Hallo Ingo,
durchgängig alle der (sinnvoller Weise) zur Lektüre empfohlenen Arbeiten sind mir bekannt.
Die von Dir angeführten Arbeiten von Meehan, Mench et al. sind aus vielen Gründen (insbesondere was die Wertigkeit einer "guten" Sozialisation betrifft) sinnvoll und eine Lektüre ist tatsächlich zu empfehlen.
Cheryl Meehan und ein Team von der University of California haben ein höchst interessantes Experiment unternommen. Sie wollten u. a. herausfinden, ob junge Papageien, die zusammen mit einem Artgenossen und in einem reich strukturierten Umfeld leben, sich in ihrem Aggressionsverhalten gegen Menschen von einzeln in Käfigen gehaltenen Artgenossen unterscheiden. Als "Versuchstiere" mußten 4 Monate alte Venezuelaamazonen (alle aus Elternaufzucht) herhalten. 7 Amazonen wurden jeweils einzeln in Käfigen gehalten. 14 weitere Exemplare wurden in 7 Paare aufgeteilt paarweise gehalten. Über den Zeitraum von einem Jahr nahm ein Mitarbeiter, der die Bezugsperson simulierte, die Tiere täglich aus den Käfigen und beschäftigte sich mit ihnen. Nach einem Jahr wurde das Verhalten der Amazonen gegenüber dem Mitarbeiter (Bezugsperson) und einer den Amazonen bis dahin fremden Person einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Die Reaktionen der Amazonen auf verschiedene Verhaltensweisen beider Personen wurden akribisch notiert. Von welcher Person duldeten sie Annäherungen, von wem nahmen sie einen Leckerbissen, wer konnte wie nahe heran, ergriffen sie die Flucht oder bissen sie zu, wie hoch war bei welchem Vogel gegenüber welcher Person die Fluchtdistanz, welche Person wurde bei welchem Verhalten angedroht – all diese Fragen galt es zu beantworten. Das Ergebnis: Die Jungvögel aus beiden Haltungsformen zeigten gegenüber der Bezugsperson das jeweils gleiche Verhalten. Sie zeigten ihm gegenüber keine ängstlichen oder aggressiven Reaktionen. Sobald aber die ihnen fremde Person die Szene betrat, wechselte das Verhalten – und zwar mit völligen Unterschieden innerhalb der Vergleichsgruppen. Die einzeln gehaltenen Amazonen reagierten auf die fremde Person ängstlich und zugleich aggressiv. Die paarweise gehaltenen Amazonen reagierten hingegen mit Neugier und ohne jede Aggression. Sozusagen als Nebenergebnis stellten die Studienbetreiber fest, daß die paarweise gehaltenen Amazonen längere Zeiten zum Spielen aufwendeten und weniger lautstark kreischten.
Ich möchte noch einige hinzufügen:
Bürkle, M. (1994):
Handaufzuchten in der Papageienzucht - Übel oder Wohltat?, in: PAPAGEIEN 1/1994, Arndt Verlag, Bretten
Jordan, R. (1994): Handaufgezogene Papageien - Zucht- oder Heimtiere?, Verh. III. Internat. Papageienkongress, Puerto de la Cruz, Teneriffa, 4 - 10
Reinschmidt, M. (2000): Kunstbrut und
Handaufzucht von Papageien und Sittichen, Arndt Verlag, Bretten, 114
Rowley, I. & G. Chapman (1986): Cross-fostering, imprinting and learning in two sympatric species of cockatoo, Behaviour 96, 1 – 16
Schmid et al (2004): The Influence of the breeding method on the behaviour of adult African grey parrots, Inaugural-Dissertation, Vetsuisse-Fakultät, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Universität Bern, 101
Sistermann, R. (1999): Untersuchung zur sexuellen Prägung handaufgezogener Großpapageien, Institut für Biologie III, Lehrstuhl für Zoologie - Tierphysiologie, RWTH Aachen
TVT (2006): Stellungnahme zur
Handaufzucht bei Papageien, Arbeitskreis 8, Zoofachhandel u. Heimtierhaltung, Lage-Hörste, Online:
http://www.tierschutz-tvt.de/handaufzucht.pdf
Wagner, R. K. (2001):
Handaufzucht von Papageien, Verlag Michael Biedenbänder, Dietzenbach, 109
Gruß
MMchen