mir einen Wellensittich. Okay, schade, dass es keine zwei waren.
Dieser Vogel hatte einen Käfig von der Größe einer Transportbox, vielleicht 20 cm lang, da passte eigentlich nur eine Schaukel und der Napf rein.
Meine Vögel hatten einen deutlich größeren Käfig von 60 mal 80 cm
- bekamen aber nur in meinem Zimmer Freiflug. Ihr Vogel durfte den ganzen Tag die gesamte 3-Zimmer-Wohnung ausnutzen, bis hin zur Wohnungstür. Objektiv gesehen (Käfiggröße) hätte man ihr auch den Vogel
"wegnehmen"* können (den fehlenden Partner lassen wir mal außer Acht, der war damals noch in den Köpfen der meisten Halter "ein unnötiges Extra"). Tatsächlich hatte der Vogel natürlich deutlich mehr Flugmöglichkeiten als meine drei.
* Im verlinkten Artikel fehlt mir z.B. auch das Angebot, mit der Halterin mal zu besprechen, wie man einen Partnervogel am besten aussucht, einführt, verpaart, - sprich, ihr die Ängste zu nehmen, Mut zu machen und die Sache ggf. zu begleiten (vielleicht ehrenamtlich durch andere Vogelhalter) - aber stattdessen wird nur von Forderungen und Standpunkten geredet. Wie es zu dem Standpunkt der Halterin kam und wie man ihn so ändern könnte, dass sie sich auf einen Partnervogel freut, wurde evtl. gar nicht bedacht.
Womit wir wieder beim Thema sind:
Jetzt muss also jeder Halter von Einzelvögeln wieder Angst vor der Entnahme haben und hat dann im schlechtesten Falle drei Möglichkeiten:
1. Seinen Vogel abgeben.
2. Sich schnell einen Partnervogel besorgen, komme was da wolle, und sich ggf. überfordert fühlen. Oder
3. Hoffen, dass es keiner merkt.
Womit wir auch wieder bei der Rechtfertigung wären: Warum man denn nur einen Vogel hält. Bitte keine subjektiven emotionalen Gründe nennen, sondern aus Sicht des Vogels arguementieren!
So wird das nur leider in den meisten Fällen nichts mit der verbesserten Haltung - entweder, der Vogel bleibt allein, der Halter überfordert sich oder der Vogel wird abgegeben und der Halter bleibt traurig zurück.
Und das alles nur,
weil man nicht offen über seine Motive, Ängste und mögliche - langsame! - und begleitete Änderungen
reden darf!