Wollte man – im Sinne von „psittaculas“ letzten Beiträgen – die Papageienarten benennen, die hierzulande leben könnten, so hätte man sich wohl weniger an den Heimatbiotopen der betreffenden Spezies zu orientieren, sondern vielmehr an deren Fähigkeit, Kulturfolger zu sein. Auch wenn der tasmanisch/neuseeländische Laubwald klimatisch dem unseren vielleicht gar nicht so fern ist, und oberflächlich gesehen sogar ähnlich aussieht, so stellt er doch eine ganz andere Pflanzengemeinschaft dar und eine Anpassung an diese ist für die Überlebensfähigkeit in einem europäischen Laubmischwald ohne Belang.
Dagegen könnte die Begabung, kumulative oder zufällige Nahrungsangebote flexibel und exzessiv zu nutzen, (Kastanienblüte, Kirschernte, Bucheckern, Äpfel und im Winter Meisenknödel und zu allen Jahreszeiten Balkonfutter und Weggeworfenes) ein Überleben hier ermöglichen. Wer in der Fremde außerhalb der naturgegebenen Ökosysteme klarkommt und stattdessen das urbane Durcheinander zur Arterhaltung nutzen kann, kann mit dieser Fähigkeit kosmopolitisch auftreten, und gewissen Papageien scheint hier eine staunenswerte Karriere zu winken.
Da diese Arten (siehe meine Thesen) dann aber keine relevante Einbindung in heimische Ökosysteme besitzen und ihnen somit auch keine Indikatorfunktion für deren Zustand zukommt, steht der engagierte Naturschützer ein wenig hilflos da. Argumente, die auf ihren Schutz oder ihre Förderung hinauslaufen, sind eben deshalb schwer zu finden. Argumente, sie zu bekämpfen (wie es bei einigen eingeschleppten Pflanzen gerade läuft) lassen sich auch nicht begründen, da die Vögel aus demselben Grund die alten, etablierten Arten nicht stören. Sie gehören eben zu den heimischen Ökosystemen nicht dazu, sondern gehören zur Gegenwelt: Das fragmentierte, entnetzte in ständigem Umbau begriffene Zufallspuzzle urbaner Park- Friedhofs- und Gartenzonen, geformt nach der jeweiligen Mode der Naturimagination, des Freizeitbedarfs und kulturell kodierter Repräsentationsansprüche.
Die Verteidiger dieser Vögel – zu denen ich auch gehöre – müssen sich wohl mit dem Gedanken vertraut machen, dass es der faszinierende Unterhaltungswert dieser Tiere ist, welcher für sie einnimmt. Auch Ornithologen haben ihre Spaßkultur, die ja nicht oberflächlich sein muss. Für die urbanisierten Papageien hingegen ist der Kampf ums Überleben und der darwinsche Selektionsmechanismus echt. Auf unechter Grundlage.
Ob nun Pennantsittiche und Rosellas das Potential zu Ansiedlung haben? Ich denke, ein Blick auf ihre australische Lebenswirklichkeit könnte die halbe Antwort sein. Ich persönlich mache mir aus australischen Sittichen nicht so viel und hätte lieber Mönchssittiche hier. Auch der große Alexander gefällt mir nicht so sonderlich. Mönchssittiche hingegen sind quirlig, lustig, schlau und immer im Trupp. Es sind große, grüne Spatzen.
Der Spatz steht für die erste Welle der Raumgestaltung durch den Menschen, nämlich durch Landwirtschaft. Papageien stehen für die zweite Welle. Siehe oben. Er gibt dem Verhältnis Mensch / Natur eine neue Definition und ein neues Bild von großer Symbolkraft.