alfriedro
Wildfang
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Wenn das so wäre, würde sich nicht genau dieser Phänotyp erhalten. Es ist ihnen noch nicht mal egal, ob sie ein rotes, gelbes oder schwarzes Gesicht haben. Darüber gibt es ausführliche Untersuchungen. Rotgesichtige Goulds sind agressiver und stressanfälliger, Gleichgesichtige geben sich gegenseitig den Vorzug bis hin zur Gelegegröße und Geschlechterverteilung bei den Nachkommen. Man sollte ähnliche wissenschaftliche Untersuchungen auch bei Variationen anstellen. Die Ergebnisse würden mich sehr interessieren.
Das mit dem Leid bezieht sich vor allem auf Zuchtformen, die die Tiere anatomisch verändern. Wie sehr sie darunter leiden, kann man von außen gar nicht beurteilen. Dass sie leiden, kann man nicht ausschließen. Wir können nur anthropozentrisch urteilen. Das ist nicht falsch, weil wir gleichermaßen empfindende Lebewesen sind.
Grüße, Al
Ich will das mal mit einem anthropozentrischen Beispiel untermauern. Wenn wir einem Menschen ins Gesicht schauen, welches scharlachrot ist, sind wir irritiert, wenn nicht angewidert. Hat einer eine extreme Nase, Ohren oder was auch immer, schauen wir immer hin. Wir können gar nicht anders. Jener Mensch fällt aus der "Norm". Manche reagieren auf diese Andersartigkeit mit Aggression, andere mit Verlegenheit. Wie auch immer, die Andersartigkeit erzeugt in uns "komische" Gefühle. Das ist völlig instinktiv. Sicherlich gewöhnen wir uns schnell daran, wenn wir uns trauen, mit diesem Andersartigen zu sprechen. Immerhin sind wir intelligenter als Vögel. Auch mag sich die Irritation eines Vogels nach einigen Piepsern des Andersaussehenden legen.
Vögel sind von ihren Sinnen her sehr stark optisch ausgerichtet. Die Gefiederfärbung, die Haltung des Körpers, die Stellung des Gefieders etc. des Artgenossen nehmen sie als Ganzes wahr, so wie wir die Physiognomie eines Gesichts wahrnehmen. Die Farbe des Gefieders spielt bei den Vögeln eine sehr erhebliche Rolle, so wie bei uns die Harmonie der Gesichtskomponenten. Mag sein, dass Vögel darin toleranter sind, als Menschen. Aber wie kann ein Zebrafink seine Äußerungen noch wirkungsvoll zum Ausdruck bringen, wenn ihm die Gesichtsfarbe fehlt oder verschwimmt? Unter künstlichen Bedingungen mag das irgendwie gehen, im Freiland hätte so einer keine Chance. Wegen der für uns Menschen kaum wahrnehmbaren Regulatorien in der Kommunikation zwischen Vögeln, die z.B. ein Albino teilweise nicht äußern kann, kompensiert ein solcher seine "Behinderung" unter Anderem mit größerer Aggressivität. Das konnte ich selbst beobachten. Wäre der Zebrafink aber "nur" heller als die anderen, würde das keinen Nachteil bringen außer eine größere Auffälligkeit für Beutegreifer.
Die Wirkung der Farben spielt übrigens in der Psychologie eine immer größere Rolle bis hin zum heilen durch Farben. Weil Vögel nicht nur trichromatisch sondern sogar tetrachromatisch sehen, wirken die Farben noch anders und intensiver auf die Vogelpsyche. Jedes Farbmal hat seine Bedeutung. Nichts ist in der Natur zufällig. Es ist immer ein Zusammenspiel aller Kräfte, welche die Erscheinung des Tieres entstehen lassen.
So viel als ganz kleiner Denkanstoß für die Farbvariantenzucht. Mehr kann man in diesem Rahmen nicht schreiben.